Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1. Александр Дюма
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»Als ich erwachte,« fuhr der Erleuchtete fort, »fühlte ich, daß ich mehr als ein Mensch, begriff ich, daß ich beinahe ein Gott war.
Da beschloß ich, nicht nur mein gegenwärtiges Dasein, sondern auch alle Existenzen, die ich fernerhin zu leben habe, dem Glücke der Menschheit zu weihen.
Am andern Tage, als hätte er mein Vorhaben errathen, kam Althotas zu mir und sprach:
‚Mein Sohn, es sind zwanzig Jahre, als Eure Mutter, indem sie Euch das Leben gab, verschied; seit zwanzig Jahren hält ein unüberwindliches Hinderniß Euren erhabenen Vater ab, sich Euch zu offenbaren; wir werden unsere Reisen wieder fortsetzen; Euer Vater wird unter denjenigen sein, welche uns begegnen, er wird Euch umarmen, doch Ihr werdet nicht wissen, daß er Euch umarmt hat.’
Es sollte also Alles bei mir, wie bei den Auserwählten des Herrn geheimnißvoll sein: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft.
Ich sagte dem Mufti Salaaym Lebewohl, er segnete mich und überhäufte mich mit Geschenken; dann schlossen wir uns einer Karavane an, welche nach Suez abging.
Verzeiht, edle Herren, wenn ich bei dieser Erinnerung erschüttert bin; eines Tages umarmte mich ein ehrwürdiger Mann und ein seltsamer Schauer bewegte mein ganzes Wesen, als ich sein Herz schlagen fühlte.
Es war der Scherif von Mekka, ein sehr glänzender, sehr erhabener Fürst. Er hatte hundert Schlachten gesehen und mit einer Geberde seines Armes beugte er die Köpfe von drei Millionen Menschen. Althotas wandte sich ab, um nicht unruhig zu werden, vielleicht um sich nicht zu verrathen, und wir setzten unsern Weg fort.
Wir drangen in Asien vor; wir fuhren den Tigris hinauf; wir besuchten Palmyra, Damask, Smyrna, Konstantinopel, Wien, Berlin, Dresden, Stockholm, Moskau, Petersburg, New-York, Buenos-Ayres, das Cap, Aden; als wir uns endlich wieder beinahe auf dem Punkte fanden, von dem wir ausgegangen waren, begaben wir uns nach Abyssinien, fuhren den Nil hinab, landeten später in Rhodus und dann in Malta; ein Schiff kam dem unsrigen auf zwanzig Stunden in die See entgegen; zwei Ritter des Ordens führten uns, nachdem sie mich begrüßt und Althotas umarmt hatten, im Triumph in den Palast des Hochmeisters Pinto.
Ohne Zweifel, meine edle Herren, werdet Ihr mich fragen, warum der Muselmann Acharat mit so großer Ehre von denjenigen aufgenommen worden sei, welche in ihrem Gelübde die Vertilgung der Ungläubigen schwören. Althotas, ein Katholik und selbst Malteserritter, hatte mir immer nur von einem mächtigen, universellen Gott gesprochen, der mit Hülfe der Engel, seiner Diener, die allgemeine Harmonie gegründet und diesem harmoniösen Ganzen den schönen, großen Namen Kosmos gegeben. Kurz ich war Theosoph.
Meine Reisen waren vollendet; aber der Anblick aller dieser Städte mit den verschiedenen Namen, mit den widersprechenden Sitten, hatte kein Erstaunen bei mir erregt; das kam davon her, daß nichts unter der Sonne für mich neu war, daß ich im Verlaufe der zwei und dreißig Existenzen, die ich bereits gelebt, dieselben Städte besucht hatte, daß das Einzige, was mir etwa auffiel, die Veränderungen waren, die sich unter den Menschen, welche dieselben bevölkerten, bewerkstelligt hatten. Ich konnte dann im Geist über die Ereignisse hinschweben und den Gang der Menschheit verfolgen. Ich sah, daß alle Geister auf den Fortschritt abzielten und daß der Fortschritt zur Freiheit führte. Ich sah, daß alle nach und nach zum Vorschein gekommene Propheten vom Herrn erweckt worden waren, um den schwankenden Gang der Menschheit zu stützen, welche, blind von ihrer Wiege ausgegangen, jedes Jahrhundert einen Schritt gegen das Licht macht: die Jahrhunderte sind die Tage der Völker.
Ich sagte mir nun, so viele erhabene Dinge seien mir nicht geoffenbart worden, damit ich sie in mir begrabe, vergebens verschließe der Berg seine Goldadern, vergebens verberge der Ocean seine Perlen; denn der beharrliche Gräber dringe in den Grund des Gebirges, denn der Taucher steige in die Tiefe des Meeres hinab; und statt es zu machen wie der Ocean und der Berg, wäre es besser, zu thun, wie die Sonne thut, und meine Herrlichkeiten auf die Welt auszustreuen..
Nicht wahr, Ihr begreift nun, daß ich nicht, um einfachen Maurergebräuchen zu entsprechen, vom Orient gekommen bin. Ich bin gekommen, um Euch zu sagen: Brüder, entlehnt die Flügel und die Augen vom Adler, erhebt Euch über die Welt, erreicht mit mir den Gipfel des Berges, wohin Satan Jesus führte, und werft die Augen auf die Königreiche der Erde.
Die Völker bilden eine ungeheure Phalanx; in verschiedenen Zeiten und unter verschiedenen Lagen geboren, haben sie ihre Stufen eingenommen und müssen jedes der Reihe nach zu dem Ziele gelangen, für welches sie geschaffen sind. Sie marschiren unablässig, obgleich sie zu ruhen scheinen, und wenn sie zufällig zurückweichen, so gehen sie nicht zurück, sondern sie nehmen einen Ansatz, um ein Hinderniß zu überspringen, oder um eine Schwierigkeit zu brechen.«
Frankreich ist in der Vorhut der Nationen, geben wir ihm eine Fackel in die Hand, die Flamme, die sie verzehrt, wird ein nützlicher Brand werden, weil sie die Welt erleuchtet.
»Deshalb fehlt der Vertreter von Frankreich hier; vielleicht wäre er vor seiner Sendung zurückgewichen. Es bedarf eines Mannes, der vor nichts zurückweicht . . . ich werde nach Frankreich gehen.«
»Ihr seid in Frankreich,« entgegnete der Präsident.
»Ja, das ist der wichtigste Posten, ich nehme ihn für mich; es ist das gefährlichste Werk . . . ich lade es mir auf.«
»Ihr wißt also, was in Frankreich vorgeht?« sagte der Präsident.
Der Illuminat lächelte.
»Ich weiß es, denn ich habe es selbst vorbereitet: ein alter, furchtsamer, verdorbener König, minder alt, minder furchtsam, minder verdorben, minder verzweifelt, als die Monarchie, die er vertritt, sitzt auf dem Throne von Frankreich. Es bleiben ihm kaum noch einige Jahre zu leben. Die Zukunft muß von uns auf eine geeignete Weise für den Tag seines Todes angeordnet sein. Frankreich ist der Schlüssel vom Gewölbe des Gebäudes; die sechs Millionen Hände, die sich auf ein Zeichen des höchsten Kreises erheben, müssen den Stein entwurzeln, und das monarchische Gebäude wird zusammenstürzen, und an dem Tage, wo man erfährt, daß es keinen König mehr in Frankreich gibt, werden die Fürsten Europa’s, welche am frechsten auf dem Throne sitzen, fühlen, wie ihnen ein Schwindel nach der Stirne steigt, und sich von selbst in den Abgrund werfen, den der große Einsturz des Thrones vom heiligen Ludwig bereitet hat.«
»Verzeiht, ehrenwerther Meister,« unterbrach ihn der Chef, welcher zur Rechten des Präsidenten stand und in dem man an seinem gebirgsdeutschen Accente den Schweizer erkennen konnte; »Euer Verstand hat ohne Zweifel Alles berechnet?«
»Alles,« antwortete lakonisch der Großkophta.
»Dennoch wird mich der sehr ehrenwerthe Meister entschuldigen, wenn ich so spreche; auf dem Gipfel unserer Berge, im Grunde unserer Thäler, auf den Ufern unserer Seen sind wir gewohnt, so frei zu reden, als der Hauch des Windes und das Gemurmel des Wassers; ich wiederhole jedoch, ich halte den Augenblick für ungünstig, denn es bereitet sich ein großes Ereigniß vor, dem die französische Monarchie seine Wiedergeburt zu verdanken haben wird. Ich, der ich die Ehre habe, mit Euch zu sprechen, erhabener Großmeister, ich habe eine Tochter von Maria Theresia sich in großem Prunke nach Frankreich wenden sehen, um das Blut von siebzehn Cäsaren mit dem des Nachfolgers von ein und sechzig Königen zu vermischen; und die Völker freuen sich blind, wie sie es immer thun, wenn man ihr Joch etwas nachläßt oder vergoldet. Ich wiederhole also in meinem Namen und in dem meiner Brüder, ich halte den Augenblick für ungünstig.«
Jeder wandte sich voll Ernst gegen denjenigen, welcher mit so viel Ruhe und Kühnheit der Unzufriedenheit des Großmeisters Trotz bot.
»Sprich, Bruder,« sagte der Großkophta, ohne daß er bewegt zu sein schien, »Dein Rath wird befolgt werden, wenn er gut ist. Wir