Max Havelaar oder Die Kaffee-Versteigerungen der NiederländischenHandels-Gesellschaft. Multatuli

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Max Havelaar oder  Die Kaffee-Versteigerungen der NiederländischenHandels-Gesellschaft - Multatuli

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kann er in seine Tasche stecken, denn die Sterns sind lutherisch.

      Und den Brief schickte ich ab. Ihr begreift, daß der alte Stern nicht gut zu Busselinck & Waterman übergehen kann, wenn der junge bei uns auf dem Kontor ist. Ich bin sehr neugierig auf die Antwort.

      Um nun wieder auf mein Buch zurückzukommen. Vor einiger Zeit komme ich des Abends durch die Kalverstraat, und ich blieb vor dem Laden eines Krämers stehen, der sich gerade beschäftigte mit dem Sortieren einer Partie »Java, ordinär, schön, gelb, Sorte Cheribon, etwas gebrochen und Kehricht dabei«, was mich sehr interessierte, denn ich merke auf alles. Da fiel mir auf einmal ein Herr ins Auge, der in der Nähe vor einem Buchladen stand und mir bekannt vorkam. Er schien mich auch zu erkennen, denn unsere Blicke begegneten sich fortwährend. Ich muß bekennen, daß ich zu sehr vertieft war in die Betrachtung des Kehrichts, um sofort zu merken, was ich später sah, daß er nämlich ziemlich ärmlich in den Kleidern stak, sonst hätte ich die Sache laufen gelassen; aber mit einem Male schoß mir der Gedanke durch den Kopf, es könnte ein Reisender eines deutschen Hauses sein, das einen soliden Makler sucht. Er hatte wohl auch etwas von einem Deutschen an sich, und von einem Reisenden auch; er war sehr blond, hatte blaue Augen, und in Haltung und Kleidung etwas, was den Fremden verriet. Anstatt eines gehörigen Winterüberziehers hing ihm eine Art von Shawl über die Schulter, als ob er so von der Reise käme. Ich meinte einen Kunden zu sehen und gab ihm eine Geschäftskarte, Last & Co., Makler in Kaffee, Lauriergracht Nr. 37. Er hielt sie an die Gasflamme und sagte:

      »Ich danke Ihnen, aber ich habe mich geirrt; ich dachte das Vergnügen zu haben, einen alten Schulkameraden vor mir zu sehen, indessen … Last, das ist der Name nicht …«

      »Pardon«, sagte ich, denn ich bin stets höflich, »ich bin Mijnheer Droogstoppel, Batavus Droogstoppel … Last & Co. ist die Firma, Makler in Kaffee, Lauriergr…«

      »Gut, Droogstoppel, kennst du mich nicht mehr? Sieh mich einmal gut an.«

      Je mehr ich ihn ansah, je mehr erinnerte ich mich, ihn öfter gesehen zu haben; aber merkwürdig, sein Gesicht hatte auf mich die Wirkung, als ob ich fremde Parfümerien röche. Lach nicht darüber, Leser, du sollst später sehen, wie das kam. Ich bin sicher, daß er keinen Tropfen Räucherwerk bei sich trug, und doch roch ich etwas Angenehmes, etwas Starkes, etwas, das mich erinnerte an … da hatte ich's

      »Sind Sie es«, rief ich, »der mich von dem Griechen befreit hat?«

      »Natürlich«, sagte er, »und wie geht es Ihnen?«

      Ich erzählte ihm, daß wir insgesamt dreizehn auf dem Kontor wären, und daß viel zu thun wäre. Und dann fragte ich ihn, wie es ihm ginge, was mich später reute, denn er schien nicht in guten Verhältnissen zu sein, und ich liebe arme Menschen nicht, weil da gewöhnlich eigene Schuld mit unterläuft, denn der Herr würde nicht jemand verlassen, der ihm treu gedient hätte. Hätte ich einfach gesagt, »wir sind insgesamt dreizehn« und »guten Abend weiterhin«, dann wäre ich ihn los gewesen, aber durch das Fragen und Antworten wurde es je länger je schwerer (Frits sagt: je länger, desto schwerer, aber das thu ich nicht), je schwerer also, von ihm los zu kommen. Anderseits muß ich auch wieder bekennen, daß ihr dann dieses Buch nicht hättet zu lesen bekommen, denn es ist eine Folge von dieser Begegnung … Man muß immer das Gute hervorheben, und wer das nicht thut, das sind unzufriedene Menschen, die ich nicht leiden kann.

      Ja, ja, er war es, der mich aus den Händen des Griechen gerettet hatte Denkt nun nicht, daß ich jemals durch Seeräuber bin gefangen genommen worden, oder daß ich in der Levante Krieg geführt habe. Ich habe euch bereits gesagt, daß ich nach der Hochzeit mit meiner Frau nach Den Haag gefahren bin; da haben wir das Moritz-Haus gesehen und in der Veenestraat Flanell gekauft. Das ist der einzige Ausflug, den meine Geschäfte mir überhaupt gestattet haben, weil bei uns so viel zu thun ist. Nein, in Amsterdam selbst hatte er um meinetwillen einem Griechen die Nase blutig geschlagen, denn er gab sich immer mit Dingen ab, die ihn nichts angingen.

      Es war im Jahre drei- oder vierundvierzig, glaube ich, und im September, es war Kirmeß in Amsterdam. Da meine alten Leute vor hatten, aus mir einen Geistlichen zu machen, lernte ich Latein. Später habe ich mich öfter gefragt, warum man eigentlich Lateinisch verstehen muß, um auf Holländisch »Gott ist gut« zu sagen. Genug ich war auf der Lateinschule  jetzt sagen sie Gymnasium  und da war Kirmeß,  in Amsterdam, meine ich. Auf dem Westermarkt standen Buden, und wenn du ein Amsterdamer bist, Leser, und ungefähr von meinem Alter, so wirst du dich erinnern, daß eine darunter war, die sich auszeichnete durch die schwarzen Augen und die langen Flechten eines Mädchens, die als Griechin angezogen war; auch ihr Vater war ein Grieche, oder wenigstens sah er wie ein Grieche aus. Sie verkauften allerlei Räucherkram.

      Ich war gerade alt genug, um das Mädchen hübsch zu finden, ohne indessen den Mut zu haben, sie anzusprechen. Das würde mir auch wenig genützt haben, denn Mädchen von achtzehn Jahren betrachten einen sechzehnjährigen Jungen noch als ein Kind, und darin haben sie ganz recht. Trotzdem kamen wir Quartaner jeden Abend auf den Westermarkt, um das Mädchen zu sehen.

      Nun war er, der da jetzt vor mir stand mit seinem Shawl, eines Tages dabei, obschon er ein paar Jahre jünger war als wir anderen und darum noch ein bißchen zu kindisch, um nach der Griechin zu gucken. Aber er war der Erste in unserer Klasse  denn gescheit war er, das muß ich zugeben  und spielen, balgen und boxen mochte er gern; daher war er bei uns. Wie wir nun, wir waren im ganzen zehn Mann, hübsch weit von der Bude ab zusammenstanden und nach der Griechin schielten und beratschlagten, wie wir es anlegen sollten, um ihre Bekanntschaft zu machen, wurde also beschlossen, Geld zusammenzuthun, um irgend etwas zu kaufen. Aber nun war guter Rat teuer, wer die große Ehre haben sollte, das Mädchen anzureden. Jeder wollte, aber keiner getraute sich. Es wurde gelost, und das Los fiel auf mich. Nun bekenne ich, daß ich nicht gern Gefahren trotze; ich bin Familienvater, und halte jeden, der Gefahren sucht, für einen Narren, wie es auch in der Schrift steht. Es ist mir wirklich angenehm zu erklären, daß ich in meinen Ideen über Gefahr und dergleichen mir gleich geblieben bin, da ich jetzt noch darüber dieselbe Meinung hege, wie jenen Abend, als ich da vor der Bude des Griechen stand, mit den zwölf Stübern, die wir zusammengelegt hatten, in der Hand. Aber aus falscher Scham getraute ich mich nicht zu sagen, daß ich mich nicht getraute, und außerdem, ich mußte wohl vorwärts, denn meine Kameraden drängten mich, und da stand ich nun vor der Bude.

      Das Mädchen sah ich nicht, ich sah überhaupt nichts, Alles war mir grün und gelb vor den Augen … ich stammelte einen Aoristus Primus von ich weiß nicht welchem Zeitwort …

      »Plaît-il?« sagte sie. Ich faßte etwas Mut, und machte weiter:

      »Meenin aeide thea«, und »Ägypten wär' ein Geschenk des Nils« …

      Ich bin überzeugt, daß ich mit dem Bekanntschaftmachen schon noch vorwärts gekommen wäre, wenn nicht in diesem Augenblick einer meiner Kameraden aus kindischer Bosheit mir einen solchen Stoß in den Rücken gegeben hätte, daß ich recht unsanft gegen den Kasten flog, der in halber Manneshöhe die Vorderseite der Bude abschloß. Ich fühlte einen Griff in meinem Nacken … einen zweiten Griff etwas tiefer … ich schwebte einen Augenblick in der Luft … und ehe ich noch recht begriff, wie die Sachen standen, befand ich mich in der Bude des Griechen, der in verständlichem Französisch sagte, »ich wäre ein Gamin, ein Straßenlümmel, und er würde die Polizei rufen.« Nun war ich zwar in der Nähe des Mädchens, aber gefallen konnte mir das nicht. Ich heulte und bat um Gnade, denn ich hatte schreckliche Angst. Aber es nutzte nichts; der Grieche hielt mich am Arm und schüttelte mich; ich sah mich nach meinen Kameraden um … wir hatten den Morgen gerade mit Scavola zu thun gehabt, der seine Hand ins Feuer steckte … und in ihren lateinischen Sätzen hatten sie das so schön gefunden  jawohl Keiner war stehen geblieben, um für mich eine Hand ins Feuer zu stecken …

      So dachte ich. Aber da flog mit einem Male mein Sjaalman durch die

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