Herz und Wissen. Уилки Коллинз
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Carmina eilte hinweg und verhalf ihrer Tante so zu der von derselben beabsichtigten Privatunterredung mit ihrem Sohne.
Ovid erwartete, daß seine Mutter die Beweggründe herauszubringen suchen würde, die ihn zum Aufgeben der Seereise bewogen hätten, Mrs. Gallilee aber war eine viel zu kluge Frau, um auf solche Weise die Zeit zu verschwenden, und ihre ersten Worte bewiesen ihm, daß sie sein Motiv ebenso klar sah wie die durch das Fenster fallenden Sonnenstrahlen.
»Ein reizendes Mädchen«, sagte sie, als Carmina die Thür hinter sich geschlossen hatte. »Bescheiden und natürlich – ganz das Mädchen danach, Ovid, einen klugen Mann wie Dich anzuziehen.«
Ovid war vollständig überrascht und bekundete das durch sein Schweigen, während Mrs. Gallilee im Tone unschuldiger mütterlicher Neckerei fortfuhr:
»Du hast jung angefangen, weißt Du; Deine erste Liebe war das arme welke »kleine Ding Lady Northlake’s, das dann gestorben ist. Kindische Spielerei wirst Du sagen, weiter nichts. Aber, lieber Ovid, ich fürchte, es wird einiger Ueberlegung bedürfen, ehe ich mit dieser neuen – wie soll ich es nennen? – Thorheit ist ein zu hartes Wort – ganz sympathisiere. Ueber Heirathen zwischen Cousins und Cousinen läßt sich streiten, um das Mindeste zu sagen; und Mischehen zwischen protestantischen Vätern und katholischen Müttern bringen in der Regel Schwierigkeiten wegen der Kinder mit sich. Damit ist nicht gesagt, daß ich nein sage – durchaus nicht. Wenn das aber so weiter geht, nehme ich wirklich Anstand.«
Etwas im Tone seiner Mutter verletzte Ovid’s Empfindlichkeit und er erwiderte deshalb ziemlich scharf: »Ich folge Dir durchaus nicht; Du siehst etwas allzu weit in die Zukunft.«
»Dann laß uns zur Gegenwart zurückkehren« antwortete Mrs. Gallilee mit größter Nachgiebigkeit gegen die Laune ihres Sohnes.
Bei früheren Gelegenheiten hatte sie ihre Meinung dahin ausgesprochen, daß Ovid bei seiner Jugend und seinen Aussichten klug thun würde, noch einige Jahre zu warten, ehe er an’s Heirathen dächte, und nachdem sie nun, ohne irgendwie vermuthen zu lassen, daß sie sich bei Modifizierung ihrer Ansicht durch die Geldfrage beeinflussen lasse, soviel gesagt hatte, um ihn wegen ihrer Nichte zu beruhigen, war ihr nächster Zweck, ihn zu bewegen, seiner Gesundheit halber England sofort zu verlassen. War Ovid fort und Carmina allein unter ihrer Aufsicht, so konnte sie ungestört ihre Pläne verfolgen.
»Du solltest wirklich«, fuhr sie fort, »ernstlich an eine Veränderung der Luft und der Szene denken. Einem Patienten in Deinem gegenwärtigen Gesundheitszustand würdest Du nicht gestatten, die Sache mit sich so leicht zu nehmen, wie Du es jetzt mit Dir thust. Wenn Du von der See nichts hältst, so versuche es mit dem Continente; aber geh’ fort Deines eigenen Besten wegen.«
Es war hierauf nur eine Antwort möglich; Ovid gab zu, daß seine Mutter Recht hatte, bat aber um Zeit zum Nachdenken. Zu seinem Troste wurde er durch ein Klopfen an der Thür unterbrochen, durch welche gleich darauf Miß Minerva – nach ihrem Aussehen zu urtheilen, gerade nicht in liebenswürdiger Stimmung – in’s Zimmer trat.
»Ich fürchte, daß ich Sie störe«, begann sie, Mrs. Gallilee ansehend.
Ovid benutzte die Gelegenheit, sich zurückzuziehen, indem er vorgab, daß er noch einige Briefe zu schreiben habe, und darauf nach der Bibliothek ging.
»Waltet ein Irrthum ob? « fragte die Gouvernante, als sie mit Mrs. Gallilee allein war.
»In welcher Hinsicht, Miß Minerva?«
»Ihr Fräulein Nichte begegnete mir auf der Treppe und sagte mir, daß Sie, Madame, wünschten, daß die Kinder heute Feiertag haben sollten.«
»Jawohl, um mit meinem Sohne und Miß Carmina nach dem zoologischen Garten zu gehen.«
»Miß Carmina sagte, ich sollte auch mitgehen.«
da hatte Miß Carmina vollständig Recht.«
Die Gouvernante heftete ihre forschenden Augen aus Mrs. Gallilee. »Sie wünschen, daß ich mitgehe?«
»Ja.«
»Ich weiß warum.«
Mrs. Gallilee und Miß Minerva hatten sich einmal heftig gezankt, wobei erstere den Kürzeren gezogen hatte. Sie hatte sich die Lehre gemerkt und wußte für die Zukunft, wie sie ihre Gouvernante zu behandeln hatte. Sie fragte jetzt einfach: »So?«
»Reden wir offen, Madame«, fuhr Miß Minerva fort. »Ich soll Mr. Ovid«, – sie legte einen bitteren Nachdruck auf den Namen und erröthete unzufrieden – »und Miß Carmina nicht allein lassen.«
»Sie sind ein guter Rather«, äußerte Mrs. Gallilee ruhig.
»Nein«, entgegnete Miß Minerva noch ruhiger; »ich habe nur gesehen, was Sie auch gesehen haben.«
»Habe ich Ihnen gesagt, was ich gesehen habe?«
»Das ist ganz unnöthig, Madame. Ihr Herr Sohn hat sich in seine Cousine verliebt. Wann soll ich bereit sein?«
Die sanfte Hausherrin bezeichnete mild die Stunde und die heftige Gouvernante verließ das Zimmer.
Erstere sah mit eigenthümlichem Lächeln nach der geschlossenen Thür; sie hatte schon früher vermuthet, daß Minerva unglücklich liebte, jetzt hatte sie Gewißheit darüber.
»Sie ist durch eine hoffnungslose Leidenschaft verbittert«, sagte sie zu sich. »Und der Gegenstand derselben ist – mein Sohn.«
Capitel XI
Bei der Ankunft im zoologischen Garten führte Ovid seine Cousine sofort zu den Vogelhäusern. Miß Minerva, pflichtschuldigst von Maria begleitet, folgte ihnen; Teresa hielt sich etwas zurück und Zo schloß sich bald diesem, bald jenem der Gesellschaft an.
Vor den Vogelhäusern löste sich diese Ordnung auf, da die verschiedenen Vögel dem Geschmacke der Einzelnen verschieden zusagten. Die unersättlich nach nützlichen Kenntnissen strebende Musterschülerin Maria hielt ihre Gouvernante vor dem einen Käfige fest, während Zo auf einen anderen, außerhalb des Bereiches der Disciplin, zuschoß und die gute Teresa es freiwillig unternahm, sie zurückzuholen. So war Ovid auf eine Minute mit Carmina allein. Er hätte diese, wenn auch noch so kleine Gelegenheit benutzen können, aber Carmina hatte ihm etwas zu sagen und sprach zuerst.
»Ist Miß Minerva schon lange Gouvernante bei Ihrer Mutter?« fragte sie.
»Schon einige Jahre«, entgegnete Ovid. »Gestatten Sie mir auch eine Frage? Warum fragen Sie danach?«
Carmina zögerte einen Augenblick und antwortete dann im Flüstertone: »Sie sieht übellaunig aus.«
»Das ist sie auch«, gab Ovid zu. »Ich vermuthe«, setzte er mit einem Lächeln hinzu, »Sie mögen dieselbe nicht leiden.«
Carmina versuchte nicht, es zu leugnen; ihre Entschuldigung sah ganz und gar dem schönen Geschlechte ähnlich: »Sie mag mich nicht leiden.«
»Woher wissen Sie das?«
»Ich habe es ihr angesehen. Schlägt sie die Kinder?«
»Beste Carmina! glauben Sie, daß sie bei meiner Mutter Gouvernante sein würde, wenn sie die Kinder in solcher Weise behandeln? Nebenbei gesagt, ist Miß Minerva eine viel zu gut erzogene Dame, um sich durch Gewaltacte zu erniedrigen. Unglück in der Familie hat