Herz und Wissen. Уилки Коллинз
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Auf dem holden jungen Gesicht lag ein trüber Ausdruck, der ihn bekümmerte. Dachte sie an die glückliche Vergangenheit? oder an die ungewisse Zukunft hier unter Fremden in dem fremden Lande? Als sie Ovid bemerkte, hellten sich ihre Augen auf, und dieser, dessen gewohnte Kälte gegen Frauen sofort dahinschmolz, warf ihr eine Kußhand zu. Sie gab den ihr von Italien her so vertrauten Gruß mit ihrem sanften Lächeln zurück und sah sich nach dem Zimmer hinein um. Gleich darauf erschien Teresa am Fenster und rief hinaus, wie immer ohne vorherige Ueberlegung ihrem Impulse folgend: »Wir langweilen uns hier; kommen Sie wieder zu uns, Mr. Ovid.« Die Worte waren kaum gesprochen, als beide sich vom Fenster abwandten; Teresa zeigte bedeutungsvoll in das Zimmer und dann verschwanden sie.
Ovid begab sich in die Bibliothek zurück, wo ihn Mr. Mool mit der Frage empfing, ob Jemand gehorcht habe.
»Ich habe Niemanden entdeckt«, antwortete Ovid, »bezweifele aber, daß eine umherstreifende Katze den schweren Blumentopf umgeworfen haben kann. Aber wo ist meine Mutter?« fragte er, sich umsehend.
Der Rechtsanwalt antwortete ihm, daß dieselbe vor Eifer gebrannt habe, seine Cousine von dem ihr von ihrem Vater ausgesetzten hübschen Jahresgehalte zu benachrichtigen, und nach oben gegangen sei. Dabei begann er das Testament zusammenzulegen, hielt aber plötzlich inne und sagte:
»Wie unbedachtsam von mir! Ich vergaß, Mr. Ovid, daß Sie das Ende nicht gehört haben. Lassen Sie mich Ihnen einen kurzen Auszug geben. Sie wissen vielleicht, daß Miß Carmina katholisch ist? Sehr natürlich, da es die Religion ihrer seligen Mutter war. Nun, sehen Sie, ihr guter Vater hat nichts vergessen und verbietet entschieden jedwede auf Bekehrung hinzielenden Versuche.«
Ovid lächelte; die religiösen Ansichten seiner Mutter begannen und endeten ja mit der Unorganischen Materie dieser Erde.
»Die letzte Clausel«, fuhr Mr. Mool fort, »schien ihre Frau Mutter recht schmerzlich aufzuregen. Ich erinnerte sie daran, daß ihr Herr Bruder außer Lady Northlake und ihr selbst keine nahen lebenden Verwandten habe. Und ihrer gnädigen Frau Schwester bei den fürstlichen Verhältnissen des Herrn Lords Geld zu vermachen, war doch außer Frage —«
»Verzeihen Sie«, fiel ihm Ovid in’s Wort, »was kann meine Mutter dabei aufregen?«
Der Rechtsanwalt entschuldigte sich, daß er mit dem besten Willen nicht früher zu dem Punkte gekommen sei. »Geschäftsgewohnheit, Mr. Ovid«, erklärte er. »Wir werden leicht weitschweifig – werden ja auch nach Wort- und Foliozahl bezahlt! – und klären gern zuerst den Grund. Am Ende des Testamentes sieht Ihr Herr Onkel den beiden möglichen Fällen vor, daß Miß Carmitia unverheirathet, oder wenn verheirathet, ohne Erben stürbe, und verfügt für diese Fälle folgendermaßen über sein Vermögen«:
»Ich weiß nicht, ob ich mich der Höhe des Vermögens richtig erinnere«, unterbrach ihn Ovid wieder, der die Wichtigkeit dieser letzten Clausel jetzt einsah. »Sagten Sie einhundertunddreißigtausend Pfund?«
»Ja.«
»Und was wird aus dieser großen Summe, wenn Carmina nie heirathet oder wenn sie keine Kinder hinterläßt?«
»Ja jedem von beiden Fällen fällt das ganze Vermögen an Mrs. Gallilee und deren Töchter.«
Capitel IX
Um Mitternacht saß Ovid wieder in seinem Studierzimmer. Die Stille der Straße, in welcher er wohnte, wurde nur durch das gelegentliche Rollen eines Wagens und durch die von dem Hause eines der Nachbarn, welcher einen Ball gab, herüber tönende Tanzmusik unterbrochen. Ovid saß vor feinem Arbeitstische und dachte. Eine ehrliche Selbstprüfung hatte ihm seinen Seelenzustand klar gemacht und ihm das neue Interesse, das sein Leben erfüllte, in seiner wahren Ausdehnung zum Bewußtsein gebracht.
Er war jetzt der willige Sklave dieses Interesses. Hätte er heute Nachmittag nicht gewußt, daß seine Mutter bei ihr war, so würde er nach dem Fortgange des Rechtsanwaltes wieder zu ihr gegangen sein. Da das nun nicht anging, hatte er nach oben sagen lassen, daß er sich zum Diner einfinden würde, um nur Carmina wiedersehen zu können, war aber enttäuscht worden, als er hörte, daß Mr. Gallilee und seine Mutter eine Einladung angenommen hätten und seine Cousine den Thee auf ihrem Zimmer einnehmen würde.
Er hatte dann ohne besonderen Appetit etwas in seinem Clnb gegessen und war darauf in die Oper gegangen, blos weil ihn das Bild einer beliebten Sängerin der Saison unbestimmt an Carmina erinnerte. Und jetzt um Mitternacht, nachdem er aus der Oper zurückgekommen, saß er hier und brannte vor Verlangen, seine Cousine wiederzusehen. In einigen Stunden hatte er Gelegenheit dazu, denn es war abgemacht, daß er sich beim Frühstück von der Familie verabschieden solle.
Bei einem Manne, der unfähig war, sich selbst zu täuschen, konnte das Bewußtsein des in ihm vorgehenden Wechsels nur zu einem Ende führen; und trotzdem Ovid so fest wie je von der Wichtigkeit von Ruhe und Veränderung bei seinem zerrütteten Gesundheitszustande überzeugt war, gehörte die beabsichtigte Seereise bereits zu den überwundenen Illusionen seines Lebens.
Sein Freund hatte mit ihm abgemacht, daß sie an diesem Morgen von London nach dem Hafen abreisen wollten, wo dessen Yacht sie erwartete. Da sie nicht so intim waren, um einander rückhaltlos ihre Geheimnisse anzuvertrauen, so konnte er sich der bei Nichteinhaltung einer Verabredung gewöhnlichen Entschuldigung bedienen; doch trotzdem das Papier vor ihm lag und er die Absage im Geiste schon entworfen hatte, befand er sich in einem so sonderbaren Zustande der Unentschiedenheit, daß er zögerte, den Brief zu schreiben.
So erschüttert waren seine krankhaft sensitiven Nerven, daß er sogar bei dem gewohnten Tone der Fluruhr, die Halb schlug, zusammenfuhr. Als er gleich darauf draußen vor der Thür ein sanftes, trauriges Miauen hörte, stand er ohne ein Zeichen von Ueberraschung auf und öffnete die Thür, durch welche nun eine kleine schwarze Katze mit einem dreieckigen weißen Flecke auf der unteren Gesichtshälfte und vier glänzenden weißen Pfötchen mit Grazie und Würde in das Zimmer schritt. Dann ging er wieder an seinen Tisch zurück. Sobald er im Stuhle saß, sprang ihm die Katze auf die Schulter, setzte sich auf derselben zurecht und schnurrte ihm in die Ohren; diesen Platz nahm sie stets ein, wenn ihr Herr allein schrieb. Der junge Arzt hatte seinen jetzigen Gefährten eines Tages auf seiner Runde in einer der Vorstädte vom Verhungern gerettet. Die Katze war nämlich von ihren Besitzerin, die auf Reisen gegangen waren, vergessen und in dem Hause eingeschlossen worden und hatte durch ihr klägliches Miauen einen Haufen von Nachbarn vor das Haus gelockt, als Ovid gerade vorbeikam. Obgleich die Nachbarn ihm über dieselbe in ziemlich herabwürdigenden Ausdrücken Auskunft gaben: daß sie z. B. den häßlichen Namen »Snooks« führe und immer Junge habe, so nahm er sie trotz dieser Warnung in seinem Wagen mit, und seitdem hatte sich dies glückliche kleine Mitglied einer brutal verunglimpften Rasse an ihren neuen Freund – und an ihn allein innig angeschlossen. Die Diener duldete sie höflich, aber nicht mehr. Die Wirthschafterin versuchte ihren absurden Namen mit einem besseren zu vertauschen – sie hörte aber auf keinen anderen. Die Köchin hatte strengen Befehl, wenn die unvermeidlichen Jungen erschienen, immer eins derselben am Leben zu lassen, und that ihr Möglichstes, um Snooks zu verhindern, ihren Neugeborenen jedes mal ihrem Herrn zu zeigen, hatte aber nie Erfolg damit, so geschickt sie es auch anfangen mochte. Der Mann und die Katze verstanden einander in allen niederen Lebensverhältnissen vollkommen; und wenn Ovid die Wahrheit hätte sagen sollen, so hiitte er bekennen müssen, daß ihm sogar in seinem gegenwärtigen Gemüthszustande die Gegenwart Snooks ein Trost war.
Wenn die erschlaffte Willenskraft eines Spornes bedarf, übt oft die geringfügigste Veränderung in den momentanen Verhältnissen den anregenden Einfluß aus. Diesen Dienst nun leistete Ovid die Erscheinung der Katze; sie rüttelte ihn auf, und er schrieb den Brief, während Snooks sich