Herz und Wissen. Уилки Коллинз

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Herz und Wissen - Уилки Коллинз

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den glücklichsten Einfluß, und so sah denn mrs. Gallilee an diesem Tage auffallend gut aus. Sie trug bei ihrem ziemlich runden und vollen Gesicht ihr (nicht mehr von Natur jugendlich gefärbtes) Haar in einem Fransensaum über der Stirn, den auf jeder Seite zwei reizende kleine Löckchentrauben im Gleichgewicht hielten. Der um Robert angelegte Traueranzug war seines Pariser Ursprungs würdig und hob die blühende Gesichtsfarbe und die Weiße des Nackens – die ebenfalls beide ihres Pariser Ursprungs würdig waren – in vortheilhaftester Weise. Sie sah aus wie ein mit Leben begabtes Portrait aus der Zeit Karls des Zweiten.

      »Nun, wie geht es Ihnen, Mr. Mool? Haben Sie sich meine Farne angesehen?«

      Die Farne waren an dem Eingange zum Gewächshause gruppiert und sicherlich dem Rechtsanwalte, der selbst ein Treibhaus besaß und ein enthusiastischer Botaniker war, nicht entgangen. Es fiel ihm jetzt ein, daß ihm diese Farne als Blitzableiter einen harmlosen, nützlichen Dienst leisten könnten, während er unschuldig unangenehme Resultate zu Tage förderte. »Ehe sie noch ein Wort spricht, fühlt man ihre Augen Einem wie ein Messer durch und durch gehen« dachte er, sich sammelnd.

      »Ersparen Sie uns, bitte, das Technische«, fuhr Mrs. Gallilee fort, dabei auf die auf dem Tische liegenden Documente zeigend. »Ich möchte meine Pflichten gegen Carmina genau kennen lernen: und nebenbei interessiert es mich natürlich auch einigermaßen, ob Lady Northlake’s in dem Testamente gedacht ist.«

      Mrs. Gallilee sagte nie »meine Schwester« und gebrauchte auch im Familienkreise nie den Taufnamen »Susanne«. Das grenzenlose, durch die glänzende Heirath derselben in ihr erweckte Gefühl der Beleidigung bekundete sich darin, daß sie ihre Schwester immer in der vollen Entfernung hielt, indem sie nie den Titel derselben vergaß.

      Als Mr. Mool begann: »Das an erster Stelle im Testamente erwähnte Legat ist ein solches für Lady Northlake«, wurde das Gesicht Gallilee’s hart wie Eisen. Sobald er aber fortfuhr: »Es sind einhundert Pfund und zum Ankauf eines Trauerringes bestimmt«, wurden ihre Augen beredt und sprachen so klar wie in Worten: »Dem Himmel sei Dank!«

      »Das sieht dem anspruchslosen Sinne Deines Onkels ganz ähnlich«, bemerkte sie gegen ihren Sohn. »Jedes andere Legat für Lady Northlake wäre einfach absurd gewesen. Nicht wahr, Mr. Mool? Vielleicht folgt nun mein Name?«

      Der Angeredete warf einen Seitenblick nach den Farnen. Wie er seine Gefühle später einmal beschrieb, erinnerten sie ihn an einen schrecklichen Augenblick, als einst der Zahnarzt vor seinem Stuhle gestanden und das höllische Instrument in der Hand verborgen haltend, gesagt hatte: »Lassen Sie sehen.« Die Situation war auch wirklich kritisch genug und Ovid machte sie durch einen schwachen Scherz noch entsetzlicher »Was willst Du haben, Mutter, wenn ich mit Dir tausche?«

      Um noch Schlimmeres zu verhüten, nahm Mr. Mool die Energie der Verzweiflung zusammen, las aber diesmal klugerweise den genauen Wortlaut des Testamentes: »Und ich vermache meiner Schwester, Mrs. Maria Gallilee, einhundert Pfund.«

      Ovid? Erstaunen konnte sich nur durch eine Handlung Ausdruck verschaffen – er sprang auf die Füße.

      »Frei von Legatspflichten, zum Ankauf eines Trauerringes – —« fuhr Mr. Mool im Lesen fort.

      »Unmöglich!« rief Ovid.

      »Und meine Schwester wird das Motiv verstehen, das mich veranlaßt, dies Vermächtnis zu machen«, vollendete der Anwalt, legte dann das Testament auf den Tisch und wagte aufzustehen. Gleichzeitig wandte sich Ovid, von den letzten Worten, deren Bedeutung er zu erfahren wünschte, betroffen, nach seiner Mutter zur Seite.

      Zum Glück für sie erfuhren die beiden Männer nie, was ihre Ruhe jenem einen Momente des Zögerns zu verdanken hatte; Hätten sie Mrs. Gallilee einen Augenblick früher angesehen, sie hätten den leibhaftigen Satanas aus ihrem Gesichte blicken sehen und in ihren Augen und auf den Lippen eine Warnung lesen können, jenen übernatürlichen Schriftzügen gleich, die dem Monarchen des Ostens seinen bevorstehenden Tod verkündigten. »Sieh’ dies Weib an und erkenne, was ich mit ihr zu thun vermag, wenn sie ihren guten Engel von sich gewiesen und mir ihre Seele ausgeliefert hat.«

      Als aber ihr Sohn und der Sachwalter sie ansahen, war ihr Gesicht wieder gefaßt, hatte sie ihre Stimme wieder in der Gewalt und ihre Fähigkeit zum Täuschen in Bereitschaft. All jene verderblichen Eigenschaften ihrer Natur, die eine sorgfältigere und klügere Erziehung durch Entfaltung unthätig schlummernder, erhaltender Einflüsse in Schach gehalten haben möchte, wurden jetzt wieder in ihre Schlupfwinkel zurückgetrieben und ließen nur die schwächste Spur ihres momentanen Auftauchens zurück. Das Athemholen schien sie Anstrengung zu kosten und ihre Augenlider senkten sich schwer: das war aber auch Alles.

      »Ist es Dir hier im Zimmer zu heiß?« fragte Ovid.

      »Unsinn!« rief sie gereizt, denn wenn die Frage auch ganz harmlos war, so ärgerte sie doch in diesem Momente das Fragen überhaupt.

      »Die Atmosphäre des Gewächshauses ist voll belebender Düfte«, bemerkte Mr. Mool. »Entdecke ich unter den köstlichen Wohlgerüchen den des wohlriechenden amerikanischen Farnkrautes? Darf ich, wenn ich mich irre, Ihnen einige Exemplare des duftigen Frauenhaares aus meinem kleinen Treibhause senden?« fragte er mit überredendem Lächeln; und die Farne rechtfertigten bereits sein Vertrauen zu ihnen als Friedensstifter und Blitzableiter, denn die schrecklichen Augen ruhten gnädig auf ihm. Nicht die versteckteste Anspielung auf sein Schweigen in Betreff des Legates entschlüpfte ihr. Warnte sie der kunstlos plötzliche Versuch, das Thema zu ändern, auf ihrer Hut zu sein? Jedenfalls dankte sie ihm mit bereitester Höflichkeit für sein freundliches Anerbieten und fragte ihn, ob sie ihn bemühen dürfe, sie das Testament sehen zu lassen.

      Aufmerksam las sie die Schlußworte der Clausel, welche ihren Namen enthielt – »Meine Schwester wird das Motiv verstehen, das mich veranlaßt, dies Vermächtnis zu machen« – und gab Mr. Mool das Testament zurück. Ehe dann Ovid noch fragen konnte, war sie mit einer plausiblen Erklärung bei der Hand.

      »Als Dein Onkel heirathete und Vater wurde«, bemerkte sie, »galten ihm die an ihn herantretenden Ansprüche am höchsten. Er wußte, daß ein Zeichen der Erinnerung (je kleiner, desto besser) das Höchste sein würde, was ich annähme, wenn er mich überlebte. Bitte, fahren Sie fort, Mr. Mool.«

      Ovid hatte mit seinem verstorbenen Onkel das Eine gemein, daß beide zu jenen hochherzigen Menschen gehörten, die nur schwer einen Argwohn schöpfen und deshalb leicht zu täuschen sind. Zärtlich die Hand seiner Mutter ergreifend, sagte er:

      »Ich hätte es wissen sollen, ohne daß Du es mir zu sagen brauchtest.«

      Mrs. Gallilee erröthete nicht, wohl aber Mr. Mool.

      »Fahren Sie fort!« wiederholte erstere, und der Rechtsanwalt sah Ovid an. »Der nächste Name ist der Ihrige Mr. Vere.«

      »Bedenkt mein Onkel mich ebenso wie meine Mutter?« fragte Ovid.

      »Ja, und ich muß Ihnen sagen, dem Vermächtnis ist ein sehr hübsches Compliment zugefügt. »Ich brauche meinem Neffen« (so sagt Ihr seliger Herr Onkel) »keinen größeren Beweis davon zu geben, daß ich seiner gedenke, da sein Vater schon für ihn gesorgt hat und er sich mit seinen seltenen Talenten durch die Ausübung seines Berufes noch ein Vermögen dazu erwerben wird.« Sehr schmeichelhaft Mrs. Gallilee, nicht wahr? Die nächste Clausel bedenkt die gute alte Wirthschafterin Teresa und deren Mann, falls derselbe sie überlebt, folgendermaßen —«

      »Wir können das, denke ich, übergehen«, meinte Mrs. Gallilee, die die Ungeduld erfaßte, mehr von sich selbst zu hören. »Nehmen Sie das, was sich auf Carmina und mich bezieht. Glauben Sie nicht, daß ich ungeduldig sei; ich wünsche nur —«

      Das Knurren eines Hundes im Gewächshause unterbrach sie. »Dies

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