Mann und Weib. Уилки Коллинз
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Blanche sah Arnold wieder an.
»Nun wohl, ich ermuthige Sie«, flüsterte sie, »das heißt,« fügte sie mit dem unvertilgbaren weiblichen Instinct der Selbstvertheidigung hinzu, »in den gehörigen Grenzen!«
Arnold setzte zum letzten Mal an und dieses Mal mit Erfolg. »Nun also. Ich liebe Sie, und zwar – grenzenlos.«
Es war geschehen, die Worte waren ausgesprochen! Er hatte ihre Hand ergriffen, aber wieder zeigte sich die Tücke der Leidenschaft Kaum war das Bekenntniß, das Blanche so sehnlich erwartet hatte, den Lippen – ihres Geliebten entfahren, als sie schon dagegen protestirte; sie versuchte, ihre Hand aus der seinigen zu befreien, und hieß Arnold sie in Ruhe zu lassen. Arnold hielt sie aber nur um so fester. »Versuchen Sie es doch nur, mich ein Bischen lieb zu haben«, bat er, »ich liebe Sie so sehr.«
Wer hätte einer solchen Werbung widerstehen können, wohl gemerkt, wenn man den Werbenden selbst liebte und wenn man sicher war, im nächsten Augenblick wieder gestört zu werden.
Blanche gab es auf, sich loszumachen und sah ihren jungen Seemann lächelnd an.
»Haben Sie diese Art, Liebeserklärungen zu machen, im Seedienste erlernt?« fragte sie schalkhaft.
Arnold aber ließ sich in der ernsthaften Verfolgung seines Zweckes nicht irre machen.
»Ich will wieder Seemann werden, wenn ich Sie erzürnt habe.«
Blanche hatte eine zweite Dosis Aufmunterung bereit.
»Zorn ist eine schlimme Leidenschaft, Mr. Brinkworth«, antwortete sie ernsthaft, »und ein wohlerzogenes junges Mädchen hat keine schlimmen Leidenschaften.«
In diesem Augenblick ließ sich ein Ruf nach Mr. Brinkworth vom Rasen her vernehmen. Blanche versuchte es, ihn hinaus zu schieben, aber Arnold war unbeweglich.
»Sagen Sie doch etwas mich zu ermuntern, ehe ich fortgehe«, bat er, »ein einziges Wort genügt.«
Blanche schüttelte mit dem Kopf. Jetzt war sie seiner sicher und konnte der Versuchung nicht widerstehen, ihn zu quälen.
»Ganz unmöglich«, rief sie, »wenn Sie noch mehr Aufmunterung haben wollen, müssen Sie mit meinem Onkel reden.«
»Ich will mit ihm reden. Sagen Sie ja.«
Blanche versuchte zum zweiten Mal, ihn hinauszuschieben.
»Gehen Sie jetzt und geben Sie sich Mühe, den Ball durch die Ringe zu bringen.«
Sie hatte beide Hände auf seine Schultern gelegt; ihre Wangen waren den seinigen ganz nahe, sie war unwiderstehlich. Arnold faßte sie um den Leib und küßte sie. – Jetzt war es nicht nöthig, ihn gewaltsam zu entfernen, damit er seinen Ball durch die Ringe bringe, er hatte ihn schon durchgebracht! Blanche stand sprachlos da. Arnold’s letzter Versuch in der Kunst, Liebeserklärungen zu machen, hatte ihr den Athem benommen und bevor sie sich noch wieder erholte, wurden herankommende Fußtritte deutlich vernehmbar. Arnold drückte sie noch einmal an sich und lief hinaus.
Sie sank auf den nächsten Stuhl und schloß die Augen im Gefühl einer glückseligen Verwirrung – —
Die Fußtritte kamen näher. Blanche öffnete die Augen und sah Anne Silvester Vor sich stehen und sie ansehen. Sie sprang auf und Anne um den Hals.
»Du weißt nicht, was geschehen ist«, flüsterte sie; »wünsche mir Glück, er hat sich erklärt, er ist auf ewig mein.« – Alle schwesterliche Liebe und alles schwesterliche Vertrauen langer Jahre gaben sich in ihrer Umarmung und dem Ton ihrer Worte kund. Die Herzen der Mütter konnten sich jemals nicht näher gestanden haben, als es die Herzen der Töchter allem Anschein nach thaten, und doch, wenn Blanche in diesem Augenblick Anne angesehen hätte, würde es ihr nicht entgangen sein, daß Anne’s Gedanken sich mit etwas ganz Anderem als mit ihrer kleinen Liebesgeschichte beschäftigten.
»Du weißt doch, von wem ich rede«, fuhr sie fort, nachdem sie einen Augenblick auf eine Antwort gewartet hatte.
»Mr. Brinkworth?«
»Natürlich, wer sollte es sonst sein!«
»Und Du bist wirklich glücklich, mein Engel?«
»Glücklich«, wiederholte Blanche »Im strengsten Vertrauen, ich könnte vor Freuden Purzelbäume schlagen! Ich liebe ihn, ich liebe ihn, ich liebe ihn!« rief sie, mit kindischer Freude die Worte wiederholend Sie wurden mit einem tiefen Seufzer erwidert. Blanche sah Anne scharf in’s Gesicht und fragte mit plötzlich veränderter Stimme: »Was hast Du?«
»Nichts!«
Blanche hatte aber zu gut beobachtet, um sich mit dieser Antwort abfertigen zu lassen.
»Du hast allerdings etwas«, sagte sie, »fehlt Dir Geld«, fügte sie nach einer kurzen Ueberlegung hinzu, »Rechnungen zu bezahlen? Ich habe reichlich Geld, Anne, ich kann Dir leihen, was Du brauchst!«
»Nein, liebes Kind.«
Blanche war empfindlich Zum ersten Mal, so Lange sie denken konnte, war Anne etwas zurückhaltend gegen sie gewesen.
»Ich sage Dir alle meine Geheimnisse, warum verbirgst Du mir etwas? Weißt Du wohl, daß Du nun schon seit einiger Zeit besorgt und unglücklich aussiehst? Vielleicht magst Du Mr. Brinkworth nicht leiden! —" Nein, Du magst ihn? Ist es denn meine Heirath? – Das wird es sein! Du denkst, wir müssen uns trennen? – als ob ich ohne Dich leben könnte! – Natürlich mußt Du, wenn ich mit Arnold verheirathet bin, bei uns leben, das versteht sich ja ganz von selbst, nicht wahr?«
Anne trat plötzlich zurück und wies auf die Treppe hin: »Da kommt Jemand, sieh’ nur!«
Die ankommende Person war Arnold.
Blanche war an der Reihe zu spielen und er hatte sich erboten, sie zu holen.
Blanche’s Aufmerksamkeit, die bei andern Gelegenheiten leicht abzulenken war, blieb dieses Mal fest an Anne haften. »Du bist ja gar nicht Du selbst? Und ich muß den Grund wissen«, sagte sie, »ich will bis heute Abend warten, dann mußt Du auf mein Zimmer kommen und mir erzählen, was Dich quält! Sieh doch nicht so aus, Du mußt es mir erzählen und da hast Du einen Kuß.«
Sie ging mit Arnold und fand ihre ganze Munterkeit wieder, sobald sie ihn ansah.
»Nun, haben Sie Ihren Ball durchgebracht?«
»Ach! was kümmern mich die Bälle! Ich habe das Eis zwischen mir und Sir Patrick gebrochen.«
»Was? Vor der ganzen Gesellschaft!
»Natürlich! Ich habe mit ihm verabredet, ihn hier zu sprechen.«
Lachend gingen sie die Treppe hinunter zu den Spielenden.
Anne, die im Garten Pavillon allein blieb, ging langsam nach dem Hintergrunde desselben. An einem der Seitenwände hing ein Spiegel mit einem geschnitzten Holzrahmen Sie blieb stehen, sah hinein und schauderte bei dem Anblick ihres Spiegelbildes. »Ist der Augenblick gekommen«, sagte sie, »wo selbst Blanche in meinem Gesicht liest, was mit mir ist?« – Dann aber wandte sie sich plötzlich von dem Spiegel ab und rang mit einem Verzweiflungsschrei die Hände und lehnte den Kopf gegen die Wand.
In diesem Augenblick erschien an der Schwelle der Thür eine männliche Gestalt. Es war Geoffrey