Mann und Weib. Уилки Коллинз
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Es bedeutete erstens, daß der Prozeß endlich sein Ende erreicht hatte, zweitens, daß der Eigenthümer von Windygates der Geld brauchte, beschlossen hatte, dasselbe zu vermiethen, und drittens, daß sich ein Miether gefunden hatte und daß das Haus im Begriff stand, von innen und außen wieder in Stand gesetzt zu werden. Die Eulen erhoben, während sie über die dunklen Feldwege dahinflogen kreischend ihre Stimme. Der Fang einer Maus mißlang ihnen.
Am nächsten Morgen wurden die bei ihrer Ueberwachung der Verfassung in tiefen Schlaf versunkenen Eulen durch Stimmen ungefiederter Wesen, die rund um sie her erschallten aus ihrem Schlummer aufgeschreckt. Unter Protest öffneten sie die Augen und sahen Zerstörungswerkzeuge gegen die Schlingpflanzen gerichtet. Bald hier, bald dort bahnten diese Werkzeuge dem Tageslicht einen Weg in den Garten-Pavillon. Aber die Eulen waren dem großen über sie hereinbrechenden Ereigniß gewachsen. Mit zu Berge stehendem Gefieder schrieen sie: »Keine Ergebung!« Die ungefiederten Wesen aber arbeiteten ruhig weiter und antworteten mit dem Rufe: »Reform!« Die Schlingpflanzen wurden unbarmherzig herabgerissen; das entsetzliche Tageslicht drang heller und heller hinein. Die Eulen hatten kaum Zeit gehabt, eine neue Resolution des Inhalts zu fassen, daß sie fest zur Verfassung ständen, als ein Sonnenstrahl ihnen von außen her blendend in die Augen drang und sie in eiligem Fluge den nächsten schattigen Platz aufsuchen ließ. Hier blieben sie blinzelnd sitzen, während das Gartenhaus von dem erdrückenden Schlinggewächs gesäubert, das verfaulte Holzwerk erneuert und dem ganzen in feuchtem Dunkel verfallenden Gemäuer wieder frische Luft und heiteres Tageslicht zugeführt wurde. Und als die Menschen sich es nun betrachteten und sprachen: »so wird es gehen!« schlossen die Eulen in frommer Erinnerung an das ehemalige Dunkel ihre Augen und antworteten: »Mylords und meine Herren vom Hause der Gemeinen, die Verfassung ist in ihren Grundfesten erschüttert!«
Zweites Kapitel.
Die Gäste
Wer hatte die Umgestaltung des Garten-Pavillons angeordnet?
Der neue Miether von Windygates Und wer war dieser?
Der Leser mag sich selbst überzeugen.
Im Frühling 1868 war, wie wir gesehen haben, der Garten-Pavillon der trübselige Aufenthaltsort eines Eulenpaars gewesen. Im Herbst desselben Jahres war er der anmuthige Sammelpunkt einer aus Herren und Damen, den Gästen des Miethers von Windygates, bei einem Gartenfeste bestehenden Gesellschaft.
Die Scene war beim Beginn des Festes so lieblich anzuschauen, wie heiteres Sonnenlicht, weibliche Schönheit und muntere Bewegung es nur machen können.
Im Innern des Garten-Pavillons hob sich die anmuthige Eleganz der bunten weiblichen Sommertoiletten von dem finstern Hintergrunde trübseliger moderner Herrenkleidung leuchtend ab. Von dem Garten-Pavillon aus sah man durch drei bogenförmige Oeffnungen hindurch über einen saftig grünen Rasen hinweg auf Blumenbeete und Gebüsch, und weiterhin durch eine in den Bäumen künstlich hergestellte Lichtung auf ein großes, die Aussicht abschließendes steinernes Haus, an dessen Vorderseite eine Fontaine plätscherte, deren Wasserstrahlen im Sonnenlicht bunt erglänzten.
Die ganze Gesellschaft war eben in einem oft von hellem Gelächter unterbrochenen heiteren und lebhaften Geplauder begriffen, als eine laute, das Gesumme der Gäste übertönende Stimme, Schweigen gebot. Im nächsten Augenblick trat eine junge Dame an die Schwelle des Garten-Pavillons und überschaute die Menge der Gäste, wie ein commandirender General ein Regiment überschaut, das er Revue passiren läßt.
Die junge Dame schien nicht im Mindestens verlegen, sie war hübsch und nach der neuesten Mode gekleidet. Ihre Stirn überdeckte ein Hut in Form eines Tellers. An ihrem Hinterkopf erhob sich ein weit aufgeblähter Ballon von hellbraunem Haar. Ueber ihre Brust ergoß sich ein wahrer Wasserfall von Perlen. Iu ihren Ohren glänzten ein Paar den lebendigen Originalen zum Erschrecken ähnlich sehende Käfer. Ihre enganliegenden Röcke glänzten im schönsten Himmelblau. Ihre Fußgelenke schimmerten durch die Hülle gestreifter Strümpfe hindurch. Ihre Schuhe waren sogenannte »Watteaus,« mit Hacken von einer Höhe, bei deren Anblick Männer schaudern.
Die junge Dame, die sich so der Gesamtheit der Gäste präsentirte, war Miß Blanche Lundie. Die ehemals rosige, kleine Blanche, die der Leser bereits aus dem Vorspiel kennt, war jetzt achtzehn Jahr alt, in einer ausgezeichneten gesellschaftlichen Stellung, reich, von lebhaftem Temperament und sehr wechselnden Neigungen, mit einem Worte, ein Kind unserer Zeit, mit den Vorzügen und Fehlern unserer Tage und mit einer Grundlage von echten Gesinnungen und wahrem Gefühl.
»Ruhig lieben Leute, wenn ich bitten darf,« rief Fräulein Blanche, »wir müssen uns für das Croquet-Spiel in zwei Parteien theilen; an die Arbeit, an die Arbeit.«
Nach diesen Worten trat eine zweite Dame aus der Menge der Gäste hervor, und antwortete der jungen Dame, die eben gesprochen hatte, mit einem vorwurfsvollen Blick und in einem Tone wohlwollenden Protestes.
Diese Dame war hoch gewachsen, kräftig gebaut und etwa fünf und dreißig Jahre alt; in ihrer Erscheinung boten sich den auf sie gerichteten Blicken eine grausame Adlernase, ein eigensinniges spitzes Kinn, prächtige schwarze Haare und gleichfarbige Augen, eine glänzende, sorgfältige Toilette und eine lässige Grazie in der Bewegung, die im ersten Augenblick etwas Anziehendes, aber bei längerer Betrachtung etwas unaussprechlich Monotones und Ermüdendes hatte. Das war die zweite Lady Lundie, nach viermonatlicher Ehe jetzt die Wittwe des verstorbenen Sir Thomas Lundie, mit andern Worten die Stiefmutter Blanche’s und die beneidenswerthe Besitzerin von Haus und Garten von Windygates.
»Liebes Kind,« sagte Lady Lundie, »Worte bedeuten etwas, selbst im Munde eines jungen Mädchens, nennst Du das Croquet-Spiel eine Arbeit?«
»Sie wollen es doch wohl nicht Vergnügen nennen?« rief eine ernst ironische Stimme aus dem Hintergrunde des Garten-Pavillons.
Die Gäste traten vor diesem letzten Sprecher zurück, der inmitten der modernen Gesellschaft ein Bild vergangener Zeiten darbot.
Das Wesen dieses, Mannes zeichnete sich durch eine geschmeidige Anmuth und Höflichkeit aus, die unserm heutigen Geschlecht abhanden gekommen zu sein scheinen. Seine Toilette bestand aus einer viel gefalteten weißen Cravatte, einem dicht zugeknöpften blauen Frack und nankingenen Kniehosen nebst entsprechenden Gamaschen; einem für unsere Augen lächerlichen Anzuge. In seiner bequemen Art zu reden gab sich eine unabhängige Art zu denken und eine hochentwickelte feine Gabe satyrischer Repliken kund, die bei der heutigen Generation gleich sehr gefürchtet und unbeliebt ist; er war von kleiner und schmächtiger Gestalt, mit einem schönen weißen Kopf und funkelnden schwarzen Augen; um seine Lippen spielte ein humoristischer Zug; an dem einen Bein hatte er einen Klumpfuß, trug aber dieses körperliche Gebrechen wie seine Jahre mit heiterm Muthe. In der Gesellschaft war er bekannt als Besitzer eines elfenbeinernen Spazierstockes mit einer in der Krücke desselben angebrachten Schnupftabaksdose, und gefürchtet wegen seines Hasses der modernen Institutionen, dem er zu passender und unpassender Zeit Luft machte, indem er immer dieselbe verhängnißvolle Neigung kund gab, geschickt die schwächsten Punkte der Gegner zu treffen. Das war Sir Patrick Lundie, der Bruder des verstorbenen Baronets Sir Thomas und nach dessen Tode der Erbe der Titel und Güter desselben. —
Blanche nahm weder von dem Vorwurf ihrer Mutter, noch von dem Commentar ihres Onkels Notiz, deutete vielmehr auf einen Tisch, auf dein Croquet-Bälle und Hämmer bereit lagen, und lenkte die Aufmerksamkeit auf das Spiel zurück. »Ich führe die eine Seite an, meine Damen und Herren,« nahm sie wieder auf und Lady Lundie führt die andere Seite. Wir wählen unsere Spieler abwechselnd.« »Mama ist die ältere und muß daher auch zuerst wählen.« Mit einem Blick auf ihre Stieftochter, der so viel bedeutete als »wenn ich nur dürfte, würde ich dich in die Kinderstube schicken« drehte sich Lady Lundie um und ließ