Mann und Weib. Уилки Коллинз

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Mann und Weib - Уилки Коллинз

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gesprochen, war kein Grund dieser verzehrenden Krankheit erfindlich, und für die Männer der Wissenschaft war es eine reine Redensart, wenn Lady Lundie erklärte, ihre Freundin habe den Todesstoß an dem Tage erhalten, wo ihr Gatte sie verlassen habe. Fest stand nur die Thatsache, die man sich erklären mag wie man will, daß Mrs. Silvester ungeachtet nicht nur der Anwendung aller physischen Mittel, sondern auch des ganzen Aufgebots ihrer Energie und des muthigen Entschlusses, für ihr Kind zu leben, hinsiechte und starb.

      In den letzten Tagen ihrer Krankheit fing ihre Geisteskraft nachzulassen an. Die Jugendfreundin, die an ihrem Bette saß, hörte sie reden, als ob sie sich in jene Stunde des Abschieds in der Schiffskajüte zurückversetzt glaube. Die arme Sterbende hatte in ihrer Stimme wieder den Ton und in ihrem Auge fast wieder den Blick, wie in jener Stunde, in der die beiden Mädchen sich getrennt hatten, um so verschiedene Lebenswege zu betreten. »Liebste Freundin«, sagte sie, »wir wollen uns mit all’ der alten Liebe im Herzen wiedersehen«, und sprach diese Worte genau in demselben Ton, wie sie diese vor fast einem Menschenalter gesprochen hatte. Aber vor ihrem Ende erlangte sie wieder ein völlig klares Bewußtsein. Sie überraschte den Arzt und die Wärterin durch die freundlich ausgesprochene Bitte, das Zimmer zu verlassen. Als sie und Lady Lundie allein waren, sah sie diese an, als ob sie plötzlich aus einem Traum erwache und sich ihres Zustandes wieder klar bewußt werde.

      »Blanche!« sagte sie, »willst Du Dich meines Kindes annehmen?«

      »Sie soll mein Kind sein, Anne, wenn Du uns verlassen hast.«

      Die Sterbende hielt inne und schien einen Augenblick nachzudenken. Plötzlich fing sie an zu zittern. »Im strengsten Vertrauen«, sagte sie, »ich fürchte für mein Kind.«

      »Warum das?«

      »Ist nicht Anne mein vollkommenes Ebenbild?«

      »Ja.«

      »Liebt sie nicht Dein Kind wie ich Dich geliebt habe?«

      »Ja.«

      »Sie trägt nicht den Namen ihres Vaters, sondern den meinigen. Ist sie nicht Anne Silvester, wie ich es gewesen bin? – Blanche! Wird sie auch enden wie ich?«

      Sie that diese Frage mit dem schweren Athem und dem Lallen der Zunge, welche den nahen Tod verkünden. Die Freundin fühlte sich aufs tiefste erschüttert.

      »Wie kommst Du auf solche Gedanken?« rief sie entsetzt »Um Gotteswillen, denke so etwas nicht!«

      »Die Augen der Sterbenden nahmen wieder den Ausdruck der Bewußtlosigkeit an. Sie versuchte, eine ungeduldige Handbewegung zu machen. Lady Lundie beugte sich über sie und vernahm die kaum hörbar geflüsterten Worte »Richte mich auf!«

      Als sie nun in den Armen ihrer Freundin lag und in deren Augen blickte, kam sie wieder auf ihre qualvolle Angst vor dem Schicksal ihres Kindes zurück.

      »Laß sie nicht erzogen werden wie ich! Sie muß Gouvernante werden, sie muß ihr Brod verdienen. Laß sie nicht Schauspielerin, nicht Sängerin werden! Laß sie nicht auf die Bühne gehen!« Sie hielt inne, aber plötzlich fügte sie mit einem Lächeln und mit einer Stimme, deren Anmuth an frühere Zeiten erinnerte, die einst als Mädchen gesprochenen Worte hinzu: »Gelobe es mir, Blanche! Lady Lundie küßte sie und antwortete, wie sie damals auf dem Schiff geantwortet hatte, »ich gelobe es, Anne!«

      Da ließ die Sterbende dass Haupt sinken, um es nie wieder zu erheben. Der letzte Lebensfunke flackerte noch einmal in den schon verdüsterten Blicken auf und verlosch. Noch einen Augenblick bewegten sich ihre Lippen. Lady Lundie legte ihr Ohr dicht an dieselben und hörte die schreckliche Frage noch einmal in denselben schrecklichen Worten ausgesprochen »Sie ist Anne Silvester, – wie ich es war. Wird sie auch enden wie ich?«

      VI

      Fünf Jahre waren vergangen und die Lebensschicksale der drei Männer, welche in der Villa in Hampstead zusammen beim Dessert gesessen hatten, fingen an, in ihrem wechselvollen Verlauf den Fortschritt der Zeit zu bekunden. Die drei Männer waren, wie sich der Leser erinnert, die Mrs. Kendrew, Delamayn und Vanborough.

      Wie der Freund Vanborough’s, Mr. Kendrew, seine Empfindungen bei dem Verrath des Gatten geäußert hatte, ist bereits erzählt worden. Wir haben noch zu berichten, welchen Eindruck die Nachricht von dem Tode der verlassenen Frau auf ihn machte. Das Gerücht, welches den Menschen in’s innerste Herz zu schauen versteht und sich darin gefällt, dieses Innerste dem Auge der Menge blos zu legen, hatte immer behauptet, daß über dem Leben Krendrew’s ein Geheimniß walte, und daß dieses Geheimniß in einer hoffnungslosen Leidenschaft für die schöne Frau bestehe, die sein Freund geheirathet hatte. Keine gegen ein lebendes Wesen geschehene, noch so entfernte Anspielung, kein jemals zu der Frau selbst gesprochenes Wort konnte, so lange diese lebte, zum Beweise jener Behauptung angeführt werden. Als sie starb, tauchte das Gerücht mit größerer Bestimmtheit als je zuvor wieder aus und berief sich auf das Benehmen des Mannes als Beweis für seine Behauptung.

      Er wohnte dem Leichenbegängniß bei, obgleich er kein Verwandter war. In einem Augenblick, wo er unbeobachtet glaubte, pflückte er einige Grashalme von dem Rasen, mit dem ihr Grab zugedeckt wurde. Man sah ihn nicht mehr in seinem Club, er ging auf Reisen. Als er zurückkehrte, erklärte er, daß er Englands überdrüssig sei und bewarb sich mit Erfolg um eine Anstellung in einer der Colonien. Was mußte man aus alle Dem, schließen? War es nicht klar, daß sein bisheriges Leben allen Reiz für ihn verloren hatte, seit der Gegenstand seiner Neigung verschwunden war? Vielleicht war dem so, es sind schon weniger wahrscheinliche Vermuthungen aufgestellt worden, die doch das Wahre getroffen haben. Wie dem aber auch sein mag, gewiß ist, daß er England verließ, um nie wieder dahin zurückzukehren.

      Mr. Delamayn ließ sich von der Liste der Rechtsanwalte streichen, um sich durch ernste juristische Studien auf die Carriere eines plaidirenden Advocaten vorzubereiten. Drei Jahre lang erfuhr man nichts von ihm, als daß er eifrig studire. Als seine Studien zu Ende waren, fand er alsbald Gelegenheit dieselben zu verwerthen. Seine früheren Associé wußten, daß er ihr Vertrauen verdiene und übergaben ihm die Verhandlung ihrer Sachen vor Gericht. Im Verlaufe von zwei Jahren hatte er sich eine angesehene Stellung als Sachwalter gegründet. Am Schluß dieser zwei Jahre wußte er sich außerhalb der engeren juristischen Kreise eine Stellung zu gewinnen. Er erschien als einer der beiden Anwälte in einem berühmten Fall, in welchem die Ehre einer großen Familie und der Anspruch auf einen großen Grundbesitz auf dem Spiele standen. Am Vorabend der Hauptverhandlung erkrankte sein älterer College. Er hatte daher die Sache des Beklagten allein zu vertreten und gewann dieselbe. Auf die Frage seines dankbaren Clienten, was er für ihn thun könne, antwortete Delamayn, »Verhelfen Sie mir zu einem Parlamentssitz.« Sein Client ein Landedelmann, brauchte nur die nöthigen Befehle an seine Pächter zu erlassen, und siehe da, Delamayn wurde in’s Parlament gewählt!

      Im Hause der Gemeinen traf das neue Mitglied mit Vanborough zusammen.

      Sie saßen auf derselben Bank und gehörten zu derselben Partei. Delamayn fiel es alsbald auf, daß Vanborough grau geworden sei und alt und abgenutzt aussehe Er zog bei wohlunterrichteten Personen Erkundigungen über ihn ein. Die Befragten schüttelten den Kopf. Vanborough war reich, hatte durch seine Frau die einflußreichsten Verbindungen und war ein wohlbehaltener Mann in jedem Sinne des Worts, aber – Niemand mochte ihn. Im ersten Jahre seines öffentlichen Auftretens war es ihm sehr gut gegangen, aber seitdem war ein Stillstand eingetreten. Er war unleugbar ein gescheidter Mann, aber der Eindruck seiner Persönlichkeit im Hause war ein unangenehmer. Er gab glänzende Gesellschaften, war aber doch in der Gesellschaft nicht beliebt. Seine Partei respectirte ihn, aber, wenn sie irgend eine Gunst zu gewähren hatte, überging sie ihn. Was ihm im Wege stand, konnte in Wahrheit nur sein eigenthümliches Temperament sein; man konnte nichts gegen ihn sagen, Alles sprach zu seinen Gunsten; und doch konnte er sich keine Freunde erwerben, er war mit einem Wort ein verbitterter

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