Mann und Weib. Уилки Коллинз

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Mann und Weib - Уилки Коллинз

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mir so sonderbar vor, daß ich Dein Schweigen nicht länger ertragen kann und will. Es ist nicht recht von Dir, mir Dein Vertrauen vorzuenthalten, nachdem wir unser ganzes Leben wie Schwestern mit einander gelebt haben.«

      Anne seufzte schwer und küßte Blanche auf die Stirn. »Du sollst Alles wissen, was ich Dir sagen kann und darf!« erwiderte sie sanft. »»Mache mir keine Vorwürfe, die Sache ist peinlicher, als Du glaubst.« Sie trat an den Schreibtisch und überreichte Blanche einen Brief. »Lies das!« sagte sie.

      Blanche sah ihren Namen auf der von Anne’s Hand geschriebenen Adresse. »Was bedeutet das?« fragte sie.

      »Ich schrieb Dir, nachdem Sir Patrick mich verlassen hatte,« entgegnete Arme. »Meine Absicht war, daß Du meinen Brief morgen bekommen solltest, zeitig genug, um jeder Unvorsichtigkeit vorzubeugen, zu der Dich Deine Angst treiben möchte. Alles, was ich Dir sagen kann, findest Du hier, erspare mir die Qual, es Dir zu sagen; lies es, Blanche!«

      Blanche hielt den Brief noch immer uneröffnet in der Hand. »Ein Brief von Dir an mich, wenn wir Beide in demselben Zimmer allein sind? Das ist ja mehr als förmlich, Anne, das ist, als ob wir uns gezankt hätten! Wie kann es Dir eine Qual sein, Dich gegen mich auszusprechen!«

      Anne’s Augen senkten sich zu Boden. Zum zweiten Male wies sie auf den Brief.

      Blanche erbrach den Brief, überflog rasch die einleitenden Sätze und richtete ihre ganze Aufmerksamkeit auf den zweiten Theil des Briefes:

      »»Und nun, liebste Blanche, erwartest Du, daß ich Dich für die Ueberraschung und die Qual, die ich Dir bereitet habe, dadurch entschädige, daß ich Dir meine Situation offen darlege und Dir alle meine Pläne für die Zukunft mittheile Theuerste Blanche! glaube nicht, daß ich dessen, was Du von meiner Liebe zu erwarten ein Recht hast, uneingedenk bin; glaube nicht, daß sich in meiner Gesinnung gegen Dich irgend etwas geändert hat, glaube nur, daß ich ein sehr unglückliches Weib bin und daß ich mich in einer Lage befinde, die mich gegen meinen eigenen Willen zwingt, über meine Angelegenheiten Schweigen zu beobachten. schweigen selbst gegen Dich, meine geliebte Schwester, die Du mir die Liebste auf der Welt bist. Vielleicht kommt die Zeit, wo ich Dir mein Herz öffnen darf; o, wie mich das beglücken, wie mich das erfreuen würde. Jetzt muß ich schweigen, jetzt müssen wir von einander getrennt bleiben; Gott weiß, was es mich kostet, Dir dieses zu schreiben. Ich gedenke der schönen vergangenen Tage, der Stunden, wo ich Deiner Mutter versprach, Dir eine Schwester zu sein, als ihre lieben Augen mich zum letzten Male ansahen, Deiner Mutter, die der meinigen ein Schutzengel war. Alles das tritt mir in diesem Augenblick vor die Seele und zerreißt mir das Herz, aber es muß sein, meine geliebte Blanche, für jetzt muß es sein. Ich will Dir oft schreiben, ich will Tag und Nacht an Dich denken, mein Engel, bis eine glücklichere Zukunft uns wieder vereinigt. Gott segne Dich, mein geliebtes Kind, und Gott helfe mir!««

      Blanche trat schweigend an das Sopha, auf dem Anne saß, und blieb, den Blick auf sie geheftet, einen Augenblick vor ihr stehen, dann setzte sie sich zu ihr und lehnte den Kopf an Anne’s Schulter. Mit bekümmerten Blicken steckte sie den Brief schweigend zu sich, ergriff Anne’s Hand und küßte sie. »Alle meine Fragen sind beantwortet, liebe Schwester, ich will warten, bis Du die Zeit gekommen glaubst.« Sie sprach diese Worte mit dem Ausdruck anspruchloser Einfachheit und echter Herzensgüte.

      Anne brach in Thränen aus. – — – — – — – — – — – — – — – —

      Der Regen dauerte noch immer fort, aber das Gewitter verzog sich. Blanche trat an das Fenster und öffnete die Laden, um in die düstere Nacht hinauszusehen. Dann aber kehrte sie plötzlich zu Anne zurück. »Ich sehe Lichter« sagte sie, »die Lichter eines Wagens, die aus der Dunkelheit der Haide emportauchen. Ganz gewiß schicken sie von Windygates aus nach mir. Gehe in’s Schlafzimmer, denn es wäre ja möglich, daß Lady Lundie selbst käme, mich zu holen.« – Die sonderbaren Umstände hatten dazu geführt, daß die beiden Mädchen völlig die Rollen getauscht hatten. Anne war wie ein Kind in Blanche’s Händen. Sie´erhob sich und ging in’s andere Zimmer.

      Als Blanche jetzt allein war, zog sie den Brief wieder hervor und las ihn noch einmal, während sie der Ankunft des Wagens harrte. Die nochmalige Durchlesung des Briefes bestärkte sie in einem Entschluß, den sie vorhin, als sie neben Anne auf dem Sopha gesessen gefaßt hatte, einem Entschluß, der zu viel ernsteren Folgen in der Zukunft führen sollte, als sie ahnen konnte. Sir Patrick war der einzige Mensch, auf dessen Discretion und Erfahrungen sie sich völlig verlassen konnte. Sie beschloß in Anne’s eigenem Interesse, ihren Onkel in’s Vertrauen zu ziehen und ihm Alles zu erzählen, was in dem Gasthof vorgefallen war. Zuerst will ich mir seine Verzeihung erwirken, dachte sie, und dann will ich sehen, ob er meine Meinung theilt. – Der Wagen fuhr vor und Mrs. Inchbare führte nicht Lady Lundie, sondern Lady Lundie’s Kammerjungfer in’s Zimmer. Der Bericht derselben über das, was in Windygates vorgefallen war, lautete einfach genug. Lady Lundie hatte selbstverständlich Blanches plötzliche Abreise im Ponywagen richtig zu erklären gewußt und hatte sofort ihren eigenen Wagen mit dem festen Entschluß beordert, ihrer Stieftochter selbst nachzufahren, aber die Aufregung und Angst des Tages waren zu viel für sie gewesen. Lady Lundie hatte einen der Schwindelanfälle bekommen, denen sie jeder Zeit nach großer Aufregung unterworfen war, und so gern sie auf mehr als einem Grunde nach dem Gasthof gefahren wäre, sah sie sich doch in Sir Patrick’s Abwesenheit genöthigt, Blanches Verfolgung ihrer Kammerjungfer, deren Alter und Einsicht sie unbedingt vertrauen konnte, zu überlassen. Die Kammerjungfer hatte, in Voraussicht der Wirkungen des Unwetters, aus Blanche’s Toilette, vorsorglicher Weise einen Koffer mit vollständigem Anzug mitgebracht. Während sie denselben für Blanche auspackte, meldete sie in vollkommen ehrerbietigem Tone, daß sie von ihrer Herrin beauftragt sei, nöthigenfalls nach dem Jagdschlosse zu fahren und die Angelegenheit in Sir Patricks Hände zu legen. Nachdem sie ihren Auftrag ausgerichtet hatte, überließ sie es ihrer jungen Herrin, selbst zu bestimmen, ob sie unter den obwaltenden Umständen nach Windygates zurückkehren wolle oder nicht.

      Blanche nahm der Kammerjungfer die Kleider ab und ging zu Anne in’s Schlafzimmer, um sich für die Rückfahrt anzukleiden. »Ich muß nach Hause,« sagte sie, »Um eine ordentliche Schelte entgegenzunehmen, aber das bin ich von Lady Lundie schon gewohnt, das macht mir keinen Kummer. Was mich bekümmert bist Du, Anne. Kann ich mich auf Eins verlassen, bleibst Du für jetzt hier?«

      Das Schlimmste, was Anne im Gasthofe begegnen, konnte, war geschehen. Durch das Verlassen des Ortes, wohin Geoffrey ihr zu schreiben versprochen hatte, konnte jetzt Nichts gewonnen, aber Alles verloren werden. – Anne erwiderte, daß sie für’s Erste im Gasthof zu bleiben gedenke.

      »Versprichst Du mir zu schreiben?«

      »Ja!«

      »Kann ich jetzt etwas für Dich thun?«

      »In diesem Augenblicke nichts, liebe Blanche, aber später vielleicht.«

      »Wenn es Dich verlangt, mich zu sehen, so können wir uns in Windygates treffen, ohne entdeckt zu werden. Komm zur Frühstückszeit, nimm Deinen Weg längs des Gebüsches und tritt durch die Glasthür in die Bibliothek; Du weißt so gut wie ich, daß um diese Zeit Niemand dort ist. Sage nicht, es ist unmöglich, Du kannst nicht wissen, was geschehen kann. Ich werde jeden Tag zehn Minuten auf Dich warten, ob Du nicht vielleicht kommst. Das wäre abgemacht und ebenso, daß Du mir schreibst. Ehe ich fortgehe, liebste Anne, laß uns doch sehen, ob wir noch sonst etwas zu bedenken haben.

      Bei diesen Worten schien Anne plötzlich ihre Niedergeschlagenheit abzuschütteln; sie schloß Blanche in ihre Arme und drückte sie mit wilder Heftigkeit an ihre Brust. »Willst Du immer für mich bleiben, was Du jetzt bist? Oder wird eine Zeit kommen, wo Du mich hassen wirst?« Sie verschloß Blanche den Mund mit einem Kusse und drängte sie der Thür zu. »Wir haben glückliche Tage zusammen verlebt!« rief sie, indem sie Blanche mit der Hand zum Abschied winkte. »Laß uns Gott dafür danken und uns um das Andere nicht kümmern!«

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