Kamienie na szaniec. Krzyżacy. Świętoszek. Opracowania lektur. Małgorzata Kamińska

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sterben will

      Otto Mettmann Bruder des Opfers, wird selbst zum Opfer

      Elisabeth Mettmann Erbt alles und ist in Martin verliebt

      Olga Kurtova Pflegerin, Opfer

      1. Die Tote, die sich bewegt

      Die Glocke der kleinen Friedhofskapelle läutete nun schon seit fünf Minuten den Beginn der Trauerfeier ein.

      Es regnete schon den ganzen Tag und es war kalt an diesem Herbsttag. Viel zu früh war der Herbst gekommen und es war für die frierenden Trauergäste kein Trost, dass es noch einmal, der Wettervorhersage nach, warm werden sollte.

      Die Heizstrahler an den Seitenwänden im Innenraum der kleinen Kapelle konnten den Trauergästen nur bedingt Wärme spenden. Um Stromkosten zu sparen, hatte man jeweils einen der zwei eintausend Watt - Glüheinsätze herausgenommen. So war der Raum nur mäßig warm und die warme Luft nur im Deckenbereich der Kapelle spürbar. Wer direkt unter einem Heizstrahler saß, bekam allerdings bald einen überhitzten Kopf.

      Ist es im Allgemeinen nicht sonderlich gut zu sterben, in der kalten Jahreszeit ist es aber besonders schlecht, wenn auch nicht für den Verstorbenen selbst, so doch für die Trauergäste.

      Diese saßen meist auf den kalten Holzbänken, da nicht für alle ein Sitzkissen bereit lag. Viele hatten kalte Füße und bewegten ihre Zehen. Andere rieben sich auch die Hände. Manche Herren hätten lieber die Mützen oder Hüte aufbehalten, was aber dem ungeschriebenen Gesetz des christlichen Empfindens in einer kirchlichen Einrichtung entgegen sprach. Aus Pietätsgründen musste man die Kopfbedeckung abnehmen, egal wie kalt es gerade war, da kannte der Herr keine Gnade. Kam ein Mann dieser allseits bekannten Forderung, das Haupt zu lüften, nicht sofort nach, so erntete er abfällige Blicke seiner Nachbarin, die wie gebannt auf den Hut starrte und deren Blick sich erst von ihm löste, wenn sich dieser in den Händen des Herrn und nicht mehr auf seinem Haupt befand. Manche Frauen allerdings behielten ihr Kopftuch auf.

      Die Verstorbene war erst siebzehn Jahre alt und vor sechs Tagen bei einem Autounfall in Hamburg ums Leben gekommen. Nun lag Saskia Gebert in einem Sarg aus Eichenholz, der an den Rändern mit maschinell hergestellten, verleimten Leisten verziert war und dessen sechs Tragegriffe aus massivem Messing bestanden. Dem Betrachter konnte es bei längerem Hinschauen auf den Sarg und dessen Messinggriffe vorkommen, als kämen diese aus Secondhandbeständen des Bestatters, da sie abgenutzt waren und sicherlich nicht, wie in der späteren Rechnung ersichtlich aufgelistet, als Neuware deklariert waren.

      Der Sarg war teuer und die Sterbegeldversicherung, die die Eltern vor vielen Jahren für die ganze Familie abgeschlossen hatte, reichte für die Beerdigung nicht aus, da ein Selbstbehalt von fünfhundert Euro im Vertrag, zwar nur ganz klein, jedoch lesbar, vereinbart war.

      Saskias Vater wollte nach Erhalt der Rechnung die Versicherung um Stellungnahme bitten, doch seine Frau war dagegen. Sie wollte Ruhe und keinen Streit mit den Behörden. So wurde auch später nicht mit dem und nicht über das Beerdigungsunternehmen gesprochen. Was man dort mit Zufriedenheit vernahm und einen Haken an den Fall machte. Die vielen anderen Haken, die für die vielen anderen gebrauchten Neugegenstände aus den Jahren voher standen, waren ja ebenfalls ohne Nachfrage durchgegangen. Bei einer Beerdigung wurde nicht so oft reklamiert wie bei jedem anderen Kauf.

      Besonders tragisch war es, dass auch Saskias Bruder erst vor wenigen Monaten verstorben war und die Eltern somit einen herben Doppelverlust hinnehmen mussten. Im Ort trauerte man mit den Eltern und vertrat die Auffassung, dass das Schicksal manche Menschen schon sehr hart treffen konnte. In einem kleinen Ort, wo man sonntags noch zur Kirche ging, stellte der eine oder andere sich die unbeantwortete Frage, warum Gott so etwas zulassen konnte.

      Der Autofahrer war direkt auf das Mädchen zugefahren, hatte sie mit der Stoßstange erwischt, sie hochgeschleudert und sie war mit dem Kopf in die Windschutzscheibe gekracht. Dann war sie über das Dach des Wagens geschleudert worden. Sie flog sechs Meter durch die Luft und landete dann mit dem Kopf zuerst auf dem Asphalt, wobei ihr Genick mit einem hässlichen Knacken zerbrach, fast so wie der Hals einer Flasche, die auf eine Tischkante aufschlug. Bis auf die Abschürfungen an der rechten Gesichtshälfte, an den Knien und am rechten Oberschenkel sowie dem Bruch eines Handgelenkes hatte sie aber keine äußeren Verletzungen. Das nützte ihr herzlich wenig, denn sie war trotzdem mit sofortiger Wirkung tot.

      Der Autofahrer fuhr zurück, hielt an, stieg aus und ging schnellen Schrittes zu dem Mädchen hin. Er schaute sie an, sah die getrübten Augen, die sich nicht bewegten und ihm war sofort klar, dass sie nicht mehr am Leben war. Er wollte sie nicht töten, hatte aber ihren Tod billigend in Kauf genommen. Er hatte halt zu spät gebremst. Absichtlich zu spät. Er wollte sie lediglich mit ihrem ‚Gepäck’ sicherstellen. Er hätte ihr aber zu Fuß nicht folgen können. Sie war ihm schon am Flughafen entkommen, denn sie war schnell in ihren weißen Turnschuhen mit den drei schwarzen Streifen. So dachte er sich, wenn du sie leicht mit dem Auto erwischst, kann sie nicht so schnell weglaufen. Das war nun in die Hose gegangen.

      Er zuckte mit der Schulter und sagte zu sich selbst:

      „Na, wenn schon. Du bist ersetzbar!“

      Er öffnete den Kofferraumdeckel und wollte den leblosen Körper des Mädchens gerade hochheben, als er ein anderes Fahrzeug bemerkte, das zwar noch weit entfernt war, sich aber schnell näherte. Diese Gegend am Rande von Hamburgs Innenstadt wurde um diese Tageszeit nachts um halb zwei Uhr sonst eher weniger befahren. Ausgerechnet jetzt kam ihm ein Fahrzeug in die Quere.

      Er fluchte.

      „Mist!“

      Nur dieses eine Wort kam über seine Lippen, dann schloss er schnell den Kofferraumdeckel wieder, stieg noch schneller in seinen Wagen und gab Gas. Das Mädchen musste er auf der Straße liegen lassen. Es blieb keine Zeit mehr, um sie einzuladen, sonst hätte man wohl sein Nummernschild erkennen können.

      Die Polizei, gerufen von dem Fahrer, der gerade sein Fahrzeug neben der Toten zum Stehen brachte, nahm den Unfall mit Fahrerflucht eine halbe Stunde später auf. Die Hamburger Polizei informierte die Kollegen des Präsidiums Mittelhessen sofort. Noch am selben Tag überbrachten morgens um sieben Uhr fünfzehn zwei Beamte den Eltern der Toten die Hiobsbotschaft.

      Das Kennzeichen hatte der Zeuge nicht erkennen können, da sich das Fahrzeug mit großer Geschwindigkeit entfernt hatte. Nur dass es ein großer Wagen, BMW, Audi oder Mercedes war, schwarz oder dunkelblau, wusste er zu berichten.

      Der Polizeibeamte gab seine Beschreibung noch am Unfallort über Funk an die Zentrale weiter, in der er die Farbe dunkelblau ausschloss, da nach seiner Meinung Autos solcher Preisklasse nicht in „Blau“ gekauft würden und die Annahme des Zeugen, es sei ein dunkelblauer Wagen gewesen, eher auf die Dunkelheit und somit auf die schlechten Sichtverhältnisse zurückzuführen sei.

      Er war der Annahme, dass ein großer Wagen von einem betuchten Eigentümer, der einen erlesenen Geschmack besaß, gefahren wurde. Also konnte es keine Farbe Blau sein.

      Die Fahndung nach einem Wagen in ‚Schwarz’ der gehobenen Preisklasse, welcher eventuell einen Unfallschaden im Frontbereich haben könnte, verlief trotzdem ergebnislos.

      Als man den Eltern die schlimme Nachricht überbrachte, schrie die Mutter ihren Schmerz heraus, sodass man ihr sofort ein starkes Beruhigungsmittel verabreichen musste. Der Arzt verschrieb ihr ein starkes Mittel in Tablettenform, von denen sie dreimal täglich je zwei Stück am Tag schluckte.

      So überstand sie größtenteils teilnahmslos und ohne weitere Schreianfälle die fünf

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