Der kleine Fürst Staffel 8 – Adelsroman. Viola Maybach
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Читать онлайн книгу Der kleine Fürst Staffel 8 – Adelsroman - Viola Maybach страница 45
»Sie stellen Ihr Licht unter den Scheffel, Sie tanzen ausgezeichnet, das konnte ich sehen.«
»Sie haben mich also beobachtet?«, lächelte er.
Sie glitt in seine Arme, und in vollendeter Harmonie setzten sie sich in Bewegung.
»Ja, natürlich – so wie alle anderen auch«, erwiderte sie. »Es wird Ihnen doch nicht entgangen sein, dass Sie die Sensation dieses Balles sind?«
»Tatsächlich? Mir ist schon klar, dass ich Neugier wecke – aber eine Sensation? Ich weiß nicht.«
»Sie müssen sich das so vorstellen, dass auf Bällen wie diesem normalerweise nur die immergleichen Geschichten erzählt werden. Es kommt selten vor, dass etwas Neues passiert oder dass jemand auftaucht, den man seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hat.«
»Sie meinen also, die Leute beobachten mich nicht nur, sie reden auch über mich?«
Sie lachte leise, ihre schönen grauen Augen funkelten amüsiert. »Aber natürlich reden die Leute, was dachten Sie denn?«
»Mich interessieren die anderen nicht«, antwortete er ohne nachzudenken. »Es ist mir gleichgültig, was sie über mich erzählen. Aber Sie wollte ich vom ersten Augenblick an kennenlernen.«
»Und warum?«, fragte sie.
»Vielleicht, weil ich denke, Sie sind wie ich«, erwiderte er nachdenklich.
Sie bog den Oberkörper ein wenig zurück, um ihm in die Augen sehen zu können. Ihr Blick war offen und unverstellt. »Ja, das denke ich auch«, erwiderte sie ruhig. Dann schmiegte sie sich wieder in seine Arme.
Bis zum Ende des Tanzes sprachen sie nicht mehr, aber sie verständigten sich wortlos: Seine Hand umfasste ihre ein wenig fester und gelegentlich berührten sich ihre Wangen – flüchtige Berührungen, die dennoch wie Zärtlichkeiten wirkten und auch so gemeint waren. Als die Musik verklang, fragte er leise: »Wollen wir in den Park gehen?«
»Sehr gern«, antwortete sie – und so führte Ludwig zu Kahlenbach unter den aufmerksamen Blicken der gesamten Ballgesellschaft die schöne Prinzessin Sabrina von Gagern aus dem Ballsaal hinaus in den Park.
Kaum waren sie gegangen, als auch schon das Getuschel einsetzte.
*
Anna von Kant gähnte herzhaft. Die Dreizehnjährige lag mit ihrem Cousin Christian von Sternberg auf dessen Bett und sah einen Film an, den sie sich ausgeliehen hatten. »Das ist eine blöde Geschichte«, maulte sie. »Richtig langweilig. Haben wir nichts anderes, was wir angucken können, Chris?«
»Wir haben schon alles gesehen, was ich ausgeliehen habe«, stellte er fest. »Wir könnten höchstens das laufende Programm einschalten.«
»Vergiss es«, murmelte Anna. »Da läuft nichts Interessantes. Ich glaube, ich gehe lieber ins Bett, als mir diesen Schwachsinn bis zum Ende anzusehen.«
Er nickte und schaltete das Gerät aus. »Die anderen in der Schule haben so von dem Film geschwärmt«, entschuldigte er sich, »ich dachte, er wäre gut.«
»Ist ja nicht deine Schuld.« Anna rutschte vom Bett. Sie war ein hübsches blondes Mädchen, das zu seinem größten Leidwesen eine Zahnspange tragen musste. Anna fand, dass sie dadurch völlig verunstaltet wurde – und es half auch nichts, dass ihre Eltern, ihre Freundinnen in der Schule und auch Christian ihr immer wieder versicherten, das sei nicht der Fall: Sie glaubte ihnen einfach nicht.
Christian stand ebenfalls auf. Er überragte seine Cousine um einen guten Kopf, seine dunklen Haare trug er ziemlich lang. Der Verlust seiner Eltern hatte ihn vorzeitig reifen lassen, dennoch hatte er die Freude am Leben nicht verloren.
Sein junger Boxer Togo sprang auf, lief zur Tür und winselte. Dann kehrte er zum Bett zurück und beschnüffelte Christians Hand.
»Ist ja schon gut, Togo«, seufzte der kleine Fürst, »ich weiß, dass du noch mal raus willst. Kommst du mit, Anna?«
Sie zögerte kurz, nickte dann aber. »Lass uns sofort gehen, sonst schlafe ich vorher ein«, murmelte sie. »Weißt du überhaupt, wie spät es schon ist?«
»Ein Uhr morgens – wahrscheinlich kommen deine Eltern schon bald zurück von dem Ball.«
»Aber nur, wenn er langweilig ist. Sonst bleiben sie auf jeden Fall länger«, erklärte Anna.
Sie verließen Christians Zimmer, Togo lief vor ihnen her die breite Treppe hinunter, die in den großzügigen Eingangsbereich im mittleren Schlossflügel führte. Wie ein Schatten tauchte Eberhard Hagedorn auf, als hätte er sie erwartet. Er war seit vielen Jahren Butler auf Schloss Sternberg, und noch immer strebte er nach Perfektion, die er freilich nach Meinung der Schlossbewohner längst erreicht hatte.
»Herr Hagedorn, wieso schlafen Sie denn noch nicht?«, fragte Christian.
»Weil ich wusste, dass Sie noch einmal mit Togo hinausgehen«, antwortete der Butler mit seinem zurückhaltenden Lächeln. »Und weil ich noch nicht müde bin. Ich werde warten, bis Sie zurück sind.«
»Wir bleiben nicht lange«, versprach Christian.
Togo sah das offenbar anders. Er schoss wie ein Blitz nach draußen und war schon im nächsten Moment nicht mehr zu sehen. Christian und Anna folgten ihm langsamer.
Eberhard Hagedorn wartete geduldig auf ihre Rückkehr. Er würde ohnehin erst zur Ruhe kommen, wenn auch Annas Eltern wieder auf Sternberg eingetroffen waren.
*
»Wollt ihr gehen?«, fragte Florian von Hardenberg, als Sofia und Friedrich von Kant auf ihn zukamen.
»Ja, allmählich schon«, antwortete der Baron. »Wir haben ja einen recht langen Heimweg. Und du, Flo? Bleibst du noch?«
»Nein, eigentlich hatte ich mich auch gerade entschlossen, den Ball zu verlassen. Es war schön, euch mal wieder zu sehen.«
»Du weißt, dass du uns jederzeit willkommen bist, Flo. Aber du machst dich ja leider sehr rar. Wir haben auch Ludwig zu uns eingeladen, und er hat versichert, er nähme die Einladung an und würde sich in nächster Zeit mal bei uns blicken lassen. Du hast dich doch länger mit ihm unterhalten – vielleicht fasst ihr einen gemeinsamen Aufenthalt bei uns ins Auge.«
»Er war mir sehr sympathisch«, erklärte Florian, dessen Gesicht sich bei Sofias Worten ein wenig aufgehellt hatte. »Das würde ich gern tun.«
»Ich werde ihm das noch einmal vorschlagen.« Sofia und Friedrich verabschiedeten sich herzlich von Florian und verließen den Saal.
Er sah sich nach Sabrina um, konnte sie jedoch nirgends entdecken. Sie und »der Australier«, wie er von einigen Ballgästen genannt wurde, hatten sich, wenn er sich nicht täuschte, ineinander verliebt. Nicht dass das offensichtlich gewesen wäre, sie verhielten sich äußerst zurückhaltend, aber er kannte Sabrina gut genug, um die Zeichen zu deuten: Nie zuvor hatte er sie mit so glücklich strahlenden Augen und einem so verträumten Lächeln gesehen wie an diesem Abend, und Ludwig zu Kahlenberg schien von ihr ebenfalls