Familie Dr. Norden Staffel 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Familie Dr. Norden Staffel 1 – Arztroman - Patricia Vandenberg страница 47
Dr. Daniel Norden hatte die ersten Patienten behandelt, als ihn ein Notruf aus dem Gymnasium ereilte, der ihn sehr wunderte.
»Robin Querndt? Aber den hab ich doch gestern Abend mit Verdacht auf Appendizitis in die Behnisch-Klinik geschickt«, erwiderte er, nachdem die Lehrerin ihm den Vorfall kurz geschildert hatte. »Die Anzeichen waren eindeutig. Holen Sie einen Krankenwagen. Ich rufe in der Klinik an und sage Bescheid, dass er nicht wieder entlassen wird.« Seine Miene sprach Bände, als er das Telefonat beendete, um gleich im Anschluss die Nummer seiner Frau in der Klinik zu wählen.
»Lammers«, meldete sich eine unerwartete Stimme.
»Hier spricht Norden«, antwortete er kurz angebunden. »Ich möchte meine Frau sprechen.«
»Sie hat ihr Telefon offenbar umgestellt. Wahrscheinlich ist sie im OP«, erwiderte Volker. »Kann ich Ihnen helfen?«
Daniel überlegte nicht lange.
»Es geht um einen Patienten, Robin Querndt. Ich hab den Jungen gestern Abend mit Verdacht auf Appendizitis in die Klinik geschickt. Heute ist er mit massiven Beschwerden in der Schule zusammengebrochen. Wer hat seine Entlassung zu verantworten?«
»Das war ich«, gestand Lammers ohne Zögern. »Der Lügenbaron schreibt heute eine Mathe-Schulaufgabe, der er mit dieser Ausrede entgehen wollte. Ich war es, der ihn durchschaut und ihm die Suppe gründlich versalzen hat.«
»Ach ja?« Einmal mehr verstand Dr. Norden seine Frau. »Seltsam, dass er hoch fiebert und sich pausenlos erbricht. Ich habe die Lehrerin angewiesen, ihn sofort in die Klinik zu schicken. Und wehe, Sie weisen ihn ein zweites Mal ab …«
»Schon gut, schon gut, beruhigen Sie sich!« Lammers schnalzte mit der Zunge. Niemand durfte so mit ihm sprechen. Schon gar nicht der Ehemann seiner ungeliebten Chefin. Augenblicklich sann er auf Rache. »Wenn Sie sich daheim auch so aufführen, ist es kein Wunder, dass Ihre Frau Überstunden macht und Ihre Kinder in Scharen aus dem Haus rennen«, erklärte er bedeutungsschwer.
Wie beabsichtigt, war Daniel irritiert.
»Wie meinen Sie das?«
Lammers lachte. Er wusste, dass er ihn an der Angel hatte.
»Schon okay. Sie müssen sich nicht vor mir zieren. Es hat sich längst rumgesprochen, dass Ihre Anneka demnächst für ein Jahr nach Neuseeland geht. Klug von der Kleinen. Ist ja eh die meiste Zeit allein daheim.« Nie im Leben hätte er verraten, dass er das Gespräch zwischen Mutter und Tochter belauscht hatte.
Die Worte fühlten sich an, als hätte Daniel aus den Nichts heraus eine Faust in den Magen bekommen.
»Anneka ist kaum zu Hause, weil sie arbeiten geht«, erinnerte er Lammers. Sein Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass er sich jede Einmischung verbat. Gleichzeitig haderte er mit sich. Sollte er zu erkennen geben, dass ihm diese Pläne neu waren?
»Hab ich Ihnen schon erzählt, dass ich mal ein paar Monate dort gearbeitet hab?«, fuhr Volker launig fort. »Das war eine großartige Erfahrung. Ich finde, es schadet nicht, wenn man mal über den Tellerrand schaut. In Bezug auf Menschenkenntnis, Toleranz und Reife hat mich dieses Erlebnis ein ganzes Stück weitergebracht.«
»Sie hätten noch eine Weile bleiben sollen«, entfuhr es Daniel.
Lammers horchte auf.
»Wie meinen Sie das?«, fragte er.
»Na, Menschenkenntnis, Toleranz, Reife … diese Eigenschaften sind bei Ihnen ja durchaus noch ausbaufähig.«
Dr. Lammers lachte. Es klang wenig belustigt.
»Schon gut, lassen Sie Ihre Enttäuschung ruhig an mir aus. Ich wär auch sauer, wenn meine Tochter mir so wichtige Entscheidungen nicht persönlich mitteilte. Andererseits sind Sie und Ihre Frau an diesem Verhalten selbst schuld. Wer sich so wenig um seine Brut kümmert, muss sich nicht wundern.«
Inzwischen hatte sich Daniel Norden nicht nur von seinem Schrecken erholt. Er zweifelte auch daran, dass Anneka tatsächlich nach Neuseeland gehen wollte. Die Falten auf seinem Gesicht glätteten sich.
»Vielen Dank für Ihre Einschätzung. Im Übrigen hätte es Ihren Fähigkeiten mit Sicherheit gut getan, den Rest Ihres Lebens im Ausland zu verbringen«, erwiderte er mit einem Lächeln in der Stimme. »Aber zum Glück sind Ihre chirurgischen Qualitäten davon ja nicht betroffen. Übrigens müsste Robin Querndt jeden Moment bei Ihnen eintreffen. Ich wäre Ihnen verbunden, wenn Sie sich diesmal adäquat um ihn kümmern würden.« Ohne Volker Lammers noch einmal zu Wort kommen zu lassen, beendete er das Telefonat. Gleich im Anschluss versuchte er, zuerst seine Frau und dann Anneka auf dem Handy zu erreichen. Doch beide Male ging nur der Anrufbeantworter dran, und so musste er sich wohl oder übel bis später gedulden.
*
Anneka wollte gerade die Tür des Cafés ›Schöne Aussichten‹ öffnen, als ihr Handy klingelte. Sie zog es aus der Tasche und warf einen Blick auf das Display. Mit einem »Pfft!« Steckte sie es wieder ein und betrat die Bäckerei mit dem angeschlossenen Café.
Tatjana stand hinter dem Tresen und wischte mit einem feuchten Lappen über die Theke. Der erste Ansturm war vorbei, und es war noch etwas Zeit, bis die Mittagsgäste über ihre Köstlichkeiten herfallen würden. Als die Schwester ihres Freundes eintrat, hob sie noch nicht einmal den Kopf.
»Willst du nicht rangehen, Anneka?«, fragte sie und wandte sich ab, um die Kaffeemaschine einzuschalten.
Die Arzttochter stutzte, ehe sie an den Tresen trat.
»Das ist Dad. Auf den habe ich gerade keine Lust«, murrte sie und machte keinen Hehl aus ihrer schlechten Laune. »Und woher weißt du eigentlich, dass ich es bin? Manchmal glaube ich, dass du in Wirklichkeit ganz gut sehen kannst.«
Statt sich über diesen Verdacht zu ärgern, lachte Tatjana auf.
»Du musst mit Danny verwandt sein. Der denkt das auch immer mal wieder.« Die Kaffeemaschine zischte und brodelte. »Aber ich sage euch was: Aus euch spricht nur der Neid, dass ihr nicht halb so sensibel seid wie ich.«
Die Doppeldeutigkeit dieser Botschaft blieb Anneka nicht verborgen.
»Wahrscheinlich hast du sogar recht«, murmelte sie. »Tut mir leid.«
»Alles gut.« Tatjana stellte ein großes Glas Latte Macchiato auf den Tresen. »Geh schon mal rüber. Ich komme gleich zu dir.« Mit einem Nicken des streichholzkurzen Blondschopfs deutete sie hinüber ins kleine Café.
Anneka stellte keine Fragen mehr und suchte sich einen kleinen Tisch in der Ecke. Während sie wartete, bewunderte sie wieder einmal die fantasievolle Einrichtung des Cafés, die bei der silbernen Metalldecke mit gehämmerten Ornamenten begann, sich über bunt zusammengewürfelte Tische und Stühle bis hin zur ständig wechselnden Dekoration erstreckte. An den Wänden hingen Bilder junger, noch unbekannter Künstler, in jeder Ecke standen Skulpturen. Egal, wie oft man das Café auch besuchte: Wo man hinsah, gab es Neues zu entdecken und zu kaufen. Das war neben den Köstlichkeiten aus Tatjanas Backstube ein weiterer Grund für die Beliebtheit des kleinen Cafés.
Die Ablenkung kam Anneka gerade recht, und sie war völlig versunken in ihre Betrachtungen, als Tatjana ein Tablett auf den Tisch stellte.
»Raus