Im Dunkeln lauert die Angst. Eva Breunig
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Zurück zu den polyamoren Leuten. Einige von ihnen finden tatsächlich, dass diese Art der Liebe Vorteile hätte: Man wird nicht so dazu verleitet, sich für seinen Partner aufzugeben, man muss einfach viel mehr an sich selbst arbeiten, ein Selbstbewusstsein entwickeln, das unabhängig vom Partner besteht. Auch ist man naturgemäß weniger abhängig voneinander, weil man ja nicht die ganze Zeit aneinander kleben kann. Außerdem scheinen die alle besonders ehrlich voreinander zu sein. Na ja, müssen sie wohl auch, denn wenn sie einander nicht von ihren anderen Partnern erzählen würden, wäre das ja einfach ganz klassisches Betrügen und keine polyamore Beziehung.
Was aber auch viele schreiben, ist, dass es ziemlich mühsam zu organisieren ist. Kann ich mir vorstellen – es ist ja schon schwierig genug, einen Freund zu haben! Wenn ich daran denke, wie oft ich mit meinem Exfreund Beziehungsgespräche hatte, in denen wir unsere Probleme geklärt haben – das alles dann mit zwei oder drei Leuten?! Klingt nach ziemlich viel Aufwand. Außerdem müssen sich die verschiedenen Partner untereinander natürlich auch mögen. Auf den ersten Blick klingt diese Polyamorie ja ganz plausibel, sofern man sich seine Eifersucht abgewöhnen kann. Aber mir persönlich wäre das, glaube ich, emotional und organisatorisch zu anstrengend. Irgendwie scheint dieses Exklusive schon in uns drin zu sein …
7
Nachdem alle Kinder nach Hause gegangen und alle Requisiten wie Feuerschale, Kessel und Barockstuhl wieder verstaut waren, versammelte sich das Leitungsteam noch bei seinem Lieblingswirt, dem Laternen-Karl. Karl, der Wirt, war ein Duzfreund aller Pfadfinderleiter. In dieser Kneipe traf man fast zu jeder Tages- oder Nachtzeit irgendwelche Pfadfinder an, die hier bei einem kleinen Gulasch viele Stunden verbrachten und einfach abwarteten, wer vorbeikam – denn irgendwelche Bekannten tauchten dabei immer auf.
Da sie heute so viele waren, stiegen sie ins Untergeschoß hinunter. Leni hatte einen großen Tisch reserviert, und der bunte Haufen aus Tigern, Apothekerinnen und Wölfen gruppierte sich lachend und schwatzend auf den Bänken.
Die Pärchen saßen natürlich beisammen. Kathi – noch immer im Catzerina-Outfit aus schwarzer Spitze – turtelte frisch verliebt mit Paul. Jakob im Wolfspelz schmachtete Elisabeth an, die ebenfalls eine Wölfin gespielt hatte, nur damit sie das ganze Spiel über zusammen sein konnten. Und Daria saß neben Leni, der sie mit Häppchen seines Kaiserschmarrens fütterte und dabei mit den Rüschen an den Ärmeln des Tiger-Grafenhemdes kämpfte. Für ältere Jugendliche galten die Pfadfinder als großer Heiratsmarkt: Bei romantischen Lagerfeuern wurden zarte Bande geknüpft, auf Bergwanderungen wuchs das gegenseitige Vertrauen und in nassen Zelten, bei denen es durchs Dach regnete, kam man sich sowieso rasch näher. Dass die meisten Pfadfinder die Liebe zur Natur, Sportlichkeit, Fantasie und Verspieltheit sowie Verantwortungsbewusstsein teilten, war für die Liebe auch nicht gerade hinderlich. Erst im vergangenen Jahr hatten wieder zwei oder drei Pfadfinderhochzeiten stattgefunden. Es war natürlich Ehrensache, dass die jungen Paare weiterhin zu den Zeltlagern fuhren und dabei sogar ihre Babys mitbrachten!
Miriam saß zwischen Tessa und Laurenz und schielte missmutig zu ihrer Schwester hinüber. Daria verhielt sich nicht gerade besonders einfühlsam! Saß da mit neckischem Kichern neben ihrem Liebsten und ließ sich mit Süßspeisen füttern! Und nahm keinen Hauch Rücksicht auf die verwundeten Gefühle ihrer Schwester, die an Liebeskummer litt. War ihr nicht klar, dass der Anblick verliebter Paare Miriams Schmerz immer neu aufrührte? Besonders, wenn das verliebte Mädchen auch noch genauso aussah wie sie selbst?!
Miriams Gedanken wanderten zurück. Wann hatte es eigentlich angefangen zu kriseln? Na ja, Diskussionen hatten sie und Sebastian schon länger geführt … Darüber, wie viel Nähe eine Beziehung vertrug, wie viel Distanz sie brauchte … Beziehungsgespräche eben, die einfach notwendig waren, um einander besser zu verstehen! Wann waren aus diesen theoretischen Erörterungen echte Problemgespräche geworden? Vielleicht hatte sie diesen Punkt verpasst, vielleicht hatte sie zu spät begriffen, dass Sebastian einfach wirklich mehr Freiräume brauchte als sie? Bei diesem Gedanken runzelte Miriam unwillkürlich die Stirn. Man konnte es ja auch umgekehrt sehen: Vielleicht hatte er zu spät begriffen, dass sie etwas mehr Nähe gebraucht hätte!?
In den Weihnachtsferien war Sebastian nach Niederösterreich zu seiner Familie gefahren, und dann hatte sie erst mal eine Woche lang nichts von ihm gehört. Nichts! Null! Kein Anruf, keine E-Mails, nicht mal ein SMS. Selbst als sie ihren Stolz überwand und ihm schrieb, antwortete er nicht. Dabei wäre es doch wirklich sein Job gewesen, sich als Erster zu melden, schließlich war er derjenige, der weggefahren war!
Erst am zweiten Weihnachtsfeiertag hatte der Herr sich zu einer Mitteilung herabgelassen, die da lautete: »Frohe Weihnachten meiner liebsten Miri!«
Keine Erklärung, keine Entschuldigung. Viel war das nicht! Immerhin konnte sie ihn danach wenigstens anrufen, ohne ihr Gesicht zu verlieren.
»Frohe Weihnachten, mein Schatz!«, flötete sie und versuchte nicht allzu vorwurfsvoll zu klingen. »Geht’s dir gut?«
Da schwärmte er drauflos: »Es ist so toll, meine Familie, Freunde und Nachbarn wiederzusehen!« (Gerade so, als ob er nicht ohnehin alle paar Wochen nach Hause fahren würde!) »Und es fühlt sich so wundervoll an, einmal ein paar Tage völlig frei und ungebunden zu sein, ohne Termine, ohne Verpflichtungen, ohne Zwänge!«
Schon da hätte sie vielleicht stutzig werden können. Aber sie redete sich ein, dass er bloß vom Studium sprach, das tatsächlich in der letzten Zeit viel von ihm gefordert hatte. Und selbst als wenig später der Name »Bettina« fiel, mit der er so interessante Gespräche geführt hatte, dachte Miriam sich nichts dabei. Na ja – sie wollte sich nichts denken. Bettina war ein Nachbarsmädchen, er war mit ihr aufgewachsen, sie hatten gemeinsam im Sand gespielt. Wenn er mit ihr eine Beziehung gewollt hätte, hätte er das schon vor Jahren haben können! Damit war das Thema für sie erledigt.
»Oh meine Miri!«, zerstreute Sebastian alle Bedenken. »Du bist so einzigartig! So schön wie der Sternenhimmel! Es ist wunderbar, dass es dich gibt! Ich liebe und bewundere dich!«
Damit machte er alle Versäumnisse der letzten Woche wieder gut. Miriam lächelte geschmeichelt ins Telefon – und auch ein bisschen erleichtert. Ein paar klitzekleine Sorgen hatte sie ja doch gehabt, ob nicht möglicherweise irgendwas passiert war, irgendwas plötzlich zwischen ihnen stand. Aber wenn er sie liebte, dann war ja wohl alles okay.
»Warum hast du dich dann so lange nicht gemeldet?«, platzte sie heraus, obwohl sie genau das eigentlich nicht hatte fragen wollen.
»Oh Miri!«, seufzte er. »Fragt denn der Sternenhimmel, ob ihn jemand bewundert? Er ist einfach da – still, klar und erhaben!«
»Sag mal – was tun deine Eltern eigentlich in ihren Weihnachtspunsch?«, erkundigte sie sich irritiert.
»Wieso? Nur weil ich deine Schönheit mit dem Sternenhimmel vergleiche, unterstellst du mir gleich, dass ich betrunken bin?«
»Na ja, du klingst, als ob du …«, auf Drogen wärst!, »… ein bisschen überdreht bist«, verschluckte