Im Dunkeln lauert die Angst. Eva Breunig
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Читать онлайн книгу Im Dunkeln lauert die Angst - Eva Breunig страница 8
»Genau richtig, um mir Inspirationen für coole Geländespiele zu holen«, wandte Daria ein. »Ich bin ja nicht bloß zum Vergnügen dort, sondern nutze meine Erfahrungen gleich doppelt – fürs Studium und für die Pfadis!«
»Jaja, schon gut«, beschwichtigte Leni. »Warum hast du dir eigentlich eine männliche Figur ausgesucht?«
»Mal was anderes.« Daria zuckte mit den Schultern. »Warum nicht?«
»Hast du – also, hat Mithras auch eine Freundin, wenn er schon ›Freund‹ heißt?«, erkundigte er sich leichthin.
Daria drehte sich auf ihrem Stuhl herum und lachte ihn an. »Hey, sag mal – bist du eifersüchtig?«, staunte sie. »Auf ein Spiel?? Hör mal, wenn du so neugierig bist, warum spielst du nicht einfach selbst einmal? Du könntest dich unerkannt an mich – ich meine, an Mithras – heranpirschen und mich beobachten, ich würde es nicht mal wissen!«
»Wer sagt dir, dass ich das nicht längst tue?«, fragte er herausfordernd.
Einen Augenblick lang sah sie ihn verblüfft an. Dann erschienen zwei verschmitzte Grübchen in ihren Wangen. »Na, dann weißt du ja, was ich in dem Wald so alles treibe!«
»Ab jetzt wirst du dich bei jeder Figur, der du begegnest, fragen, ob ich das bin«, grinste er.
»Nicht bei denen, die ich in der nächsten halben Stunde treffe!«, lachte sie zurück. »Schneller kannst du unmöglich zu Hause sein, und jetzt bist du ja offensichtlich nicht online!«
10
Im Miracle Forest
Mithras erwachte in seiner Hütte am Rand der Schweigenden Sümpfe. Dort hatte Daria ihn schlafen gelegt, als sie das Spiel das letzte Mal verlassen hatte. Er sah sich um. Was auch immer während Darias Abwesenheit – also während Mithras’ Schlaf – passiert war, es hatte keine allzu großen Schäden angerichtet. An der Außenseite der Mauer gab es Kratzspuren wie von Wölfen oder Hyänen, aber die Tür aus massivem Eichenholz hatte standgehalten. Auf dem Dach schien ein Kampf stattgefunden zu haben; Blut und Federn klebten auf den Schindeln. Möglicherweise hatte eine Harpyie, ein riesiger Raubvogel, die Wölfe angegriffen. Mithras nahm die Federn an sich. Sie bestanden aus äußerst widerstandsfähigem Material und eigneten sich durchaus als Waffe. Dann überprüfte er seine Ausrüstung: Bogen und Pfeile gehörten zur Grundausstattung jedes Elben. Dazu trug er eine Axt bei sich, die er eines Nachts einem Troll abgenommen hatte, und ein Stahlmesser, dessen Klinge mit geheimnisvollen Symbolen verziert war. Die Bedeutung der Zeichen kannte er nicht; er hatte das Messer in einem Kampf gegen einen Nachtalb errungen. Bestimmt hatte es besondere Fähigkeiten. Außerdem führte Mithras Fleisch und Brot als Proviant mit sich sowie seine letzten paar Münzen.
Heute wollte er versuchen, die Schweigenden Sümpfe zu überqueren. Nur müsste er es rechtzeitig schaffen, eine sichere Bleibe für die Nacht zu finden. Tagsüber hatte er hier nicht viel zu befürchten, aber wenn es dunkel wurde, krochen allerlei Monster und Ungeheuer aus ihren Verstecken (lauter NPCs – Non-Player-Charaktere) und überfielen harmlose Wanderer. Gelegentlich sogar die, die gerade schliefen, weil ihre Besitzer offline waren!
Es war nicht leicht, einen Weg durch den Sumpf zu finden. Mehr als einmal versank Mithras bis übers Knie im Morast, als er auf ein scheinbar festes Rasenstück steigen wollte. Seine Schuhe und seine Hose waren schlammverschmiert, und auch der Saum seines orangefarbenen Umhanges färbte sich dunkel. Früher als erwartet brach die Dämmerung herein. Weißer Nebel stieg auf, ein Geräusch wie das Quaken von Fröschen war zu hören.
Daria bewunderte den Nebel, der weißlich aus dem Boden quoll, nach oben hin durchsichtiger wurde und sich mit dem dunkler werdenden Abendhimmel mischte. Einzelne Schilfhalme hoben sich davor ab; in der Ferne standen die Bäume wie Scherenschnitte vor der Silhouette der Berge. Wie ein Aquarell, dachte sie, speicherte einen Screenshot ab und machte sich eine Notiz.
Ein Fenster poppte auf und eine Chatmeldung erschien. Es war eine Botschaft von Eldina. Daria stutzte und schaute auf die Uhr. Es war eine gute halbe Stunde her, dass Leni nach Hause aufgebrochen war. Er könnte jetzt zu Hause sein. War es möglich, dass er hinter »Eldina« steckte, der Weggefährtin, die Mithras seit längerer Zeit begleitete?
»Er hat recht«, dachte Daria schmunzelnd. »Ich frag mich jetzt wirklich bei jeder Figur, ob das womöglich Leni ist …!«
»Eldina: Mithras, wo bist du?«
»Mithras: Ich wandere durch die Schweigenden Sümpfe.«
»Eldina: Hast du eine Fackel?«
»Mithras: Ja, aber es ist doch noch gar nicht Nacht!«
»Eldina: Zünde sie an, damit ich dich finde!«
»Mithras: Wie willst du bitte zu mir kommen?«
»Eldina: Mach’s einfach!«
Mithras zündete die Fackel an und schwenkte sie. Sekunden später wehte ihm ein Mini-Tornado trockene Blätter um die Ohren und blies das Feuer aus – und dann stand Eldina plötzlich neben ihm.
»Wie hast du das gemacht?«, tippte Daria erstaunt in ihre Tastatur, und sofort erschien eine Sprechblase mit dieser Frage über Mithras’ Kopf.
»Windsbraut«, antwortete Eldinas Sprechblase. »Neue Freundin Zefira!«
Was Mithras für einen mannshohen, rasch dahinwirbelnden Tornado hielt, der Eldina herbeigeweht hatte, nahm plötzlich Gestalt an und verwandelte sich in ein dünnes Mädchen mit zerzausten Haaren und einem grauen Mantel.
Grau, also eine junge Figur – Level 2!
»Hallo, ich bin Zefira!«, sagte die Sprechblase über der Zerzausten.
»Ich wusste gar nicht, dass es so was gibt«, sagte Mithras. »Bist du ein Spieler oder ein Non-Player-Character?«
»Player«, antwortete Zefira.
»Du bist noch nicht lang dabei«, stellte Mithras fest.
»Stimmt! Deswegen hab ich Eldingsda einen Gefallen erwiesen – weil ich mir dafür ein paar Tipps erhoffe!«
»Eldina«, verbesserte Eldina.
»Was für Tipps?«
»Wie man Monster besiegt und so.«
»Gleich alle auf einmal?«, empörte sich Eldina. »Dafür müsstest du mir mit deinen besonderen Fähigkeiten noch länger dienen!«
»Jaja, gut … Also: Wie besiegt man zum Beispiel eine Seeschlange?«, fragte Zefira. »So einer bin ich letztens nur knapp entkommen!«
»Na, das ist einfach!«, rief Eldina. »Man fängt sie in einem Netz aus Spinnwebfäden!«
»Ah