Gesammelte Werke von Stefan Zweig. Стефан Цвейг

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Gesammelte Werke von Stefan Zweig - Стефан Цвейг

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(in höchstem Erstaunen):

       Sie weiß nicht, daß Assur über uns gefallen? Es ist noch ein Lebendiger in den Mauern, der unwissend blieb unseres Elends? Wie konnte solch Wunder geschehen? Sind ihre Sinne verschlossen denn, daß sie die Posaunen nicht hört, meint sie noch Frieden, da schon Widder die Mauern anrennen?

      ACHAB:

       Ihre Sinne sind dunkel geworden. Was sie hört, vermeinet sie Traum. Die Türen hab ich vertan und die Spalten verschlossen, daß nichts Eingang finde von Lärmen und Licht!

      JOCHEBED:

       Sie weiß es nicht? Sie weiß es nicht? Wunder ist dies und grausam zugleich. Nichts, sagst du, Achab, weiß sie, auch kein Ahnen rührt ihren Sinn?

      ACHAB:

       Manchmal flog Ahnen sie an, doch traumhaft nur, und mit Worten scheucht ich es fort. Nur gestern, als das Volk schrie bei des ersten Widders Prall, da schreckte sie auf. Die Decken warf sie im Fieber von sich und reckte die Hände, sie müsse hinaus, sie müsse zu Walle, Krieg sei im Land, Feind in der Stadt, Zion vergehe, Jerusalem falle. Das Wort sei erfüllt, ihr Sohn, er habe es wahrgesagt, der König sei gekommen, der König von Mitternacht. Und sie reckte sich auf und brach in die Knie, doch ehe sie noch stürzte, faßte ich sie und trug sie zum Bett und begütete sie, es sei nur ein Traum, nur ein Fiebertrug, dies Dröhnen draußen von Volk und Posaunen. Sie schien es zu glauben und lag dann offenen Auges und horchte dem dunklen Gedröhne der Gasse nach.

      JOCHEBED:

       Wie sonderlich! Doch sag: was ists, das sie so verwirrt?

      ACHAB:

       Ihre kranken Sinne suchen den Sohn.

      JOCHEBED:

       Jeremias… den Rasenden… den Geiferer der Gasse… sie selbst doch stieß ihn aus dem Haus.

      ACHAB:

       Doch ward keine Stunde ihr seitdem froh. Stumm saß sie nur mehr in den Gemächern, und oft fand ich sie gebeugt über das Tor wie einer, der eines Gastes wartet. Und als er nicht kam und nicht kam, ward es mählich düster in ihren Sinnen.

      JOCHEBED:

       Doch was kommt er nicht, der Verworfene, daß sie genese an ihm? Die Gassen streift er alltags und speit Fluch in das Volk, indes die Mutter seiner sehnend ist. Warum kommt er nicht, der Schwätzer des Markts, der Würger der Freude?

      ACHAB:

       Unwissend ist er, daß sie seiner begehrt. Stolz ist er wie sie selbst, nicht die Steine der Schwelle tritt er, auf die sie ihn gestoßen.

      JOCHEBED:

       So laß es ihn wissen.

      ACHAB:

       Wie darf ichs ohne ihr Geheiß? Ein Sklave bin ich, ein Diener nur. Darf ich mich unterfangen denn, zu hören, was sie unwissend spricht?

      JOCHEBED:

       Du darfst es, du mußt es, so es ihr Leben gilt.

      ACHAB:

       Ist wahrhaft dies dein Meinen? Glaubst du, ich täte recht, voraus zu sein ihrem Wort und ihm Botschaft zu senden?

      JOCHEBED:

       Bei Gottes Güte, so mein’ ichs. Ihr Leben rettest du damit.

      ACHAB:

       So sei Gott gedankt, denn höre, Jochebed! Was du forderst, ich hab es getan in meines Herzens Bedrängnis.

      JOCHEBED:

       Gesegnet, gesegnet dafür!

      ACHAB:

       Schon gingen meine Knaben aus, ihn zu suchen. Durch die Stadt sandte ich sie, noch fanden sie ihn nicht, doch hart sind ihre Schritte hinter den seinen!

      JOCHEBED:

       Ach, fänden sie ihn nur! Es würde ihr Genesung bringen, der Armen, denn wirr ist zwischen Stolz und Sehnen ihr Sinn.

      ACHAB:

       Ja, wirr ist ihr Gefühl und verdüstert ihr Blut. Seit er ging, ist sie wie mit sich selber entzweit.

      JOCHEBED:

       Ach, wer fühlt denn noch klar in der Wirrnis der Zeit!

      (DIE MUTTER regt sich seufzend auf dem Bette.)

      JOCHEBED (ihr Erwachen bemerkend, leise zu Achab):

       Achab… sie regt sich… der Schlaf fällt von ihr ab… noch sind ihre Augen verschlossen, doch ihre Lippen füllt schon das Wort…

      (ACHAB eilt hin und beugt sich über die Kranke.)

      DIE MUTTER (mit geschlossenen Augen, ihre Stimme ist leise wie ferner Gesang): Sag, ist er gekommen, sag, kam er schon? Oh, wo ist er, wo ist er, mein Sorgensohn?

      JOCHEBED (flüsternd):

       Wie wunderlich! Zum erstenmal denkt sie seiner im Wort!

      ACHAB:

       Noch ist Traum über ihr, noch sind ihre Augen verhangen.

      DIE MUTTER (regt sich und schlägt ihre Lider auf):

       Wo… Achab… Du bist es… Jochebed… oh, das Dunkel über mir… Traum, Traum, der mich verwirrte… wo…

      ACHAB (zärtlich sich hinbeugend):

       Wie fühlst du, du Liebe? Wie hast du geruht?

      DIE MUTTER:

       Wie kann ich ruhen… wie ruhen in solcher Träume Schrecknis… wo ist er… war er nicht hier… wo ist er… ich hab ihn gesehen… was ging er fort…

      JOCHEBED:

       Sieh den Glanz in ihren Augen! Wie aus Fieber blickt sie, noch wirrt sie der Traum.

      ACHAB:

       Wen meinst du, Liebe?

      DIE MUTTER:

       Fort… was ging er fort… was ließest du ihn von mir… hier war er, hier…

      ACHAB:

       Keiner war im Gelaß, denn Jochebed und ich…

      DIE MUTTER:

       Nicht er… nicht er… oh, Träume, wie voll ist von ihnen das Haus… (plötzlich sich aufrichtend, fiebrigen Blicks): Was rufst du ihn nicht… er soll kommen… soll kommen…

      ACHAB:

       Wen soll ich rufen?

      DIE MUTTER:

       Was fragst du, was fragst du? Siehst du nicht, Tod kniet auf mir, und du rufst ihn nicht!

      ACHAB:

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