Gesammelte Werke von Stefan Zweig. Стефан Цвейг

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Gesammelte Werke von Stefan Zweig - Стефан Цвейг

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ich sieche, gehütet von blinden Knechten, von steinernen Herzen. Fort… fort von mir!

      ACHAB:

       Aber Liebe…

      DIE MUTTER:

       Verraten hast du mich… gesperrt ihm das Haus… gewiß war er hier, und du hast ihn fortgestoßen… er war hier… mein Blut spürt ihn an der Schwelle… er harrt nur des Rufes, und du schweigst… Du hast ihn weggestoßen.

      ACHAB:

       So höre doch, Liebe…

      DIE MUTTER:

       Weh über mich… fort… fort von mir… mögest du sterben wie ich, verlassen von deinen Kindern, sterben am Streu wie das Räudige…

      ACHAB:

       Ein Wort nur laß mich sagen.

      DIE MUTTER:

       Ein Wort nur will ich hören, nur eines: Er kommt, er ist da…

      ACHAB:

       Dies eben vermeld ich… er kommt… schon nahen dem Haus seine Schritte…

      DIE MUTTER (sich aufrichtend, ganz verzückt):

       Er kommt… er kommt… mein Jeremias… oh, Achab… nicht belüge mich… nicht trüge den Tod…

      JOCHEBED:

       Schon hat er die Söhne gesandt, daß sie ihn suchen… bald ist er hier…

      DIE MUTTER:

       Er kommt… Ist es wahr… er kommt… ja, schon höre ich ihn… in mir gehen seine Schritte… ich hör ihn im Haus… er will herein… im Herzen pocht er… hinab, so geh doch, ans Tor, eile, flieg hinab… was steht ihr noch…

      ACHAB (beruhigend):

       Du Liebe, gleich ist er bei dir… frühmorgens schon sandte ich die Söhne… er kommt gewiß…

      DIE MUTTER (wieder erregt):

       Nein… er kommt nicht… träge sind sie, die Knaben, nicht suchen sie ihn… sie streichen die Gassen… oh, eilten sie doch… das Dunkel… das Dunkel… im Blute steigt mirs auf… ich… ich will ihn noch sehen, eh mirs blendet den Blick… geh, Achab… sieh doch… er ist da…

      ACHAB:

       Gedulde dich, Liebe, nicht reg dich so wild.

      DIE MUTTER:

       Laß ihn ein… was läßt du ihn warten… hörst du nicht, wie er hämmert am Tor… an den Schläfen fühle ichs schon… auf… tu ihm auf… wie er hämmert… weh… wie er hämmert mit den Fäusten… auf, tu ihm auf…

      ACHAB:

       Noch ist er nicht hier, Liebe, doch er zögert nicht lang…

      JOCHEBED:

       Gleich wird er kommen… gedulde dich…

      DIE MUTTER:

       Nein, nein, er ist da… was haltet ihr ihn von mir… ich habe nicht Zeit… kalt rinnts mir die Glieder herauf… oh, kalt… wie Stein meine Beine… es will… es will…

      (JEREMIAS ist leise zur Türe eingetreten und bleibt zögernd dort stehen, seine Hände sind verkrampft, sein Haupt wie von ungeheurer Last gebeugt.)

      ACHAB:

       Nicht raff dich so auf… bette dich hin… er wird…

      (ACHAB bemerkt Jeremias, er hält erschrocken inne; auch Jochebed schweigt voll starrer Ergriffenheit. Eine steinerne Stille steht plötzlich im dunklen Raum.)

      DIE MUTTER (sich mühsam aufrichtend): Was schweigt ihr plötzlich mit einemmal… was schweigt ihr so? (Plötzlich mit einem Jubellaut): Ist er gekommen… ist er da, mein Kind, mein Sohn… mein Jeremia… oh, daß meine Sinne so dunkel sind… wo… wo bist du, Jeremia…

      (JEREMIAS tritt zögernd einige Schritte näher, bleibt dann stehen, gleichsam vom eigenen Gefühle bezwungen.)

      DIE MUTTER (sich gegen ihn wendend):

       Du bist da, ich fühl es… meine Sinne eratmen dich… weh, daß es so dunkelt vor meinem Gesicht… was trittst du nicht nah, daß meine Hände dich fassen… Was kommst du nicht, mein Jeremia?

      JEREMIAS (unbeweglich verharrend, die Hände an sich gekrampft): Ich wage es nicht! Ich wage es nicht! Unheil hängt mir an, Fluch fährt mir voraus. Laß mich ferne stehn, daß mein Hauch dich nicht rühre, nicht Schauer anstreife dein heilig Herz!

      DIE MUTTER (fiebrig):

       Mein Kind, meine Arme, sie sehnen sich aus, was kommst du nicht, Lieber, was kommst du nicht nah? Ward dir so widrig die Lippe, so fremd meine Hand?

      JEREMIAS:

       Fremd bin ich mir selbst, fremd steh ich im Haus!

      DIE MUTTER:

       Oh, er verstößt mich, er läßt mich zum andermal! Was läßt du mich sehnen, was bist du so hart?

      JEREMIAS:

       Ich kann nicht! Ich kann nicht! Ein Wort brennt zwischen mir und dir wie des Engels Schwert.

      DIE MUTTER:

       Oh, der Fluch, den ich tausendmal selber verfluchte. Wind hat ihn zerblasen, mit dem Atem ist er verweht.

      JEREMIAS:

       Nein, Mutter, wach ist dein Fluch und alle Gassen rege deines Worts. Von den Häusern ist er gefahren wider mich, aus aller Menschen Mund sprang er mich an. Nicht dein Sohn, nicht atmend Fleisch bin ich mehr, nur Gelächter einer Welt, der Ausgestoßene bin ich worden meines Volks und der Zorn der Gerechten, der Vergessene Gottes und Ekel mir selbst. Allein, laß mich allein, abseits laß mich stehen im Dunkel, den Verfluchtesten aller!

      DIE MUTTER:

       Oh, mein Kind, und wärest du der Verstoßene einer Welt, in der Priester Bann und des Volkes Acht, und hätte selbst Gott dich verstoßen von seinem Antlitz, mein Kind bist du und mein selig Blut für immerdar! Für ihren Haß will ich dich lieben und segnen für ihren Fluch! Haben sie gespien auf dich, oh, komm, daß ich dich küsse; haben sie dich verstoßen, oh, komm, daß ich dich empfange; oh, kehr heim an mein Herz, da du ausgegangen. Süß ist mir deine Lippe, die bittere, und süß das Salz deiner Tränen, gesegnet mir dein Wandel für allezeit, kehrst du nur heim an mein mütterlich Herz…

      JEREMIAS (mit einem Aufschrei hinstürzend und in die Knie sinkend): Oh, Mutter, du ewige Güte du! Oh, Mutter, du meine verlorene Welt!

      DIE MUTTER (ihn in den Armen einwiegend, hält ihn lautlos umfangen. Ihre Hände streichen immer aufs neue zitternd über sein Haupt, seinen Leib. Endlich blickt sie ihn an, in ihrem Auge glänzt ein fremdes, glückseliges Licht, wie sie gleichsam in singender Klage zu ihm spricht):

      Mein Kind, du mein weltverlorenes Kind,

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