Familie Dr. Norden Staffel 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg

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Familie Dr. Norden Staffel 1 – Arztroman - Patricia Vandenberg Familie Dr. Norden

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wollte auch gar nicht in Betracht ziehen, daß sie dank ihres Erbes auf ihre berufliche Karriere verzichten würde. Daran dachte sie bestimmt nicht, und ihn wollte sie nur damit aufmuntern, daß sie jetzt Geld genug hätten, um ihn aller Sorgen zu entheben. Aber der Gedanke, sich auf ihre Kosten ein angenehmes Leben zu verschaffen, deprimierte ihn eher.

      So grübelte er stundenlang, wenn sie nicht bei ihm war, wie er es ihr klarmachen konnte, daß er sich so eine gemeinsame Zukunft nicht vorstellen könnte. Aber andererseits war ein Leben ohne sie auch nicht vorstellbar.

      So klammerte er sich dann doch an die Hoffnung, daß er wieder würde sehen können wie früher, eine Position, wie er sie hatte, ausfüllen zu können.

      *

      Mary Ann hatte mit Dr. Norden verabredet, daß sie nicht zur selben Zeit in der Klinik bei Simon zusammentreffen wollten. Sie hoffte, daß Dr. Norden im Gespräch Simons geheime Gedanken erforschen konnte.

      Sie spürte, daß in ihm etwas vor sich ging, worüber er mit ihr nicht sprechen wollte, und sie ahnte sogar, was ihn beschäftigte. Aber da sie ihm auch etwas verschwieg, war sie unsicher.

      Simons Miene hellte sich auf, als Dr. Norden kam. »So sehen wir uns wieder«, sagte er mit einem flüchtigen Lächeln, das eher wie eine Grimasse wirkte.

      »Es tut mir sehr leid, daß wir uns unter solchen Umständen wiedersehen, aber ich bin auch erleichtert, daß Sie sich auf dem Wege der Genesung befinden, Herr Karsten.«

      »Bis auf die Augen, und ich hege Befürchtungen, daß es noch lange dauern wird, bis sich auch das normalisiert.«

      »Wie ich hörte, ist doch Professor Leine sehr zuversichtlich.«

      »Es sind ja nicht seine Augen, aber ich will nicht ungerecht sein. Er gibt sich die erdenklichste Mühe, und jetzt ist ja wenigstens die Verletzung verheilt, die ja wohl schuld hatte an diesem Zustand. Was mich beschäftigt ist die lange Dauer, die auch Mary Ann viel Geduld abverlangt. Hat sie mal mit Ihnen gesprochen?«

      »Sie ist auch sehr zuversichtlich«, erwiderte Dr. Norden ausweichend. »Ihr ist es am wichtigsten, daß Sie leben.«

      »Aber auf die Dauer bin ich doch eine Belastung für sie.«

      »Das reden Sie sich nur ein. Ihr Zustand ändert nichts an der Tatsache, daß Sie einander lieben und zusammenbleiben werden, wie Sie es geplant hatte.«

      »Es hat sich aber doch einiges geändert. Es ist gut, wenn ich mal mit einem vernünftigen und realistischen Menschen darüber sprechen und Ihre Meinung hören kann. Und ich bitte Sie, ganz offen zu sein. Ich weiß doch gar nicht, wie es bei mir weitergehen wird, ob ich jemals wieder einen solchen Posten ausfüllen kann. Auch ob ich überhaupt noch fähig bin, mit Mary Ann so zusammenzuleben, wie es zwischen Mann und Frau sein soll.«

      »Wieso hegen Sie daran Zweifel?« fragte Dr. Norden, nun doch erschrocken.

      »Ich liege schon Wochen und Wochen. Die Verletzungen waren schwer, das hat man mir ja wohldosiert beigebracht. Ich bin mit mir selbst unzufrieden, uneins, und neige dazu, alles negativ zu sehen. Dann ist da Mary Ann, die mitten im Leben steht, erfolgreich, beliebt. Sie hat doch alle Chancen, einen anderen Partner zu finden.«

      »Es würde ihr nicht gefallen, daß Sie so denken. Warum machen Sie sich das Leben so schwer?«

      »Weil es schwer ist. Bei mir hat sich alles verändert. Mary Ann ist so, wie sie immer war. Sie kann doch nur noch Mitleid für mich empfinden.«

      »Das stimmt aber nicht. Ich weiß, daß sie Sie liebt und keinen anderen Mann haben will. Sie können so glücklich sein wie früher, Sie könnten Kinder haben, die Frohsinn in Ihr Leben bringen.«

      Simon hob abwehrend die Hand. »Soll Mary Anns Leben auch noch gefährdet werden? Um Himmels willen! Sie wissen doch, wie gefährlich eine Schwangerschaft sein kann.«

      »Wollen wir nicht die Kirche im Dorf lassen, Herr Karsten? Sie haben doch selbst oft genug mit mir darüber gesprochen, daß Ihre Frau sich überhaupt nicht auf die Schwangerschaft einstellte und der Arzt ihres Vertrauens sie nicht warnte, wie schädlich ihre Lebensweise sein könnte.«

      »Ihr Vater hatte ihr diesen Arzt eingeredet, auf mich hat sie nicht gehört. Sie würde sich nicht ans Haus fesseln lassen, war ihr Argument, sie sei jung und wolle etwas vom Leben haben. Ich wäre mehr mit meinem Beruf verheiratet. Ich sollte jetzt nicht mehr darüber reden, aber…«

      »Aber Sie sollten das nicht auf Mary Ann projizieren. Sie hat eine andere Lebensweise und Einstellung. Sie reden davon, daß Sie sie nicht verlieren wollen, aber andererseits sind Sie der Ansicht, daß es zwischen Ihnen nicht mehr so wie früher sein könnte und Sie ihr die Freiheit geben wollen. Das würde Mary Ann ganz gewiß nicht gefallen, und Sie sollten solche Überlegungen besser beiseite lassen.«

      »Ich glaube aber auch nicht, daß Mary Ann Kinder haben will. Ihre Karriere war ihr immer wichtiger.«

      Das Karrieredenken lag ihm wohl schon zu lange im Blut, und wie er sich Sorgen um seine eigene berufliche Karriere machte, meinte er, daß sie auch für Mary Ann eine wichtige Rolle spielte. Man konnte es ihm nicht übelnehmen. Er hatte sich alles aus eigener Kraft erarbeiten müssen, denn er war in sehr bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen. Das erfuhr Dr. Norden auch erst bei diesem Besuch, denn Simons imponierende Persönlichkeit erweckte unwillkürlich den Eindruck, daß ihm diese in die Wiege gelegt wurde.

      »Sie werden meine Einstellung zu Kindern vielleicht besser verstehen, wenn ich Ihnen sage, daß auch meine Mutter bei der Geburt des zweiten Kindes starb. Ich war damals fünf Jahre und habe es miterlebt, weil es sich in der Wohnung abspielte. Wir mußten immer sehr sparen. Mein Vater war Kriegsinvalide und froh, daß er eine Stellung als Hausverwalter bekam. Er mußte hart arbeiten, weil er dauernd für irgend etwas gebraucht wurde. Das spornte schon beizeiten meinen Ehrgeiz an, mich nicht so herumkommandieren zu lassen. Meine Mutter half ihm, wo sie nur konnte, aber sie kränkelte ständig, und meine kleine Schwester lebte dann gerade ein paar Stunden, meine Mutter noch zwei Tage. Es war eine Horrorvorstellung für mich, so was noch einmal zu erleben. Ich hatte Sabine wirklich gern, und es versetzte mich in Panik, als sie die Geburt nicht überlebte. Da schwor ich mir, niemals Kinder haben zu wollen. Jetzt hätte ich nicht mal das Recht dazu, denn was sollten sie mit einem behinderten Vater anfangen.«

      »Mir gefällt es nicht, daß Sie so negativ denken, Herr Karsten. Bedenken Sie auch, was Sie im Leben alles schon erreicht haben. Sie dürfen nicht resignieren, das verdient auch Mary Ann nicht.«

      »Sie verdient nur das Allerbeste. Sie ist eine wunderbare Frau. Sie dürfen mir glauben, daß es ein schrecklicher Gedanke für mich ist, ohne sie leben zu sollen, aber noch schrecklicher wäre der Gedanke, daß sie an meiner Seite unglücklich würde.«

      Dr. Norden spürte, wie zerrissen er war, mit sich selbst nicht fertig wurde und überlegte, wie es ihm ergehen würde, wäre er in seiner Lage. Er hatte schon fast zwanzig Jahre mit Fee gelebt und war für jeden Tag dankbar. Sie war eine wundervolle, anbetungswürdige Frau. Ohne sie würde er sich verloren fühlen. Erst kürzlich hatten sie erlebt, daß eins ihrer Kinder schwer erkrankte und man auf das Schlimmste gefaßt sein mußte. Sie hatten sich beide nie so hilflos gefühlt, aber sie hatten sich aneinander geklammert, sich Mut zugesprochen und für das Leben ihres kleinen Sohnes gebetet.

      Was hätte er jetzt Simon Karsten noch sagen können?

      Er konnte nur hoffen, daß ihm das Augenlicht so bald wie nur möglich wiedergegeben würde und sein Leben wieder in normale Bahnen geriet.

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