Familie Dr. Norden Staffel 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg

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Familie Dr. Norden Staffel 1 – Arztroman - Patricia Vandenberg Familie Dr. Norden

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kann helfen«, meinte Mr. Kishi.

      Mary Ann hatte auch etwas gegessen, aber Hunger hatte sie eigentlich nicht. Der Brief in ihrer Tasche beunruhigte sie. Der letzte private Brief, der sie erreicht hatte, war die Nachricht vom Tod ihres Vaters.

      Sie mußte sich noch gedulden, denn jetzt konnte sie den Brief nicht lesen. Sie begleitete Mr. Kishi auch ins Krankenzimmer.

      Simon freute sich ungemein über den Besuch, und Mary Ann war froh, daß er sich auch in englischer Sprache wieder perfekt unterhalten konnte. Er mußte nicht mehr nach Worten suchen, und es tat ihm sichtlich gut, auch mehr über die geschäftlichen Verhandlungen zu erfahren. Es freute ihn natürlich auch zu hören, daß er jederzeit in Tokio willkommen sei und man sehr hoffe, daß er bald wieder ganz der Boß war.

      Da Mary Ann Mr. Kishi zurückbringen mußte, konnte sie nicht mehr viel mit Simon sprechen. »Ich rufe dich noch an«, versprach sie, und er drückte ihre Hand an die Lippen.

      An sich war Kishi ein wortkarger Mann, aber er sagte ihr doch, daß er sie bewundere, und es für Simon bestimmt nicht leicht sei, in dieser Dunkelheit zu verharren.

      »Er wird bald wieder sehen können«, erklärte Mary Ann zuversichtlich. »Er hat jetzt die richtige Behandlung.«

      »Und die richtige Frau«, sagte Mr. Kishi.

      *

      Es war doch spät geworden, bis Mary Ann heimkam. Mr. Kishi und seine Kollegen wollten noch einen Drink mit ihr nehmen. Sie unterhielten sich dann so gut, daß die Zeit schnell verging.

      Sie rief Simon sofort an, damit er sich keine Gedanken machte, aber er war in mieser Stimmung, weil das Ehepaar Zander ihn besucht hatte.

      »Ihr wart gerade weg, da kamen sie«, erklärte er brummig, und natürlich wollten sie genau wissen, wie lange ich dich kenne und ob wir heiraten werden. Sie haben natürlich auch gestichelt, aber ich habe ihnen ordentlich Bescheid gesagt.«

      »Du sollst dich nicht aufregen, Simon.«

      »Ich habe mich nicht aufgeregt, es ist nur eine Frechheit, daß sie sich immer noch in mein Privatleben einmischen. Sie werden dich hoffentlich nicht mehr belästigen.«

      »Mich tangiert es nicht. Ich weiß schon, wie ich sie abwimmle. Die Japaner waren sehr nett, ich bin gerade erst heimgekommen.«

      »Dann ruh dich jetzt aus. Ich fand, daß deine Stimme müde geklungen hat.«

      Sie war auch müde. Es strengte sie alles viel mehr an als früher. Eine Schwangerschaft ist keine Krankheit hatte sie immer gedacht, aber Beschwerden konnte sie wohl doch mit sich bringen. Das hatten ihr auch Dr. Leitner und Dr. Norden gesagt.

      Die Füße taten ihr auch weh. Sie legte sie hoch und schloß ein paar Minuten die Augen. Dann dachte sie wieder an den Brief und angelte nach ihrer Tasche, die sie auf den Sessel gelegt hatte. Sie riß den Umschlag auf, und zutage kamen zwei eng beschriebene Seiten in einer fremden Handschrift, aber in deutscher Sprache. Der Brief war von ihrer Mutter, wie sie fassungslos lesen mußte. Sie hatte keine Erinnerung mehr an sie gehabt und sie längst tot gewähnt. Es hatte ihr auch niemand etwas anderes erzählt. Aber sie lebte, und wie sie schrieb, hatte sie jetzt erst von dem Tod ihres ersten Mannes erfahren. Sie sei zum zweiten Mal verwitwet, hätte aber zum Glück keine weiteren Kinder, denen sie wahrscheinlich sonst auch eine schlechte Mutter gewesen wäre.

      Ehrlich schien sie wenigstens zu sein und außerdem eine sehr realistische Frau, die sehr präzise ihren Gedankengängen Ausdruck gab. Sie freue sich, daß Wilkens seine Tochter wenigstens nicht ganz vergessen und sie in seinem Testament bedacht hatte, aber eigentlich hätte sie doch wohl ein Anrecht auf einen kleinen Anteil, da sie in den Jahren ihrer Ehe geradezu kärglich hätte leben müssen.

      Dein Vater war ein Geizkragen erster Ordnung, liebe Mary Ann, ich mußte über jeden Betrag, den ich ausgab, Buch führen. Du wirst Dir vielleicht vorstellen können, daß ich es eines Tages nicht mehr aushielt. Ich habe dann eine nicht gerade glänzende Partie gemacht, aber einen Mann gefunden, mit dem es sich leben ließ. Du kannst mir natürlich vorwerfen, daß ich mich nie um Dich gekümmert habe, aber für Dich war es sicher besser, lieber von Deinem Vater Unterhalt zu bekommen. Jetzt hat es ziemlich lange gedauert, bis ich eine Adresse von Dir bekam durch den Nachlaßverwalter, um Dir mitteilen zu können, daß ich ein bescheidenes Leben führe und dankbar für einen Betrag von einigen Tausendern wäre, gleich in welcher Währung. Es dürfte Dir wohl nicht allzu schwerfallen. Du könntest mir natürlich auch einen bitterbösen Brief schreiben oder so tun, als hättest Du mein Schreiben nie bekommen. Ich könnte es Dir nicht übelnehmen. Wie Du aus dem Absender ersiehst, lebe ich in Schweden sehr bescheiden, aber immer noch besser als im Haus Deines Vaters. Ich bin mir heute noch nicht klar, was er für ein Mensch war. Jedenfalls hoffe ich, daß es Dir gutgeht und grüße Dich als Marit Söderholm. Deine Mutter.

      Mary Ann schüttelte ein paar Mal den Kopf und seufzte. Guter Gott, murmelte sie, das also ist meine Mutter. Sie hätte wenigstens ein Foto beilegen sollen. So nüchtern dieser Brief war, so nüchtern dachte sie jetzt auch, aber sie war keineswegs schockiert oder emotional beteiligt.

      Warum sollte sie sich zum Richter aufschwingen über diese Frau, die es immerhin einige Jahre mit Joshua Wilkens ausgehalten hatte und sein Kind zur Welt brachte, das sie dann bei ihm zurückließ in der Hoffnung, daß er für es sorgen würde, was er auf seine Weise ja auch getan hatte.

      Ein komisches Gefühl war es jetzt schon, doch noch eine Mutter zu haben. Sie war entschlossen, ihr zu antworten und ihr auch Geld zu schicken. Es tat ihr ja nicht weh. Was würde wohl Simon zu diesem Brief sagen?

      Es war zu seltsam, was plötzlich alles zusammenkam! Bisher war ihr Leben immer auf einer geraden Linie verlaufen, da sie nur auf sich selbst angewiesen war und über sich selbst bestimmen konnte, unbeeinflußt von dramatischen Ereignissen und Einflüssen. Gefühle spielten erst eine Rolle, seit sie Simon kennenlernte, aber auch da ging sie unbeirrbar ihren Weg weiter.

      Dann aber der plötzliche Tod ihres Vaters, sein überraschendes Testament, die Reise nach Amerika, fast gleichzeitig für Simon die Reise nach Tokio. Dann die Bruchlandung des Flugzeuges, Simons schwere Verletzungen. Sie lernte die Angst kennen, den einzigen Menschen, den sie wahrhaft liebte, zu verlieren. Aber da war ja auch das Kind, das in ihr wuchs, der Konflikt, nicht mit Simon darüber sprechen zu können, und nun auch noch dieser Brief, geschrieben von ihrer Mutter, an die sie keine Erinnerung hatte.

      Wie ein Roman war das, von dem das Ende noch ungewiß war. Aber alles fügte sich aneinander, um ihr Leben zu komplettieren, in dem doch manches gefehlt hatte.

      Sie schlief unruhig, hatte wilde Träume und dann plötzlich die Vision, daß sie herumirrte und Simon suchte, ihn aber nicht finden konnte.

      Sie erwachte. Es war schon heller Morgen. Sehr nachdenklich stand sie auf, ging ans Fenster und öffnete es weit. Kalte Luft strömte herein, machte ihren Kopf freier.

      Ich werde mich doch nicht durch Träume beeinflussen lassen, ging es ihr durch den Sinn. Ich werde jetzt alles in Ordnung bringen, was mir noch zu schaffen macht.

      Sie kleidete sich sorgfältig an, nachdem sie lange in ihrem Schrank gesucht hatte, was ihr wohl die meiste Selbstsicherheit verleihen konnte. Früher hatte sie das nur spontan entschieden, nach Lust und Laune.

      Sie hatte wenigstens noch rechtzeitig daran gedacht, daß sie einen Termin bei Dr. Leitner hatte. In der Hektik der letzten Tage hatte sie Professor Leine und Dr. Leitner wegen der Namensähnlichkeit durcheinandergebracht, aber jetzt hatte sie ihre fünf Sinne wieder

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