Familie Dr. Norden Staffel 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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»Ja, mir geht es gut. Du siehst ja, daß ich mich auch um eine andere junge Mutter kümmern konnte. Und ich habe die Neugeborenen gesehen und gehört. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, daß ich auch solch ein kleines Wesen im Arm halten kann, und wenn du immer noch dagegen bist, werde ich es allein aufziehen.«
»Und mich abschreiben?«
»Das werde ich niemals. Du wirst immer der Vater meines Kindes bleiben, ein Vater mit einer etwas eigenartigen Einstellung, aber eben der einzige Mann, den ich liebe und von dem ich mir ein Kind gewünscht habe.«
Sie merkte, wie er schneller atmete. »Könntest du jetzt bitte mal von unserem Sohn sprechen, Mary Ann?«
Sie sah ihn fassungslos an. »Du willst das?« flüsterte sie.
Er streckte seine Hand nach ihr aus und ergriff ihre, und sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter.
»Hast du mich etwa insgeheim schon zu einem Rabenvater gestempelt?« fragte er leise, und sie spürte, wie bewegt er war.
»Ich wußte doch nur nicht, was ich tun oder denken sollte. Du hast nie Kompromisse geschlossen.«
»Das ist mir neu, aber halten wir uns nicht mit solchen Nebensächlichkeiten auf. Wir sollten jetzt schnellstens heiraten. Ich will nicht riskieren, daß ich keine Rechte an unserem Kind habe. Ich möchte jetzt ganz schnell wieder fit werden, um auch zu sehen, wie unser Baby wächst.«
Seine Stimme war so voller Zärtlichkeit, daß Mary Ann die Augen feucht wurden und sie ihn mit der gleichen Zärtlichkeit küßte.
*
Seine Genesung machte jetzt wirklich sehr schnelle Fortschritte. Eine Woche später konnte ihn Mary Ann zur Insel der Hoffnung bringen, und sie wollte die ganze Zeit dort mit ihm verbringen.
Dr. Norden meinte auch, daß sie es brauchen könne nach all den Aufregungen und Belastungen.
Sie war dort ja auch unter ärztlicher Aufsicht, und Simon brauchte sich um sie keine Gedanken zu machen.
Ein Ultraschallgerät gab es auch auf der Insel, und so konnte er dort auch sehen, welche Fortschritte sein Sohn machte.
Mary Ann ertappte ihn öfter, daß er von ›seinem‹ Sohn sprach und erinnerte ihn dann, ›unser‹ Sohn zu sagen.
Simon mußte zwar eine Brille tragen, aber seine Sehkraft hatte sich schon weitgehend gebessert. Wenn sie wieder in München waren, würde er auch weiterhin behandelt werden und besondere Linsen bekommen.
Inzwischen hatte Simon Erkundigungen über Marit Söderholm eingezogen, und Mary Ann wunderte sich schon gar nicht mehr, daß er wieder einmal recht behielt, denn der Brief war tatsächlich von einer Freundin ihrer Mutter geschrieben worden, die ein Schreiben aus Amerika an die bereits verstorbene Mutter von Mary Ann abgefangen hatte und wohl dachte, so zu Geld zu kommen, da sie wußte, daß Mutter und Tochter sich fremd waren.
»Du bist verflixt schlau, Simon«, stellte Mary Ann fest.
»Nur nicht so gutgläubig wie du, mein Liebling.«
Aber von Carola Gassmann wurde Mary Ann nicht enttäuscht. Sie war unendlich dankbar für das, was sie an Hilfe erfahren hatte, und Mary Ann hatte für den kleinen Jürgen ein Konto eingerichtet, damit Carola nicht zu abhängig von ihrer Mutter war, bis sie selbst wieder berufstätig sein konnte. Auch dabei wollten sie ihr helfen.
Ihre Hochzeit feierten Simon und Mary Ann auf der Insel der Hoffnung, und da die Sommerferien gerade begannen, konnte die ganze Familie Norden anwesend sein. Das war mal ein Fest, wie es die Insel noch nicht erlebt hatte, und für das Ehepaar Karsten sollte es unvergeßlich bleiben.
Die, die die Leidenszeit miterlebt hatten, konnten sich freuen, und auch darüber, daß Mary Ann einen beträchtlichen Betrag für die Insel stiftete. Sie wußte, daß dieses Geld Segen bringen würde.
Übertroffen werden konnte dieses Fest nur von der Geburt des kleinen Simon Johannes, der für seinen Vater der aufregendste Tag seines Lebens war, obgleich er sich gar nicht hatte aufregen müssen, so eilig hatte es der kräftige Junge mit dem fast schwarzen Haarschopf, der sich lauthals ins Leben schrie.
Simon liefen Tränen über die Wangen, so gerührt und glücklich war er und konnte Mary Ann nicht oft genug sagen, wie sehr er sie liebe.
»Ich bin glücklich«, flüsterte sie, »so unendlich glücklich.« Sie hielten die kleinen Händchen ihres Sohnes und sahen sich mit leuchtenden Augen an.
Nicola Brandon warf einen Blick auf die Uhr. Es war zehn Minuten nach acht. Erst um zehn Uhr hatte sie einen Termin bei Dr. Martin Sassen, dem Anwalt ihres verstorbenen Mannes. Sie seufzte und setzte sich an den Schreibtisch ihres Hotelzimmers, der direkt am Fenster stand.
Gestern abend war sie mit ihrer Tochter Sarah am Münchener Flughafen gelandet und hatte sich von einem Taxi direkt ins City Hilton bringen lassen. Es war kein erfreuliches Ereignis, das sie in die bayerische Metropole führte.
Ihr Blick verlor sich in dem wolkenverhangenen Himmel. Ihre Gedanken wanderten zurück in die Zeit, in der ihr Leben noch vollkommen gewesen war.
Nicola Brandon war eine junge, lebenslustige Amerikanerin gewesen, als sie vor fünfundzwanzig Jahren den Deutschen David kennengelernt hatte. Sie studierte gerade Architektur an der Universität von Seattle, als sie eines Tages mit ihren Eltern auf eine Party eingeladen wurde, an der viel Prominenz teilnahm. Erst später am Abend fiel ihr ein attraktiver Mann auf, der etwas abseits stand und sie unablässig beobachtete.
Nicola fühlte sich geschmeichelt, und als er sie auf einen Drink einlud, lehnte sie nicht ab. Es war der Beginn einer wunderbaren Liebesbeziehung, und die Tatsache, daß David vierzehn Jahre älter war als Nicola, betrachtete sie als besondere Herausforderung. Sie brach ihr Studium ab, als die gemeinsame Tochter Sarah geboren wurde. David war viel unterwegs, da seine Modefirma ihren Hauptsitz in München hatte, und beide genossen die wenige Zeit, die sie gemeinsam hatten, in vollen Zügen. Die Modebranche lief hervorragend zu dieser Zeit und Nicola lebte ein angenehmes Leben, das geprägt war von Partys und langen Reisen. Sie besaßen ein schönes, großes Haus mit Köchin, Putzfrau und Kindermädchen und Sarah besuchte die besten Privatschulen der Gegend. Ihr gemeinsames Glück währte viele Jahre, doch es sollte ein jähes Ende finden.
Nicola stiegen die Tränen in die Augen, als sie David in seinen letzten Monaten vor sich sah.
Das Unglück begann damit, daß er sich plötzlich an Kleinigkeiten nicht mehr erinnern konnte. Er vergaß, wo er seine Brille hingelegt hatte und übersah einen wichtigen Geschäftstermin, obwohl ihn seine Sekretärin kurz zuvor daran erinnert hatte. Nicola war überzeugt, daß David zuviel arbeitete und überredete ihn zu einem Erholungsurlaub. Es wurde die letzte glückliche Zeit, die sie miteinander haben sollten. Nach jenen zwei Wochen verschlechterte sich sein Zustand rapide, und die Ärzte stellten einen Gehirntumor fest, der sofort operiert wurde. Selbst zu diesem Zeitpunkt war Nicola noch vorsichtig optimistisch. Sie wollte der Wahrheit nicht ins Auge sehen. Zuerst schien es auch, als sei die Operation erfolgreich gewesen, doch der Eindruck täuschte. Schon nach kurzer Zeit hatte David wieder große Gedächtnislücken, und es wurde festgestellt, daß der Tumor nicht ganz entfernt und erneut gewachsen war. Kurz nach dieser schrecklichen Diagnose