Heimatkinder Staffel 2 – Heimatroman. Kathrin Singer
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Als er wenig später das Mädchen den Klinik-Ärzten übergeben hatte, wartete Ulrich voller Ungeduld auf das Ergebnis der Untersuchungen. Ruhelos lief er im blankgewienerten Korridor auf und ab.
Endlich kam der Oberarzt mit wehendem Kittel auf ihn zu. »Sie sind der Vater?«
Ulrich zuckte merklich zusammen. »Sehe ich so alt aus?«
»Entschuldigen Sie, also, das Fräulein Braut …«
»Ich habe Fräulein Thiele ganz zufällig in der Heide gefunden.«
»Dann wollen wir dem Zufall dankbar sein, denn eine Viertelstunde, würde ich sagen, und es wäre zu spät gewesen.«
»Angelika ist also außer Lebensgefahr?«
»Ja.«
»Gott sei Dank!« Ulrich atmete auf. »Und der Fuß, ist er gebrochen?«
»Nein. Vorsichtshalber wollen wir die Patientin einige Tage unter Aufsicht behalten, aber falls keine Komplikationen eintreten, wird sie bald wieder völlig fit sein.« Der Oberarzt lächelte zuversichtlich, verabschiedete sich und enteilte.
Ulrich verließ die Klinik, um die Tante des Mädchens von dem Vorfall in Kenntnis zu setzen. Er war sehr nachdenklich geworden. Merkwürdig, dass er gerade noch rechtzeitig gekommen war, um das Leben dieses jungen Menschenkindes zu retten. Sehr merkwürdig …
*
Ruhelos lief Bettina durch das Forsthaus, das ihr leer und verlassen vorkam.
Seit Tagen hatte sie nichts von Ulrich und dem Jungen gehört. Hatte sie es sich nicht so gewünscht? War sie Ulrich nicht absichtlich aus dem Weg gegangen? Und nun? Warum pochte ihr Herz so bang, fast sehnsüchtig? Sehnsüchtig? Unsinn! Nur ihr Großvater sehnte sich, das war unverkennbar, und zwar nach dem kleinen Tobias. Auch ihr selbst fehlte wohl das Kind, dieser liebenswerte kleine Kerl. Was mochte inzwischen geschehen sein?
Bettinas einziger Trost war Prinz, der herrliche Schimmelhengst, mit dem sie innige Freundschaft geschlossen hatte. Jeden Tag ritt sie durch den Wald, und immer wieder musste sie daran denken, wie sie mit Ulrich auf dem Rücken dieses fantastischen Tieres durch den Mondschein geschwebt war, grenzenlos glücklich.
War alles nur Lug und Trug gewesen? Romantischer Zauber, um sie einzufangen?
Eines Tages sah Bettina vom Fenster aus, dass Ulrichs Wagen vor der Gartenpforte stoppte. Ihr Herz begann wild zu trommeln. Einen Augenblick lang fürchtete sie, ohnmächtig zu werden. Mit beiden Händen klammerte sie sich am Fensterriegel fest. Doch nicht nur Ulrich und der Junge stiegen aus dem Auto. Auch ein schwarzhaariges Mädchen schwang sich heraus. Ein Mädchen, das Bettina kannte. Sie wurde kreidebleich. Mit zitternden Knien lief sie ins Wohnzimmer. Ihr Großvater saß auf der Couch und las die Zeitung.
»Opa, Ulrich kommt …«, begann sie keuchend.
Der pensionierte Forstmeister war augenblicklich wie elektrisiert. »Mit Tobias?«
Bettina nickte atemlos.
Das Gesicht ihres Großvaters begann zu leuchten. Er warf die Zeitung beiseite und wollte sich erheben. Bettina drückte ihn aufs Sofa zurück. »Warte noch einen Moment. Ulrich bringt ein Mädchen mit. Angelika. Ich habe zusammen mit ihr im Kinderheim gearbeitet.«
»Ja – und?«
»Begreifst du denn nicht? Ich habe dir doch erzählt, wie er mich ausgewählt hat. Ausgelost – unter all den Mädchen, die in letzter Zeit als Helferinnen im Heim tätig waren. Jetzt hat er Angelina Thiele kennengelernt. Du glaubst doch nicht an einen Zufall? Jetzt hat er zum zweiten Mal in die Tombola gegriffen!«
»Bettina, misch dich da nicht ein.«
»Wie …, ich soll mich nicht einmischen? Er treibt mit Angelika Thiele dasselbe abgekartete Spiel wie mit mir? Und du sagst, ich soll mich nicht einmischen?«
»Ich verbiete es dir!«
Bettina musterte ihren Großvater mit erstaunten Augen. »Es ist lange her, seit du mir etwas verboten hast.«
»Es geht dich nichts an, wie und auf welche Weise Ulrich Warner seine Bekanntschaften macht – oder bist du eifersüchtig?«
»Eifersüchtig?« Bettina lachte spitz. »Ich? Das soll wohl ein Witz sein?«
Sie hörte Geräusche im Flur. Die Tür wurde aufgestoßen. Tobias stürzte mit knallroten Bäckchen ins Zimmer. »Opa! Betti!« Der blonde Junge flog in die ausgebreiteten Arme des alten Försters. Ein einziger Blick genügte Bettina, um festzustellen, dass ihr Großvater überglücklich war. Sie grub die Zähne in die Unterlippe.
Ulrich und Angelika standen in der offenen Tür. Neben dem hochgewachsenen Mann wirkte die schwarzlockige Angelika Thiele noch zierlicher, als sie ohnehin schon war. Der Blick, mit dem sie zu Ulrich aufsah, sprach Bände. Bettina spürte, wie sich ihr Herz verkrampfte. Eifersüchtig? Das war doch undenkbar!
»Opa, Opa, Tante Geli ist von einer Kreuzotter gebissen worden!«, sprudelte der Junge hervor.
»Nanu? Dafür ist die junge Dame aber noch recht munter! – Nur hereinspaziert, Herrschaften!«
»Ach, Opa, das ist doch schon ein paar Tage her, und im Krankenhaus haben sie ihr gleich eine Spritze gegeben. Das war vielleicht ein Ding!«
Nach der Begrüßung, bei der es Bettina vermied, Ulrich in die Augen zu sehen, meinte der Forstmeister: »Betti, möchtest du uns einen schönen Kaffee kochen?«
Angelika erhob sich sofort. »Ich helfe dir, Betti.«
Als sie in der Küche allein waren, schloss Bettina die Tür, setzte Wasser auf und fragte: »Wie war das denn nun mit der Kreuzotter? Aus Tobias’ krausen Erzählungen bin ich nicht recht schlau geworden.«
»Ach, Betti, es war wie ein Wunder. Ich bin barfuß durch die Heide gelaufen, drüben am kleinen Liebesgrund, weißt du, und plötzlich war es schon passiert. Die Kreuzotter! Ich sah sie grade noch verschwinden! Vor Entsetzen begann ich zu rennen, trat in ein Loch, und der Fuß knickte um! Es tat höllisch weh, das kann ich dir sagen. Ich konnte einfach nicht weiter. Ich rief und brüllte, aber kein Mensch war in der Nähe. Ja, und dann tauchte Ulrich Warner auf, als ob der Himmel ihn mir geschickt hätte! Er war so lieb und nett zu mir, später, meine ich, als ich im Krankenhaus lag. Jeden Tag hat er mich besucht und mir was mitgebracht. Toll!«
Bettina schaufelte Kaffee in die Filtertüte.
»He – nicht so viel!«, mahnte Angelika lachend. »Willst du uns vergiften?«
»Sag mal, hat Herr Warner dir einen Heiratsantrag gemacht, Geli?«
»Wie bitte?« Angelikas Augen wurden immer größer. »Aber Betti, wie kommst du denn darauf?«
»Weil er sich so lieb und nett um dich gekümmert hat. Ich dachte …«
»Nein, nein, da denkst du völlig falsch! Meine Güte, er ist ein großes Tier! Er hat mich überhaupt nicht auf der Rechnung – nicht als Frau, du verstehst schon.«
»Warum nicht? Es hat schon so mancher Prinz sein Aschenputtel heimgeführt.«