Heimatkinder Staffel 2 – Heimatroman. Kathrin Singer

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Heimatkinder Staffel 2 – Heimatroman - Kathrin Singer Heimatkinder Staffel

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wehrte Eugen von Herwig hastig ab. »Wir müssen uns jetzt um das Kind kümmern.« Er zeigte zu Herma Langen, die mit der Tragetasche schon auf der Schwelle des Wohnhauses stand.

      »Wir müssen uns jetzt um das Kind kümmern?«, fragte Imma verständnislos. »Du tust ja, als sollte es bei uns bleiben.«

      »Soll es auch.« Eugen von Herwig trat auf den alten Karl zu und reichte ihm die Hand. »Ja, ich habe ein Kind mitgebracht. Ihr werdet es nicht fassen können, was ich heute erlebt habe.«

      »Er hat ein Kind mitgebracht«, sagte Karl kopfschüttelnd. »Das hat doch wohl die Welt noch nicht gehört, dass ein Mann in seinen Jahren noch solche Dummheiten macht!«

      Er sah Herma Langen an, als könne sie ihm erklären, was er nicht zu begreifen vermochte. »Und jetzt soll unsere Imma ihre Halbschwester oder ihren Halbbruder aufziehen. So verrückt kann auch nur …«

      Eugen von Herwig unterbrach ihn: »Was redest du für dummes Zeug, Karl?«

      »Ist das dummes Zeug, wenn Sie mit der Sünde Ihrer alten Tage hier ankommen? Sie melden sich wochenlang nicht, aber in der Not erinnern Sie sich daran, wo Ihre Tochter lebt!«

      Der alte Karl war nicht zu bremsen. »Ich habe nichts gegen das Kind, ich wundere mich nur, dass Sie es uns nicht noch mit der Post geschickt haben, Herr von Herwig!«

      Imma zupfte Karl aufgeregt am Ärmel. »Sei doch endlich still, Karl. Ich glaube, das ist alles ganz anders, als du denkst.«

      »Es ist tatsächlich anders«, mischte sich Herma Langen ein und verbiss sich mühsam ein Lachen.

      Im Stillen freute sie sich darüber, dass der alte Karl Eugen von Herwig etwas in Verlegenheit gebracht hatte. Sie zeigte auf die Kleine. »Gehen wir endlich ins Haus. Das arme Kind muss ausgepackt werden. Wer weiß, wie viele Stunden es jetzt schon in der Tragetasche liegt. Und ich durfte es nicht pflegen. Das ließ Ihr Vater nicht zu, Imma. Er wollte seinen Schützling unbedingt zu Ihnen bringen.«

      »Das kann ich mir denken«, sagte Karl bissig. Er stapfte auch mit in die Wohnstube, um nur ja nichts zu verpassen.

      Herma Langen stellte die Tragetasche auf den Tisch und hob das Kind heraus. »Natürlich ist es nass.«

      »Natürlich«, wiederholte Karl und sah Eugen von Herwig vorwurfsvoll an. »Was verstehen Sie auch von so einem kleinen Kind? Wie kann man nur ein Kind in so eine Tasche stecken! Das kann nur Ihnen einfallen. Als unsere Imma klein war, hatte sie einen Kinderwagen.«

      »Nun gib aber Ruhe, Karl«, gebot Imma sehr entschieden. »Vater kommt ja gar nicht zu Wort.«

      »Das schadet nichts. Er hat es mit uns auch immer so gemacht. Heute muss er sich etwas von uns sagen lassen.«

      Plötzlich legte Eugen von Herwig den Arm um Karls Schultern. Das war noch nie passiert. Dementsprechend verblüfft war Karl auch. Und gleich darauf fragte er misstrauisch: »Jetzt brauchen Sie wohl Hilfe von mir, was?«

      »Ach, Karl.« Eugen von Herwig schmunzelte. »Du sollst dir nur endlich anhören, wie ich zu diesem Kind gekommen bin.«

      Herma Langen hatte das Kind auf den Tisch gelegt und zog ihm das Windelhöschen aus. Lachend drehte sie sich um. »Es gibt keinen Zweifel mehr, dass Ihr Schützling ein Mädchen ist, Herr von Herwig.«

      »Ich koche einen Grießbrei.« Imma lief zur Tür. »Und baden müssen wir das kleine Ding auch. Es ist ja im Gesicht ganz schmutzig.«

      »Weil es geweint hat.« Eugen von Herwig zuckte hilflos die Schultern. »Das konnte ich nicht verhindern.« Er eilte Imma nach und hielt sie fest. »Ich habe das kleine Mädchen aus dem Zug, Imma. Ein junger Mann hat es mir anvertraut.«

      Karl hustete. »Also, eine gescheitere Ausrede würde selbst mir einfallen.«

      »Aber es stimmt«, sagte Herma Langen und erzählte, was sie von Eugen von Herwig gehört hatte.

      Immas Gesicht begann vor Erregung zu glühen. Karl aber fragte Eugen von Herwig misstrauisch: »Kann das stimmen, dass gerade zu Ihnen jemand so viel Vertrauen hat? Sie sind doch stets abweisend.«

      »Der Vater des Kindes hatte eben so viel Vertrauen zu mir«, erwiderte Eugen von Herwig stolz. »Und deswegen gebe ich die Kleine auch nicht mehr her.« Er sah Imma an. »Ich habe schon mit der Polizei um das Mädchen gekämpft.« Darf ich nun bei dir im Birkenhof bleiben? Ich meine mit dem Kind?«

      Imma umarmte ihren Vater. »Ja, Vater, du darfst. Alles darfst du, wenn du mich nur jetzt endlich das Kind baden und füttern lässt.«

      Imma sah Karl an und rief: »Komm, hol die kleine Wanne und dann heißes Wasser!«

      »Das werde ich erledigen«, sagte ihr Vater und ging hinaus.

      Karl blickte ihm nach und fragte dann Herma Langen: »Verstehen Sie das? Er geht in die Küche. Nein, er ist sich nicht zu gut dazu, heißes Wasser zu holen, der Herr Gutsbesitzer! Was man auf seine alten Tage noch alles erlebt!«

      Herma Langen lachte. »Du meine Güte – Karl, so aufrührerisch habe ich Sie noch nie erlebt. Haben Sie noch immer nicht begriffen, dass Sie Herrn von Herwig unrecht tun?«

      »Ich bin ja schon still, aber er brauchte mir meine Arbeit nicht wegzunehmen. Imma hatte gesagt, ich soll die Wanne und das heiße Wasser holen«, brummte Karl beleidigt.

      Herma Langen hatte das kleine Mädchen auf den Arm genommen und drückte es an sich. Als Eugen von Herwig in die Wohnstube zurückkam, griff sie gerade in die Tragetasche und zog eine Decke heraus, um das Kind erst einmal einzuwickeln.

      »Da ist etwas herausgefallen«, sagte Karl und bückte sich nach einem Zettel. Er reichte ihn Imma.

      Sie glättete das Papier, dann stieß sie einen unterdrückten Schrei aus. »Da steht etwas. Mein Gott, das Kind wurde wirklich ausgesetzt.« Sie las vor: »Ich heiße Katrin, bin ein halbes Jahr alt und habe keine Mutti mehr. Mein Vati kann sich nicht um mich kümmern. Habt mich lieb.«

      Eugen von Herwig sank auf einen Stuhl. Erst jetzt wurde ihm ganz bewusst, was geschehen war.

      »Dieser Mann machte einen so guten Eindruck«, sagte er leise und strich sich über die Stirn.

      »Wie alt war er?«, fragte Herma Langen.

      »Schwer zu schätzen. Um die dreißig Jahre vielleicht.«

      »Und wenn er gar nicht der Vater war?«, murmelte Imma.

      Herma Langen verabschiedete sich.

      »Ich werde der Polizei melden, was auf dem Zettel steht, Herr von Herwig. Das nehme ich Ihnen gern ab. Ich glaube, Sie müssen jetzt etwas zur Ruhe kommen.«

      Eugen von Herwig sah sie dankbar an. »Ja, bitte, tun Sie das für mich. Aber sagen Sie immer dazu, dass ich das Kind behalten will. Jetzt würde man es doch nur in ein Waisenhaus stecken.«

      »Oder in ein Kinderheim der Fürsorge«, meinte Karl. »Dort hätte es seine Pflege …«

      »Hier wird es ihm auch an nichts fehlen!«, erwiderte Eugen von Herwig ein wenig ärgerlich.

      »Ganz sicher nicht, Herr von Herwig. Imma und ich verstehen uns auf Kinder.

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