Dr. Norden Staffel 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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»Glauben Sie ja nicht, dass Sie deshalb die Rosinenschnecken billiger bekommen.« Sie zwinkerte ihm zu und packte fünf statt der üblichen vier Gebäckstücke in eine Papiertüte, als Tatjana durch den Vorhang trat, der die kleine Küche von der Bäckerei trennte.
Seit einem Unfall vor ein paar Jahren war die junge Frau blind. Mit beispiellosem Mut hatte sie ihr schweres Schicksal gemeistert. Sie studierte und bediente trotz ihrer Behinderung nebenbei im Café Bärwald. Mit ihren feinen Antennen und ihrer burschikosen, unerschrockenen Art hatte sie Danny in ihren Bann gezogen, als sie nach einem Sturz zu ihm in die Praxis gekommen war.
»Sie können mir nichts vormachen.« Tatjanas kecker Blick ruhte auf ihrer Chefin. »Dank Danny kann ich seit der Operation zumindest Umrisse erkennen. Aber ich hätte auch so gewusst, dass Sie ihm Mengenrabatt gegeben haben«, sagte sie Frau Bärwald auf den Kopf zu.
Die Bäckermeisterin errötete zart und lächelte.
»Sei nicht so streng mit einer alten Frau.« Sie reichte Danny die Tüte über den Tresen. »Immerhin bekomme ich nicht mehr halb so viele Komplimente wie du.«
»Na schön. Dann will ich mal nicht so sein«, lenkte Tatjana gut gelaunt ein. Es machte ihr nichts aus, dass sie von den Gästen des Cafés neugierig beobachtet wurde und ging auf Danny zu. »Hallo, Onkel Doktor«, neckte sie ihn zärtlich.
Ein besonderes Leuchten lag auf ihrem Gesicht, als sie die Hand mit den langen schlanken Fingern auf seine Wange legte und ihn aus durchdringend blauen Augen ansah, als könnte sie ihn wirklich klar und deutlich erkennen.
Wie jedes Mal ging Danny diese besondere Geste durch und durch. Sein Magen begann zu kribbeln, und er wünschte sich, dieser Augenblick würde niemals enden. Doch die Zeit drängte. Wenn er nicht zu spät in die Praxis kommen wollte, musste er sich beeilen. So beugte er sich vor und küsste Tatjana sanft auf die Lippen.
Sie spürte seine innere Unruhe.
»Du hast keine Zeit«, sagte sie ihm auf den Kopf zu. »Außerdem bist du aufgeregt. Liegt es daran, dass du heute zum ersten Mal mit deinem Vater in der Praxis arbeitest?« Durch die Behinderung waren Tatjanas übrigen Sinne geschult. Mit ihrer Sensibilität hatte sie Danny schon mehr als einmal überrascht und erstaunte ihn auch an diesem Morgen wieder.
»Dad fährt zuerst noch in die Klinik. Einer von Jennys Rettungsfahrern hatte einen Unfall, und er will nach dem Rechten sehen und ihr nach Möglichkeit zur Seite stehen.«
»Dein Vater ist so ein guter Mensch.« Tiefe Bewunderung lag in Tatjanas Stimme. Sie wandte den Kopf in Richtung des Tisches, an dem ein Mann saß, der nach ihr gerufen hatte, um sein Frühstück zu bezahlen und gab ihm ein Zeichen, ehe sie fortfuhr. »Immer ist er für andere da. Ihm ist keine Mühe zu groß.« Rasch beugte sie sich vor und küsste Danny wieder. »Du kannst stolz darauf sein, dass du mit ihm arbeiten darfst. Und keine Angst, er wird dir ein toller Lehrer sein.«
Danny teilte ihre Meinung.
»Muss ich eifersüchtig sein?«, erkundigte er sich scherzhaft und sah Tatjana nach, wie sie trotz ihrer Sehbehinderung mit sicheren Schritten an den Tischen vorbei in Richtung des Gastes ging, der schon sein Portemonnaie gezückt hatte.
Auf halbem Weg blieb sie stehen und drehte sich noch einmal nach Danny um.
»Es wäre ein Fehler, dir meiner zu sicher zu sein!«, mahnte sie ihn mit erhobenem Zeigefinger.
Dabei lächelte sie unwiderstehlich und entließ den jungen Arzt mit einer vagen Sorge im Herzen und dem Vorsatz, Tatjana so schnell wie möglich wiederzusehen, um ihr nur ja keine Gelegenheit zu geben, ihn zu vergessen.
*
Wie jeden Morgen war Annemarie Wendel, von allen nur liebevoll Wendy genannt, zeitig in der Praxis. Sie liebte diese Stunde der Ruhe vor dem unweigerlichen Sturm. Es gab immer etwas zu tun. So nutzte sie die Gelegenheit, um Blumen zu gießen, gründlich zu lüften, die Zeitschriften im Wartezimmer zu sortieren, frische Wasserflaschen und Gläser für die Patienten bereitzustellen und Kaffee zu kochen.
Der aromatische Duft zog durch die Praxisräume, als sie hörte, wie sich jemand räusperte.
Es war ein herrlicher Morgen, und sie hatte die Tür zur Praxis weit offen stehen lassen, um die klare, noch kühle Luft hereinzulassen. Ein wenig ungehalten über den zu frühen Gast kam sie an den Tresen.
»Einen wunderschönen guten Morgen«, begrüßte sie der Mann im fortgeschrittenen Alter, der dort stand und sie interessiert musterte.
»Danke gleichfalls«, erwiderte Wendy den Gruß und wollte ihn eben darauf aufmerksam machen, dass die Praxis noch nicht geöffnet war, als er schon weitersprach.
»Ach, mein Morgen ist leider nicht besonders«, erklärte der Patient und setzte eine Leidensmiene auf. »Seit meiner letzten Erkältung habe ich ständig Schmerzen. Mal mehr, mal weniger. Aber weh tut es eigentlich immer«, seufzte er. »Diese Beschwerden habe ich jetzt schon zum dritten Mal in diesem Jahr. Bisher bin ich sie jedes Mal mit Nasenspray und Dampfbädern losgeworden. Aber diesmal schlägt meine Therapie einfach nicht an.« Er legte die Hand an die Stirn und schloss gequält die Augen.
Schon immer hatte Wendy ein weiches Herz gehabt, weshalb sie bei den Patienten der Praxis Dr. Norden außerordentlich beliebt war. Und auch diesmal blieb es nicht stumm.
»Das tut mir wirklich sehr leid«, bedauerte sie den Fremden aufrichtig und hatte schon vergessen, dass sie sich gestört gefühlt hatte. Sie musterte ihn heimlich, als sie um den Tresen herumging und den Computer einschaltete. Der Herr mochte ein paar Jahre älter sein als sie. Doch die grauen Schläfen und die Fältchen hinter der Brille standen ihm gut zu Gesicht. Außerdem wirkte er angenehm seriös in seinem anthrazitfarbenen Anzug. »Leider ist der Doktor noch nicht im Haus. Die Sprechstunde beginnt erst in einer halben Stunde.« Nachdem sie die Termine im Computer geprüft hatte, warf sie einen Blick auf die Karten der für den Vormittag angemeldeten Patienten, die sie schon herausgesucht hatte.
»Bitte schicken Sie mich nicht fort«, bat der Mann eindringlich und sah Wendy mit schmelzendem Blick an.
»Ich könnte Sie zwischen den ersten und zweiten Patienten schieben«, überlegte sie laut, während sie durch die Patientenkarte von Katharina Hasselt blätterte. Die junge Frau hatte sich den Zehennagel eingerissen und das Nagelbett hatte sich böse entzündet. Dr. Norden kümmerte sich intensiv darum, damit die Infektion nicht fortschritt. »Allerdings müssen Sie sich auf eine Wartezeit von einer guten Stunde einrichten.«
»In so charmanter Gesellschaft ist das doch ein Vergnügen.« Schlagartig verschwand das Leid aus dem attraktiven Gesicht des Mannes, und er blinzelte Dr. Nordens treuer Assistentin verschworen zu. Mit Genugtuung stellte er fest, dass sie errötete. »Aber ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Edgar von Platen.« Er reichte ihr die Hand.
»Ich heiße Wendy«, stammelte sie verlegen. Als sie ihre Hand in die seine legte, zog er sie überraschend an seine Lippen und hauchte einen zarten Kuss auf ihren Handrücken.
»Wendy?«, wiederholte Edgar von Platen versonnen. »Was für ein gewöhnlicher Name für eine so besondere Frau.« Missbilligend schüttelte er den Kopf. »Wie heißen Sie wirklich?«
Augenblicklich schlug Wendys Herz schneller.
Seit ihrer unglücklichen Ehe und Scheidung war sie zufriedener Single und genoss ihre Freiheit, ihr Leben in vollen Zügen. Der turbulente, quirlige