Karin Bucha Staffel 6 – Liebesroman. Karin Bucha
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Lächelnd nickt sie zu ihm auf und macht es sich bequem. Martens eilt die Treppe empor und sucht seine Zimmer auf. Im Handumdrehen ist er umgezogen. Er trägt einen hellen Sommeranzug und sieht darin noch vornehmer und stattlicher aus als gewöhnlich.
Ihr Herz schlägt rascher, als er zurückkommt.
»Noch einen Augenblick. Ich will nur meiner Haushälterin Bescheid sagen.«
Sie nickt gnädig.
Es ist nichts Seltenes, daß er Babette in der Küche überfällt.
»Ich habe Besuch mitgebracht.«
»Weiß ich bereits, Herr Professor«, sagt sie kurz angebunden. »In wenigen Minuten ist die Platte fertig.«
Er hat schon die Türklinke in der Hand, als sie ihn fragt:
»Und Ihre Nichte?«
»Ich werde sofort nach ihr sehen«, erwidert er und verschwindet. Er fürchtet weitere Fragen, denen er gern aus dem Wege gehen möchte.
Er geht zögernd vorwärts. Die Füße sind ihm schwer wie Blei. Er weiß, daß Babette Amelie die Zimmer seiner Schwester zugewiesen hat. Zaghaft klopft er an.
Ein ermunterndes »Herein« läßt ihn eintreten. Amelie ist bereits angezogen. Sie trägt ein duftiges Sommerkleid in zarten Farben mit einem weitschwingenden Rock. Das dunkle, fast blauschwarze Haar ringelt sich in Locken über der Stirn.
Sie hat Babette erwartet. Als sie ihren Onkel erkennt, ist es, als würde ein Schleier über ihr Gesicht gezogen.
»Du bist es?« sagt sie nicht gerade erfreut.
»Ich wollte mich nur erkundigen, wie es dir geht.«
»Danke, gut«, erwidert sie, seine Verlegenheit ignorierend.
»Würde es dir etwas ausmachen, mit herunterzukommen? Ich habe eine Bekannte mitgebracht. Eine ehemalige Patientin. Sie möchte dich kennenlernen.«
»Kann ich nicht lieber hierbleiben?« Amelie spürt nicht die geringste Lust, jetzt fremde Menschen zu sehen.
»Bitte, komm«, das klingt scharf; und ergeben geht sie mit ihm. Sie weiß jetzt schon, daß sie schwer gegen seinen Willen ankommt.
Manila Rietberg und Amelie stehen sich gegenüber. Sofort spürt Amelie das Unechte im Wesen der Frau, die ihr mit überströmender Herzlichkeit entgegenkommt und ihr die Hand drückt.
»Matthias hat mir von Ihrem schweren Unfall erzählt. Es tut mir schrecklich leid. Aber nun ist ja alles überstanden.«
Martens ist bei Nennung seines Vornamens zusammengezuckt. Das hat sie noch nie getan. Was will sie damit zum Ausdruck bringen? So sehr sind sie doch gar nicht befreundet?
Aber vor Amelie kann er sie schlecht zurechtweisen, was er jedoch am liebsten tun würde.
Manila hat es einen richtigen Schock versetzt, als sie Amelies Schönheit bemerkt. Alle Frauen, die schöner sind als sie, kann sie nicht leiden. Und Amelie ist von seltener Schönheit, das muß sie zugeben. Sie überbrückt ihr Erschrecken mit besonderer Herzlichkeit. Das Schauspielern liegt ihr ja im Blut.
Amelie ist zurückhaltend und schweigsam. Auch dem Essen, das Babette mit einem schiefen Blick auf die Schauspielerin serviert hat, spricht sie wenig zu.
Meist hält sie die Augen gesenkt. Immer wieder zieht Manila sie in ein Gespräch, doch Amelie gibt nur kurze, nichtssagende Antworten.
Es war eine große Dummheit von mir, gleich am ersten Tag Besuch ins Haus zu bringen – überlegt Martens. Ihm ist Amelies ins Auge fallende Blässe nicht entgangen.
Er ist nervös und geistesabwesend. Über ein Ja und Nein kommt auch er nicht hinaus, obwohl Manila all ihren Charme spielen läßt.
Schließlich verabschiedet sie sich verdrießlich. Martens bringt sie zu ihrem Wagen. Während sie sich hinter das Steuer setzt, sagt sie:
»Ein guter Gesellschafter sind Sie gerade nicht.«
»Das war ich nie und werde es auch nicht werden«, gibt er ehrlich zu. Sie verzieht den Mund, legt den Gang ein und läßt den Wagen den Hang hinunterrollen.
Achselzuckend kehrt der Professor ins Haus zurück. Warum hat sie sich ihm aufgedrängt? Merkt sie denn gar nicht, daß er keinerlei Interesse an ihr hat?
Er findet Amelie dabei, wie sie Babette den Tisch abräumen hilft.
»Sagte ich dir nicht schon, daß du noch schonungsbedürftig bist?« Aller Groll, den er gegen Manila empfindet, liegt ungerechterweise in seinen Worten.
Amelie legt den Kopf in den Nacken. »Ich fühle mich durchaus nicht mehr krank und möchte auch nicht als Kranke behandelt werden.«
»Das überlaß lieber mir«, entgegnet er ärgerlich. »Darin habe ich mehr Erfahrung.«
»Du vergißt, daß auch ich Ärztin bin«, fällt sie ihm schroff in die Rede.
Er lächelt spöttisch, was Amelie die Zornesröte ins Gesicht treibt.
»Solange du in meinem Hause bist, trage ich die volle Verantwortung für dich. Ist dir das klar?«
»Ich bin alt genug, um die Verantwortung für mich allein zu tragen.«
Babettes Hände zittern, als sie das Tablett aufnimmt. Sie ist Zeuge dieses Wortgefechtes geworden. Falsch, alles falsch, denkt sie. Der Professor stößt das Kind nur vor den Kopf. Aber sie freut sich, daß Amelie ihm keine Antwort schuldig geblieben ist.
Das kann ein schönes Zusammenleben werden, denkt sie noch, dann geht sie in die Küche.
*
Wochen sind vergangen. Amelie bekommt ihren Onkel kaum zu sehen, und sie hat auch kein Verlangen danach. Mit Babette verbindet sie ein herzliches Verhältnis. Oft, wenn sie bereits im Bett liegt, kommt Babette zu ihr und dann muß Amelie von sich und ihrer Mutter erzählen.
Mit Begeisterung schildert Amelie ihr bisheriges Leben, ihr Studium, ihre Arbeit.
Es sind für sie die schönsten Stunden, die sie mit Babette im trauten Zwiegespräch verbringt.
An einem der folgenden Tage ruft Babette sie ans Telefon.
»Hallo, Frau Kollegin«, hört sie eine Stimme, »hier ist Berthold. Ihr Kerkermeister ist doch für drei Tage zu einem Ärztekongreß gefahren. Darf ich Sie mit einigen Freunden besuchen? Ich habe meinen freien Tag.«
»Sehr gern«, antwortet Amelie hocherfreut. »Wann sind Sie hier?«
»In einer Stunde. Erst muß ich die anderen zusammentrommeln. Mein Wagen schafft die Strecke in zehn Minuten.«
Sie lacht und mahnt: »Fahren Sie aber nicht gegen einen Baum.«
»Keine Angst«, kommt es siegesbewußt