Wilderer und Jäger Staffel 1. Anne Altenried
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Plötzlich aber ging es ihm durch den Sinn, daß es jetzt noch schöner sein könnte, würde ein Partner diesen Augenblick stillen Schauens und Bewunderns mit ihm teilen. Unwillkürlich seufzte er auf und wollte sich erheben, als sein Blick durch etwas Ungewöhnliches festgehalten wurde.
Mitten in der Bewegung erstarrte Lukas. Er sah nach rechts in die Tiefe und kniff die Augen etwas zusammen. Dann nahm er sein Fernglas zu Hilfe, um gleich darauf erschrocken hervorzustoßen: »Gütiger Himmel, da liegt ja jemand!«
Tatsächlich brachte ihm das Fernglas nun klar und deutlich eine Gestalt näher. Diese lag auf einem winzigen Plateau über einer düsteren, engen Schlucht und rührte sich nicht. Offensichtlich handelte es sich um ein männliches Wesen. Es war dunkel gekleidet, lag auf dem Bauch und hatte die Arme seitlich von sich gestreckt.
Lukas Kronseder hielt es nicht länger auf dem Gipfel. Er blickte sich suchend um und seufzte erneut, als er feststellte, daß es schwierig sein würde, zu jenem Plateau zu gelangen.
Würde es sinnvoll sein, ins Tal hinab Zeichen zu geben? Während Lukas noch überlegte, holten seine Hände schon die Leuchtraketen aus dem Rucksack, die er für einen Notfall eingepackt hatte. Minuten später zischte eine davon wie ein helles Signal in die Himmelsbläue. Gleich darauf folgte die nächste. Mehr als drei hatte Lukas nicht mitgenommen. Er starrte in die Täler ringsum, bis ihm die Augen zu brennen begannen. Nirgends entdeckte er einen Hinweis darauf, daß man sein Alarmzeichen bemerkt hatte.
Also blieb nichts anderes übrig, als schnellstens hinabzusteigen und Erste Hilfe zu leisten. Zum Abkürzen wählte Lukas eine gefährlich steile, glatte Felswand.
Wie eine Schlange mußte er sich manchmal an Felsvorsprüngen entlangwinden. Als seine Füße festen Halt oberhalb des winzigen Plateaus fanden, war er in Schweiß gebadet und keuchte.
Vorsichtig beugte er sich vor, nachdem er sich hingekniet hatte, und rief: »Hallo – sind Sie verletzt?«
Der Mann auf dem Plateau reagierte nicht. Er schien kaum älter als er, Lukas zu sein, hatte dunkles Haar und einen von der Sonne dunkelbraun gebrannten Nacken.
Lukas schlug seinen Pickel erneut in felsiges Gestein, sicherte sich und begann sich dann langsam abzuseilen. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, bis er neben dem Liegenden war. Behutsam tastete er über ihn hin und erschrak, als seine Finger dabei blutig wurden. Demnach mußte der Absturz vor kurzem erst passiert sein. Vielleicht hatte der Bursche beim Aufschlagen das Bewußtsein verloren.
Lukas bewegte ihn vorsichtig auf die Seite und sah die vor Grauen aufgerissenen Augen und deren leeren Blick.
»Heilige Mutter Gottes!« stieß er erschüttert hervor, während er sich bekreuzigte.
Dann glitt sein Blick spähend umher. War da jemand in der Nähe, der diesen tödlichen Unfall verschuldet hatte? Oder war dieser Bursch im gefährlichen Alleingang unterwegs gewesen – so wie er selber?
Es gab kein Gepäck. Der Tote war zünftig gekleidet, doch ohne Papiere. Merkwürdigerweise war sein Gesicht so schmutzig, als wäre es geschwärzt worden.
Darüber dachte Lukas jedoch nicht weiter nach. Er brachte den Toten mühsam auf den Felspfad seitlich des Plateaus und geriet dabei selber ein paarmal in allerhöchste Lebensgefahr. Doch er war kräftig und gut durchtrainiert.
Nun bastelte er aus rasch zusammengesuchten Hölzern, Zweigen und seinen Seilen eine provisorische Trage, die er dann hinter sich her zog.
Er kam auf diesem Rückweg nicht in sein Tal zurück, sondern in das östlich vom Rotspitz gelegene. Und als er eine Alm erreichte, wurde er sofort von blökenden Schafen umringt und mußte einen kläffend heranjagenden Hund abwehren. Schon eilte ein bärtiger Senn auf ihn zu. Dieser warf einen kurzen Blick auf den Toten und sagte: »Das ist der Söllner-Leo.«
Mit dem Namen wußte Lukas nichts anzufangen. Er stand noch so unter dem Eindruck des tragischen Geschehens, daß er sich auch nicht über die Gleichgültigkeit des Senns wunderte.
»Weißt, wo er daheim ist?« erkundigte er sich etwas barsch.
»Wer wüßt das net. Wer bist überhaupt?« gab der Senn verdrossen zurück.
»Lukas Kronseder, der Nachfolger vom Jager Joseph Lahner«, antwortete Lukas so sachlich wie möglich.
»Da schau her – du bist der neue Jager!« Der Senn musterte ihn und lächelte hintergründig. »Dann bist noch net lang in unserer Gegend«, stellte er mit hörbarer Verachtung fest.
»Gut einen Monat erst und net drauf aus, Tote einzusammeln, wie die hier anscheinend herumliegen.«
Der Senn reagierte nicht darauf. »Ich geb’s telefonisch weiter«, sagte er. »Derweil ich zum Nachbarn geh, solltest heimzu wandern. Die Söllner sind auf Fremde net gut zu sprechen.«
Lukas war zusammengezuckt, als hätte der Senn nach ihm geschlagen.
»Nix da«, widersprach er, »ich bleib hier, bis der Tote abgeholt wird und ich meinen Bericht dazu geben kann.«
Der Senn entfernte sich schweigend. Lukas jedoch geriet so ins Grübeln, daß er fast Kopfweh bekam.
Anita Söllner hatte sich mit dem Messer in den Zeigefinger geschnitten und ließ ihre Wut gleich an einem Unbeteiligten aus. Während sie an der blutenden Wunde lutschte, klagte sie laut: »Leo ist nie da, wenn man ihn dringend braucht, Vater. Mich versuchst wie eine Gefangene zu halten, indes du bei Leo mehr als nur zwei Augen zudrückst.«
Der Söllner-Bauer maß seine eifernde Tochter mit einem ärgerlichen Blick. Zwischen Manns- und Weiberleuten, so meinte er bei sich, gab es mächtige Unterschiede. Einer davon bestand darin, daß letztere brav Haus und Hof zu hüten hatten. Männer dagegen hatten mehr Freiheit. Sie vergaben sich nichts, wenn sie viel unterwegs waren, mal im Wirtshaus hockten oder sich sonst das eh so harte Leben ein bißchen verschönten.
»Hetz net schon wieder gegen deinen Bruder!« befahl er nun und sah sie mit Strenge an. »Mir wär lieber, du würdest dein Temperament zügeln oder nur dort einsetzen, wo’s notwendig erscheint.«
»Zum Beispiel?« fragte Anita, schmollend die Lippen verziehend.
»Hier im Haus, wo eure Mutter immer spürbarer fehlt!« antwortete er mit Donnerstimme.
»Das versuch ich ja, aber ohne jede Anerkennung von eurer Seite«, erwiderte Anita. Ihre schwarzen Augen, die zornig funkelten, blickten alles andere als in kindlicher Zuneigung auf den Vater.
»Leo ist vier Jahre älter als du«, erinnerte der Söllner.
»Aber seit gestern nachmittag net daheim und somit zur Zeit ganz gewiß net auf dem rechten Weg!« trumpfte sie auf.
»Wie soll ich das verstehen, Anita?«
»So, wie’s gesagt worden ist. Leo macht schon lang manche Nacht zum Tag. Doch ich könnt es beschwören, daß er sich dann net mit einem Madl trifft. Von den drei alten Flinten, die droben im Flur hängen, riecht eine zu oft nach Pulverdampf. Hin und wieder fehlt sie auch. Hast es noch nie bemerkt,