Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen. Charles Sealsfield
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Ihre Stimme war stärker geworden. Ihre bleichen, leblosen Züge hatten sich wieder gestaltet, im kindlich sanften Auge fing es wieder an, lebhafter zu sprechen; der alte Miko war aufmerksam geworden und hatte das letzte gehört. –
»Meine Tochter,« sprach er, und die Stimme stockte ihm, und der Schmerz drohte ihn zu ersticken, »der Miko muß zu den Weißen, meine Tochter wird im Wigwam der Cumanchees Trost finden.«
»Canondah würde Rosen im Traume erscheinen und klagend die kalte Tochter anblicken, der sie ihren Vater zum Vermächtnis übergeben; – sie muß dem Miko nun dienen; – sie wird sich vom Miko nimmermehr trennen.«
»So komm denn, meine edle, weiße Rose«, sprach der alte Mann, seine Arme ausbreitend und sie umschließend. Mehr vermochte er nicht zu sagen. Rührung hatte ihm die Sprache benommen. Der junge Mexikaner winkte nun den Mädchen, die kamen, um von ihrer neuen Gebieterin Abschied zu nehmen. – Noch einen Blick warfen alle auf ihre zerstörte Habe, ihre zurückgelassenen Lieben und dann trennten sie sich. Rosa, eine junge Indianerin, Tokeah und El Sol mit zwei Cumanchees und ebenso vielen Pawnees und Oconees wandten sich gegen Osten, die übrigen gegen Westen.
II.
Die weiße Rose.
Zwanzigstes Kapitel
Die Natur hat Louisiana mit einem sonderbaren Charakter bezeichnet. – Großartig und wieder gemein, herrlich und wieder abstoßend scheint sie in einer ihrer Launen dem Geschlechte einen riesigen Spielraum hingeworfen zu haben, gleichsam begierig, was die winzigen Kreaturen daraus schaffen würden.
Es steigt der Landstrich so düster und abschreckend aus der See und dem Strome heraus, der die gesamten Gewässer von tausend Flüssen und Bächen durch die endlose Niederung fortschwillt, als hätte die Natur dem Menschen in der Gestaltung eines der schönsten Länder der Erde auch einen Nachgeschmack vom Chaos in seiner ganzen abstoßenden Größe hinterlassen wollen; so widerlich tauchen die kaum merklichen Ufer und Gestade aus den unübersehbaren Strömungen auf und verschwinden wieder im Spiele der Wogen, die über das zwergartige Binsen- und Rohrgeflechte hinrollen, im ewigen Kampfe mit dem widerstrebenden Elemente. Ragte nicht hier und da ein Lager halb vermoderter Baumstämme, von der Strömung zusammengeschichtet, oder der Mast eines in der Lehmbank eingestauchten Schiffes empor, so dürfte man zweifeln, ob, was man sieht, wirklich Land sei, nachdem man bereits lange in die Mündungen des Mississippi eingefahren. Erst allmählich gestaltet sich das wüste Chaos zu einem See von Schilf und Sumpf und Rohr, aus dem später etwas Landschaftähnliches erstehen und Gestaltung erstreben zu wollen scheint, noch Jahrtausende erstreben mag, sowie Tausende von Jahren bereits verflossen sein mögen, bis die lange und breite Niederung sich bildete, die gegen Norden so unmerklich anschwillt, und in der weder Hügel noch Tal auf einen gewaltsamen Kampf hindeuten, wohl aber auf ein allmähliches Stillestehen des Wasserelements, den zahllosen Flüssen und Morästen und Seen nach zu schließen, die das ganze Tal so durchkreuzen, daß der Fuß des Menschenkindes buchstäblich auf dem flüssigen Elemente ruht. Höher gegen Norden zu erhebt sich endlich ein langes und breites Hochland, das in mäßiger Höhe längs dem Ufer des Stromes hinzieht und sich dann wieder in der endlosen Niederung verliert, die unter dem Namen des Mississippitales Tausende von Meilen sich gegen Norden, Ost und Westen hindehnt und in seinem Busen bequem den größten Teil der Bevölkerung Europas aufnehmen könnte.
Länger als ein Jahrhundert hindurch war der ungeheure Landstrich eine vergessene und vernachlässigte Kolonie geblieben, die mit einer Leichtigkeit abgetreten, eingetauscht und wieder ausgetauscht wurde, die mehr als hinlänglich die ihr zuerkannte geringe Bedeutung beurkundete. Amerikanischer Scharfblick hatte endlich das Auge des großen Geistes, der damals die Angelegenheiten des schönsten Reiches der alten Welt leitete, auch auf diesen vergessenen Schlupfwinkel hingezogen, und dieser, die Schwierigkeiten wohl einsehend, den kürzlich erworbenen Besitz seinem Volke zu erhalten, zog es weise vor, ihn der nachbarlichen großen Republik als integrierenden Bestandteil zu überlassen.
Für die Kolonie begann seit dieser Einverleibung eine neue Ära, und mit Riesenschritten schien sie nun einholen zu wollen, was sie mehr als hundert Jahre hindurch verschlummert hatte.
So groß aber der Umschwung gewesen, den die Vereinigung des Landes mit den Staaten unter den Bewohnern bereits hervorgebracht, so hatte sich dieser doch vorzüglich nur durch eine größere Tätigkeit in Beurbarung des Landes oder durch kommerzielle Unternehmungen geäußert; von dem männlichen, unabhängigen Geiste des Amerikaners hatten die gewesenen Kolonisten nicht nur wenig oder nichts angenommen, ihr sklavisch verdorbener Sinn hatte sich auch scheu vor dem überlegenen, aufgeklärteren nordischen Bürger zurückgezogen, der diese Überlegenheit, freilich oft nur zu derb und unumwunden zu erkennen gab.
Selbst der bessere Teil der Kreolen war von diesem Vorurteile gegen seine neuen Mitbürger nichts weniger als verschont geblieben, und er hatte sich gegenüber dem scharf ausgesprochenen und geradezu gehenden Amerikaner um so mehr darin gefallen, als er, gegen das öffentliche Leben gleichgültig, des Dienstzwanges gewohnt, in der unbeschränkten neuen Freiheit nur Unordnung und Anarchie voraussah. Als jedoch diese Besorgnisse innerhalb der zehn Jahre dieser unbeschränkten Freiheit nicht realisiert wurden, und er allmählich die Vorteile zu begreifen anfing, die ihm aus der Vereinigung mit der mächtig emporstrebenden Republik erwachsen waren, schloß er sich auch mit mehr Entschiedenheit an das gemeinschaftliche Interesse und zögerte nicht, sich zur Verteidigung des Landes herbeizulassen. Dies war der bessere Teil; der schlechtere, dem natürlich diese Vorteile eher Nachteile schienen, konnte kaum seine Schadenfreude über die Ankunft des Feindes verhehlen, und der nordische Bürger, der stolz auf ihn herabsah, war ihm weit mehr verhaßt, als der Brite, von dessen Ankunft er wenigstens Veränderung und Demütigung des hochmütigen Republikaners hoffte.
Unstreitig war es dieser herrschende Geist gewesen, der gewissermaßen den Feind eingeladen hatte, nebst seinen im Norden mit der Republik kämpfenden Armeen, noch von den Küsten der pyrenäischen Halbinsel ein zahlreiches Korps herüberzusenden, in der Hoffnung, durch die zum Teile mißvergnügten Kreolen in den Besitz eines Landes zu gelangen, der ihn zum ausschließenden Herrn des Mississippistromes, des Busens von Mexiko und aller daran gelegenen Länder gemacht haben würde. Selbst wenn sich der Besitz nicht erhalten ließ, so war die zeitweilige Eroberung der Mühe um so mehr wert, als dadurch die stolze Republik zur Nachgiebigkeit auf anderen Punkten genötigt worden wäre. – Dem Korps, das diese Eroberung nun bewerkstelligen sollte, hatte die Regierung der Staaten, obwohl bedeutende Truppenmassen im Norden versammelt waren, der ungeheuren Entfernung wegen, nichts entgegenzusetzen, als die rastlose Tätigkeit und den erprobten Mut eines Generals, der sich gegen die Indianer in den Staaten Georgien, Alabama und im Gebiete Florida ausgezeichnet hatte, und den Patriotismus der an das Flußgebiet des Mississippi grenzenden westlichen Staaten, sowie der in Louisiana angesiedelten Amerikaner, die allerdings durch die Besitznahme des Schlüssels des Mississippi am meisten zu verlieren hatten.
Diese letztern waren über einen großen Teil des Landes zerstreut. Ein gewisser Widerwille gegen die etwas laxen französischen Sitten und Gewohnheiten, sowie Geringschätzung gegen ihre neuen Mitbürger hatte zwischen ihnen und den südlichen Pflanzern eine ziemlich starke Scheidewand gezogen, was sich auch bei dieser Gelegenheit deutlich aussprach.
Die Nachricht von der Landung der feindlichen Armee hatte auch unter