Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen. Charles Sealsfield

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Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen - Charles  Sealsfield

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Ihr kennt ihn?« fuhr der Brite unwillkürlich heraus.

      Der Squire und seine Frau sahen sich bedeutsam an. Der junge Mann hatte sich zu fassen gesucht und setzte hinzu: »Ich bin überzeugt, Ihr habt rauhe Tage mit den Indianern gesehen.«

      »Das haben wir;« sprach der Friedensrichter trocken, »aber von Tokeah haben wir auch seit vielen Jahren keine Silbe mehr gehört. Als ob der Mississippi ihn verschlungen hätte. Keine Spur mehr zu sehen oder zu hören von ihm und den Seinigen. Wißt Ihr etwas von ihm?« wandte er sich plötzlich zu seinem gefangenen Gaste.

      »Nein«, versetzte dieser betroffen und stockend.

      »Dachte nur, weil Ihr mich fragtet, ob ich ihn kenne.«

      »Ja, und die arme, bildschöne Rosa«, sprach das Weib.

      »Rosa«, rief der Brite wieder aus, sich ein zweites Mal vergessend.

      Wieder blickten sich die beiden Eheleute fragend an. Ohne jedoch ein Wort zu sagen, setzte sich die Familie zu Tische, über welchem der Hausvater ein langes Gebet verrichtete. Es waren noch zwei Töchter und ein Sohn, die Platz nahmen. Die Kleidung der Mädchen bestand aus dem gewöhnlichen Woll- und Leinenstoff, Linsey Woolsey genannt, war aber recht elegant; ihr Benehmen schien ebensosehr von feinerer weiblicher Bildung, als blöder Scheu entfernt. Ihre Bewegungen zeigten viel natürlichen Anstand und eine gewisse Lebendigkeit, die jedoch vollkommen innerhalb der Schranken mädchenhafter Züchtigkeit verblieb. Sie sprachen mit ihrer Mutter, nachdem sie den Fremden freundlich und zwanglos begrüßt hatten.

      Während die Hausfrau die Hirschkeule zerlegte, fuhr der Squire fort. »Ja, damals hatte ich noch die Stube voll Kinder, alt und jung, wie Orgelpfeifen, zwölf Stück. Keines, Gott sei Dank, gestorben, alle wohl verheiratet und angesehen. Sieh', das ist bei uns die Freude. Je mehr Kinder, desto besser. Land haben wir genug, und wenn sie ihre Hände zu gebrauchen wissen, so findet sich Haus und Hof von selbst. Bei Euch müssen die armen Buben, höre ich, Soldaten oder Taugenichtse werden, und die Mädchen noch etwas Schlimmeres. Bei uns arbeiten und schaffen sie redlich und werden Bürger, die sich vor keinem zu schämen haben. Ja, Junge! meine Kinder haben alle ein Kinderspiel, die haben jedes ein paar tausend Dollar von den Alten, aber wir haben es uns müssen sauer werden lassen. – Mein Vater kam mit zwanzig Jahren und dreißig Pfunden herüber aus dem Lande der Kuchen, und damit kaufte er sich fünfzig Äcker, und als er etwas zusammengebracht, da brach der Befreiungskrieg aus, und die Eurigen kamen und brannten ihm Haus und Hof weg und zogen ihm seine Kleider und Schuhe ab, und er mußte halb nackend im Winter dreißig Meilen nach Hause laufen. – Ich war damals ein Bube, habe aber dafür manchem Eurer Rotröcke aufn Pelz geschossen. Als der Krieg vorbei war, da macht' ich mich an meine Alte heran, und wir taten uns denn auch zusammen und zogen endlich an den Coosa. Wollte, ich wäre hübsch da sitzen geblieben und kein Narr gewesen, über den Ohio hinauf zu rennen; hat mir viel geschadet in meinem Handel nach New Orleans hinab. Haben aber zu leben. Möchte nicht gerne von vorne wieder anfangen; aber doch wollte ich's eher, als in Euerm Lande hausen, wo keiner was zu sagen hat, und alle tun müssen, nicht was sie selbst, sondern was andere wollen, und soeben geschehen und ungeschehen sein lassen müssen, wie es ihren großen und kleinen Tyrannen gefällt. Erinnere mich so etwas gesehen zu haben, als Louisiana noch in den Händen des Spaniers war, und wir hinabhandelten nach der Stadt. Was für ein armseliges Leben die elenden Wichte hatten! Sie durften dem Ufer nicht nahen, ohne zuvor von einem Dutzend schäbichter Taugenichtse die Erlaubnis eingeholt zu haben, ein Ferkel oder einen Schinken zu kaufen, und wenn sie dann kamen, waren ihnen immer ein paar Spione zur Seite und wichen nicht, bis wir wieder gingen, damit wir sie mit unserem Republikanismus nicht ansteckten. Der Teufel selbst war ihnen nicht so furchtbar, wie wir Amerikaner, und doch getrauten sie sich nicht an uns; aber wer uns von den Ihrigen ein freundliches Gesicht machte, dem ging es schlimm. Elende Kerle! dumm wie 's Vieh in allen Stücken, nur in einem waren sie pfiffig, nämlich, die Ihrigen noch dümmer zu machen, und das bißchen gesunden Menschenverstand in ihnen ganz zu ersticken. Keiner wagte ein Wort zu sagen, bis der Gouverneur es erlaubte. Sie tanzten, wann dieser es haben wollte, und beteten, wann er es befahl, und waren höflich und wieder grob gegen uns, just wie er es haben wollte. Keiner wagte für sich selbst zu denken oder zu handeln. Und was das schönste war, diese miserablen Menschen, die in Stroh- und Lehmhütten wohnten und bis über die Ohren im Kot staken und nicht selten vor ihren Türen von Alligatoren weggefressen wurden, die vom Bürgerleben weniger wußten als unsere dümmsten Neger, die meinten, sie wären zivilisiert und wir Barbaren, weil sie Kratzfüße schneiden und Komplimente auswendig herplappern konnten! – Ei, ich weiß, was schwarz und weiß ist.«

      Die Keule war nun zerlegt und zerteilt, und es erfolgte eine halbstündige Pause, während welcher aus dem redseligen Squire auch keine Silbe mehr herauszubringen war. Als jedoch der Tisch abgedeckt war, füllte er sich noch ein Glas von seinem gepriesenen Monongehala, stellte vor den Briten zwei geschliffene Flaschen mit Port und Madeira und fuhr fort: »Ja, hier sieht es anders aus! hier ist das Volk Souverän; ei, und ein so guter als irgendeiner im alten Lande und besser, denn er kostet nichts. Schau einmal her, das mag dir so ziemlich lächerlich vorkommen, das Umhertraben dieser Leute in Reih und Glied, als ob sie den Straßenkot in eine Tenne treten wollten; aber wenn du ein wenig mehr auf den Grund siehst, so wirst du finden, daß sie sich alles Ernstes gegen Euch vorbereiten wollen. Das sind keine Soldatenspielereien; sie hassen das kindische Wesen. Aber laßt ein Dutzend Soldaten unter sie kommen und sie acht Tage einexerzieren, und sie werden so wohl im Feuer stehen, wie Eure Rotröcke und besser; denn diese fechten für sechs Pence, die Unsrigen für ihr Hab und Gut und ihre Weiber und Kinder. Keiner hat sie kommen geheißen, es sind alle Freiwillige, die der öffentliche Geist getrieben, sich ein paar Wochen umherhudeln zu lassen. Was wollt Ihr wetten, Ihr verliert die erste Schlacht, in die Ihr Euch einlaßt?«

      »Mit diesen Fallstaffs-Kompagnons da?« versetzte der Jüngling lachend.

      »Sachte! Sachte!« versetzte der Squire, »das sind Bürger, von denen jeder seinen eigenen Rock am Leibe hat und eine Wirtschaft obendrein; kein zusammengerafftes Gesindel, wie Euere sogenannten Landesverteidiger, die, um dem Hungertode oder der Botanybay zu entgehen, sich Euern Trabanten hingeben, damit sie je eher desto besser aus der Welt geschafft werden, der sie nur zur Last sind.«

      Das Knallen von Schüssen war schon seit längerer Zeit zu hören gewesen. Der Squire öffnete die Türe, vor der ein Mann mit einem Stutzen auf und ab ging. Am Ufer des Flusses war in der Eile ein Bretterverschlag aufgerüstet, und vor diesem standen sechs brennende Kerzen. Dicht daneben zwei Männer mit Laternen. Soeben knallten zwei Schüsse, deren einer den brennenden Docht vom Lichte weg – und der zweite das Licht durchschoß.

      Ein brüllendes Gelächter erschallte. »Schau, der hat's einmal verfehlt und, statt den Docht zu treffen, die Kerze mitgenommen!«

      Die Kerze war wieder angezündet und aufgesteckt worden. Vier Schüsse knallten hintereinander, und jeder schoß das in der Tageshelle kaum sichtbare Licht weg. Wieder folgten zwei Schüsse, die ebenso genau trafen. Die gewaltigen Schützen hielten ihre langen Stutzen frei, und die Entfernung betrug volle hundertundfünfzig Schritte.

      »Auf der andern Seite schießen sie den Nagel aufn Kopf,« sprach der Squire; »willst du es sehen?«

      Er ging mit seinem Gefangenen hinter die Häuser, wo ein zweiter Verschlag aufgerichtet war. Statt der Kerzen waren in den Brettern Nägel mit etwas größern Köpfen zur Hälfte ins Holz getrieben.

      »Den dritten von oben!« rief ein junger Hinterwäldler und ließ krachen.

      »Getroffen und hineingetrieben!« antwortete der Zeiger.

      »Den vierten!« rief ein zweiter und ließ ebenfalls knallen. »Getroffen!« war wieder die Antwort.

      Der Jüngling hatte, ohne ein Wort zu sprechen, zugesehen.

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