Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen. Charles Sealsfield
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Читать онлайн книгу Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen - Charles Sealsfield страница 59
»Nein,« erwiderte der Gefangene, »ich entkam in einem Boote, das ein starker, südöstlicher Wind tief in den mexikanischen Busen führte.«
»Und da kommt Ihr her?« fragte der Squire kopfschüttelnd. »Doch, woher diese indianische Kleidung?«
»Ich traf auf einen indianischen Stamm, der mich damit versehen.«
»Und von diesem habt Ihr Euch auf den Weg her auf den Atchafalaya zu gemacht?« fragte der Squire wieder, noch immer kopfschüttelnd.
»So habe ich«, war die Antwort.
»Ich will es niederschreiben, lieber Mann,« sprach der Friedensrichter, »obwohl ich Euch versichern mag, daß unter Millionen nicht zehn es glauben werden. Hört einmal. So viele Ihr unten am Balize seid, und wäret Ihr Hunderttausend, so hat keiner von Euch so viel noch gelernt, um von der mexikanischen Grenze oder einem Indianerstamme den Weg herzufinden. Hört Ihr, da sind keine Fahrstraßen und Meilenzeiger zu sehen. Da steckt etwas anderes dahinter; zudem, diese indianische Kleidung ist so schlecht nicht. Ich kenne keinen Stamm, der so etwas wegzugeben reich genug wäre. Wie heißen die Indianer, bei denen Ihr Euch aufgehalten habt?«
»Das kann ich nicht sagen«, erwiderte der Jüngling.
»Das müssen wir aber wissen«, versicherte der Friedensrichter.
»Ich kann es nicht sagen; es gibt so viele Stämme, Coshattaes, Sabiner und wie sie heißen.«
Alle horchten hoch auf.
»Ihr wißt den Namen der Coshattaes und Sabiner und nicht derjenigen, bei denen Ihr Euch aufgehalten habt?« fragte der Friedensrichter. »Das ist sonderbar; und diese Indianer sollten Euch eine Kleidung gegeben haben, die zum wenigsten zehn Dollar wert ist? Hört, das ist eine kitzlige Geschichte, ich versichere Euch. Die Coshattaes und Sabiner, wenn sie alle ihre Habseligkeiten zusammennehmen, sind nicht imstande, Euch zu geben, was Ihr am Leibe habt. Eure Geschichte mag gut genug sein, um bei Euch zu passieren; aber hier bringt die Anklage, die daraus hervorgeht, Euern Kopf in Gefahr.«
»Seid so gut, lieber Friedensrichter,« sprach der Brite lächelnd, »so schnell als möglich meinen Fall im Hauptquartier anzuzeigen. Das übrige wird sich dann finden.«
»Im Hauptquartier?« wiederholte der Friedensrichter, der den jungen Mann verwundert angesehen hatte. »Hört einmal. Ihr stellt Euch das ein wenig leicht vor; aber wenn Ihr wüßtet, wer darin befehligt, dann würdet Ihr wahrscheinlich nicht so vorschnell sein. Der haust mit den Kreolen«, brummte er seitwärts, »als wenn sie seine Neger wären; was wird er erst mit Fremden tun! Und sonst« – fragte er, sich nochmals an den Gefangenen wendend – »habt Ihr nichts vorzubringen?«
»Bloß,« versetzte der Brite lachend, »daß ich nicht, wie meine zwei Ankläger angegeben, verdächtig in der Nähe Eurer Stadt umhergeschlichen und von ihnen während meines Spionierens gefangengenommen worden bin. Man ist eben nicht in einem Zustande, andere zu fangen, wenn man selbst nicht auf den Beinen stehen kann. Ich habe mich freiwillig gestellt.«
»Und wahr ist's auch noch,« schrie der erste Ankläger; »ich hab' einmal zu viel geladen, das ist ganz richtig. Laßt'n laufen, Squire; ein Spion mehr oder weniger wird keinen Unterschied machen; laßt sie nur kommen die Rotröcke, wir wollen ihnen die Felle gerben, daß sie's Heimgehn vergessen sollen.«
»Ei und die Proklamation des Generals,« erwiderte der zweite, »die da sagt, daß jede verdächtige Person angehalten und an die Militärbehörde eingeliefert werden soll!«
»Geht uns nichts an«, versetzten mehrere Stimmen. »Sie ist vom General ausgegeben, und der hat einen Quark im Staate und freien Männern zu sagen, die nur den von ihrer Legislatur gegebenen Gesetzen gehorchen sollen; was meint Ihr, Squire?«
»Gewiß,« versetzte dieser, »der General hat hier nichts zu befehlen; aber die Konstitution selbst hat für den Fall gesorgt. Es bleibt nichts weiter übrig,« sprach er leiser zu den Seinigen, »als den Jungen hinüberzusenden. Es tut mir leid, daß ich mithelfen soll, ihn in die Pfütze hineinzustoßen; er sieht wahrlich so wacker aus wie irgendeiner, der in seinen eigenen Schuhen steht.«
»Junger Mann,« wandte er sich zum Gefangenen, »Ihr seid innerhalb der Linien unserer Armee in einer Verkleidung aufgegriffen worden, die allerdings verdächtig ist. Ihr seid, nach Euerm eigenen Geständnisse, zur Flotte gehörig; beides zwingt mich, Euch unsern Militärbehörden zu überantworten. Es ist ein hartes Gesetz für ein freies Land, aber es ist nur in Kriegszeiten. Wäret Ihr kein Brite, dann möchte ich durch die Finger sehen. Und setzt Euch nun nieder und helft Euch zu einem Glas Wein oder Rum, was Euch beliebt.«
Der Brite dankte mit einer leichten Verbeugung, trat zum Schenktische und trank auf die Gesundheit seiner neuen Bekannten. Sein ganzes Benehmen bezeugte, daß er mit seiner Behandlung sehr zufrieden war. Und wirklich war in der Prozedur des Friedensrichters, ungeachtet des starken Beigeschmacks hinterwäldischer Manieren, eine Offenheit und Biederkeit, die nicht fehlen konnten, ihm Vertrauen zu seinen neuen Bekannten einzuflößen. Er schien sich gewissermaßen zu Hause zu fühlen; die Menschen um ihn herum waren so natürlich, so ungekünstelt und dabei so vollkommen gesetzlich und über ihre Interessen aufgeklärt; sie schämten sich ihrer Blößen so wenig, daß sie notwendig dem Unbefangenen in vorteilhaftem Lichte erscheinen mußten. Er hatte vielleicht einen arroganten Pöbelwitz und rohe Schimpfworte befürchtet; statt dieser war ihm eine Behandlung zuteil geworden, die zwar nicht ohne ihre derben Nuancen, aber im Grunde so angemessen war, wie er sie nur in seiner unangenehmen Lage wünschen konnte. Es war viel Rauhes, aber nichts Pöbelhaftes zu sehen gewesen. Zwar konnte er noch immer das Lachen nicht verbeißen, wenn er an die militärische Promenade dachte; aber der starre, republikanische Ernst, der selbst in diesem grotesken Spektakelaufzuge vorherrschte, und die männlich gebräunten Gesichter, in denen wahrhaft kriegerischer Zorn blitzte, gaben ihrem ganzen Wesen einen ganz eigentümlichen Anstrich, der durch eine formelle und ihrer Würde bewußte Gravität und ihre scharf gezeichneten Physiognomien sehr gehoben wurde. Der erste Anblick ganz freier und trotz ihrer Rauheit innerhalb der Gesetzlichkeit verbleibender Menschen machte ihn augenscheinlich stutzen, indem er ihn allmählich das innere Wesen republikanischen Lebens ahnen zu lassen schien.
Der zeitweilige Verwahrungsort des Gefangenen wurde nun zwischen dem Friedensrichter und dem Constable der Gegenstand der Unterhaltung. Der Scherif war abwesend, und das Countygefängnis, in dem zuletzt ein Sklave gesessen, der entwischt war, ohne Schloß und Riegel. Der Squire endete die Untersuchung mit der Zusicherung, daß er für die Sicherheit des Gefangenen Sorge tragen wolle. Und als die Männer dieses gehört, so räumten sie die Stube.
Nicht lange, so erhob sich der Lärm von neuem. Zur alten Geige und türkischen Trommel hatten sie eine schottische Pfeife gesellt, und mit dieser ohrzerreißenden Musik paradierten sie nun truppweise die Straße hinab so ernsthaft, so steif und stattlich, als wenn es gerade auf den Feind losginge.
»Hol der Henker das verdammte Schreibwerk«, schrie plötzlich der seiner, Samuel gegebenen Warnung vergessende Squire. »Da soll ich nun schreiben! und so wahr ich lebe, ich weiß nicht, wie ich die Worte zu stellen habe, um dem armen Jungen nicht wehe zu tun. Höre einmal, ich wollte wetten, Ihr könnt mit dem Gänsekiel so wohl umgehen, als einer; wie wär's, wenn Ihr den Plunder aufsetztet?«
»Welchen meint Ihr, Squire?«
»Je nun, die Evidenz wegen Eurer Gefangennehmung.«
»Ihr meint den Casus apprehensionis, den Fall des Ergreifens«, versetzte der Brite, über die sonderbare Zumutung laut lachend, nun noch sein eigener Gerichtsschreiber zu werden.
»Ihr