Leni Behrendt Staffel 5 – Liebesroman. Leni Behrendt
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»Dann werde gesund! Das ist nämlich allein in deine Hand gegeben.
Und nun Schluß mit dem Unsinn! Ich sage dir noch einmal, daß Uhlen deine Heimat ist und du bleiben kannst, so lange du magst.«
»Dann wirst du mich nie mehr los, Onkel Jobst.«
»Na also, das ist doch ein vernünftiges Wort. Nun mache mir auch Freude und werde rasch gesund. Dann wirst du alles mit anderen Augen ansehen.
So – nun werde ich alle Hebel in Bewegung setzen, damit ich auf die Reise gehen kann. Je früher ich wegkomme, desto früher bin ich wieder hier.«
*
Gütiges Herz, was quälst du dich,
Wann läßt eine Mutter ihr
Kind im Stich?
Kannst du mich missen?
Ich dich nicht!
Gütiges Herze, besinne dich.
Herbststürme über der Ostsee! Oft erlebt und oft erschaut – und doch immer wieder neu. Der Mensch kommt sich plötzlich so klein vor, spürt angesichts der Naturgewalten, wie winzig klein doch sein Leben ist, das er so unendlich wichtig nimmt. Er wird demütig und fromm und ist seinem Herrgott so nahe wie in keiner anderen Stunde.
Das empfand auch Frau Fröse, die im Teezimmer saß und auf das Toben draußen hörte. Wie liebte sie diesen Sturm! Zehn Jahre hatte sie ihm lauschen dürfen – zehn lange Jahre – und vielleicht – Zehn Jahre hatte sie hier gelebt und gewirkt. Zehn Jahre hindurch Leid und Freud mit den Schloßbewohnern geteilt.
Langsam ließ sie ihre Blicke über das vertraute und so sehr geliebte Bild schweifen, und ihr Herz zog sich schmerzend zusammen –
Liebes, vertrautes Bild, liebes, kleines Gemach, mit deiner anheimelnden Traulichkeit. Prächtiges Uhlen, mit allem, was darin lebt.
Liebe, vertraute Käuzchen, ihr Glücksvögel von Uhlen, auch euch gehört mein Herz. Auch euer Rufen muß tönen in dem Schlummerlied – von Wald – und Meer und Wind.
Liebes geliebtes Uhlen – liebe geliebte Heimat. –
»Guten Abend, Frau Fröse – schlafen Sie?«
Sie schrak auf und sah den Baron verstört an.
»Habe ich Sie erschreckt, meine Getreue?«
»Ein wenig wohl«, raffte sie sich gewaltsam auf. »Sie sind wohl hereingeschwebt wie eine Sylphide?«
»Na, ich danke – so mit Schuhgröße dreiundvierzig. Ist das hier bei Ihnen
ein wundervolles Nachhausekommen! Nach diesen stillen Stunden zu zweit werde ich mich in Afrika kranksehnen. Mich packt schon das Heimweh, bevor ich fort bin.«
Michael brachte Speckeier und Röstkartoffeln. Ein Gericht, das Götterun
zu jeder Tages- und Nachtzeit essen konnte, wie er immer behauptete. Dann eine Platte mit Aufschnitt, Butter und Brot.
»Also, Frau Fröse, in einer Woche geht die Reise los. Es hat alles gut geklappt, und wenn es im heißen Afrika ebenso sein sollte, dann kann ich im Frühjahr schon wieder zurück sein. Wenn es mir nicht um das Geld zu tun wäre, dann würde ich gar nicht fahren, sondern den Rechtsberater dort beauftragen, die Farm zu verkaufen. Aber so muß ich Wert auf jede Mark legen, die Uhlen so bitter nötig hat.
Und schließlich bekomme ich auf der Reise wieder ein schönes Stück von der Welt zu sehen. Damit muß ich mich trösten. Hier weiß ich alles in besten Händen, und so kann ich meine Geschäfte in Ruhe abwickeln.«
»Darüber möchte ich noch mit ihnen sprechen, Herr Baron«, entgegnete sie hastig und mußte all ihre Selbstbeherrschung aufbieten, um unter seinem erstaunten Blick ruhig zu bleiben.
»Es ist nämlich meine Überzeugung, Herr Baron, daß ich während Ihrer Abwesenheit hier über bin. Der ganze Zuschnitt des Hauses wird ja dann ein anderer werden. Da gibt es also nichts mehr für mich zu tun. Und die Wirtschaftsführung liegt sowieso in den bewährten Händen der Mamsell – ich wüßte also nicht, was ich hier anfangen sollte.«
»So – und haben Sie Sölve vergessen? Sind Sie Ihres Samariterwerkes bereits überdrüssig? Oder wie soll ich sonst Ihre sonderbare Eröffnung verstehen –?« fragte er so eigentümlich, daß es ihr das Blut ins Gesicht trieb.
»Sölve nehme ich mit mir. Ich habe von meinem verstorbenen Bruder eine Summe geerbt, die es mir ermöglicht, eine Zeitlang ein angenehmes Leben zu führen. Wenn Sie dann wieder zurück sind, Herr Baron, kann Sölve wiederkehren und ich mit, falls es erwünscht sein sollte –«
»Wenn ich Sie nicht so genau kennen würde, Frau Fröse, dann würde ich Ihre Worte als Kränkung auffassen.
Also, Frau Fröse, ich möchte den wahren Grund wissen. Das Recht habe ich dazu, kraft unserer zehnjährigen Zusammengehörigkeit. Ich habe zu vielen Malen von Ihnen gehört, daß Ihnen Uhlen eine wahre Heimat ist. Warum wollen Sie die nun verlassen?«
»Herr Baron, es gibt Dinge, die lieber ungesagt bleiben.«
»Dacht’ ich mir’s doch –«, warf er aufatmend ein. »Nun Farbe bekannt, anders kommen Sie nicht davon. Ist es Sölve, die Sie in die Flucht schlägt?«
»Um Gottes willen, Herr Baron, dieses arme brave Seelchen! Sie hörten doch, daß ich sie mit mir nehmen will. Weshalb ich von hier fort möchte, ist, daß ich mich dem allen, was auf mich einstürmen würde, nicht gewachsen fühle.«
»Nanu, zehn Jahre lang ging es doch? Man hat uns allgemein um die Repräsentantin unseres Hauses beneidet. Und als meine Angehörigen noch lebten, war eine Repräsentation doch weit schwieriger als jetzt. Aber ich weiß nun den Grund: Frau Fränze –«
Sie zuckte erschrocken zusammen, und er lächelte.
»Ihrem Erschrecken sehe ich an, daß ich den Nagel auf den Kopf getroffen habe.«
Er weidete sich an ihrer Verlegenheit, die immer größer wurde.
»Herr Baron, Sie quälen mich –!«
»Schadet nichts, das haben Sie verdient, meine ungetreue Getreue.«
»Es ist nicht meinetwegen allein – hier geht es auch noch um Sölve. Frau von Ragnitz sowie ihr Sohn, der sich hier schon als Herr fühlt, betrachten das Mädchen als Eindringling und würden es danach behandeln. Und Sölves Sensibilität ist Ihnen ja nicht unbekannt.
Kurz und gut: Um allen Kränkungen, Demütigungen und allen Schikanen zu entgehen, räumen wir beide freiwillig das Feld.«
»Also kneifen wollen Sie – ganz einfach kneifen«, schüttelte er mißbilligend den Kopf.
»Ist das etwa fair?
Und nun werde ich Ihnen mal etwas sagen, meine Liebe: Ehe ich Sie von Uhlen lasse, breche ich lieber mit der Verwandtschaft und verbiete ihnen das Haus.«
»Großer Gott, nur das nicht–!«