Leni Behrendt Staffel 5 – Liebesroman. Leni Behrendt
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»Einen Gast? Davon weiß ich ja noch gar nichts«, bemerkte sie höchst ungnädig, als müßte sie von allem, was hier passierte, sofort in Kenntnis gesetzt werden. »Seit wann ist denn der Herr hier?«
»Es ist eine Dame, gnädige Frau.«
»Auch das noch! Und die kommt einfach hierher, legt sich ins Bett, der Gastgeber muß den Arzt holen und wahrscheinlich noch bezahlen. Das muß ja eine merkwürdige Dame sein. Wo liegt sie?«
»Im grünen Fremdenzimmer. Aber sie darf nicht gestört werden.«
»Machen Sie doch nicht so ein Theater, so schlimm wird es bestimmt nicht sein«, winkte die resolute Dame ab, indem sie nach dem bezeichneten Zimmer schritt, ohne sich von Frau Fröse abhalten zu lassen.
Als sie jedoch vor dem Bett stand, in dem Sölve schlief, sah sie doch betroffen drein.
»Mein Gott, lebt die überhaupt noch?« flüsterte sie entsetzt. »Die sieht ja erbärmlich aus.«
Fast fluchtartig verließ sie das Zimmer. Auf der Treppe kam ihnen Götterun entgegen.
»Na, da hast du dir ja was Gutes auf den Hals geladen –!« platzte Frau Fränze heraus, bevor sie den Schwager begrüßt hatte. »Der kannst du bestimmt heute noch die Augen zudrücken. Wo hast du die bloß aufgegabelt?«
»Zuerst komm einmal von hier fort, denn es ist nicht nötig, daß das arme Ding deine taktlosen Bemerkungen hört«, sagte er unwillig. »Wie kommst du überhaupt in das Zimmer, Fränze? Der Arzt hat doch Weisung gegeben, daß es außer Frau Fröse und mir niemand betreten darf.«
»Wie konnte ich ahnen, daß du da oben eine Halbtote beherbergst«, entschuldigte sie sich, während sie mit den anderen der Terrasse wieder zuschritt, wo schon der Kaffeetisch gedeckt war.
»Sag bloß, Jobst, wer ist dieser arme Wurm?«
»Eine Bekannte von mir –«, entgegnete er kurz.
Frau Fröse füllte aus der Maschine den Kaffee in die hauchdünnen Schalen, tat dem Hausherrn Sahne und Zucker in die seine, strich ihm ein Brot mit der köstlichen, frischen, goldgelben Butter und träufelte Honig darauf.
Frau Fränze sah das alles mit stillem Grimm. Sah das kostbare Porzellan, die silberne Kaffeemaschine, Brot und Butter, Honig und Marmelade, alles gefällig und appetitlich angerichtet. In Kalmucken konnte man sich das alles nicht leisten.
»Haben Sie denn keinen Kuchen?« erkundigte sie sich ungnädig.
»Nur von dem, der Ihnen letztens nicht schmeckte.«
»Na, vielleicht ist er diesmal besser geraten. Probieren könnte man ihn schon.«
Daraufhin brachte Michael einen Teller mit Kuchen, den Frau Fränze mit der Miene einer Kennerin versuchte.
»Hm, es geht. Er könnte aber besser sein.«
»Vielleicht hörst du mit deinen Taktlosigkeiten bald auf, Fränze«, drohte die scharfe Stimme des Schloßherrn, und die tiefe Falte zwischen den Augen mahnte selbst diese Frau zur Vorsicht, die sich in diesem Hause Rechte anmaßte, die weit über jede Höflichkeit gingen.
Roderich verdrückte Stücke davon, als müßte er den reichbelegten Kuchenteller unbedingt leer kriegen. Und da seine Mutter nun schwieg, ergriff er das Wort. Er sprach langsam und bedächtig, schien immer erst jedes Wort zu überlegen, das er dann wohlgefällig hervorbrachte. Man glaubte bei seinen Ansichten und Beurteilungen einen erfahrenen Menschen vor sich zu haben, keinen dreizehnjährigen Knaben. Sein Wissen betreffs der Landwirtschaft setzte wirklich in Erstaunen, und in der Schule ging er stets als Primus durch die Klassen.
Also war Roderich der reinste Wunderknabe, und seine Mutter wußte sich vor Stolz über diesen Sohn kaum noch zu lassen. Stundenlang konnte sie über ihn reden und Zukunftspläne schmieden.
Sie ging in ihrer Verblendung sogar soweit, überall eine Ausnahmestellung für ihn zu verlangen. Hauptsächlich in Uhlen, wo er später der Herr sein würde.
Und das verlangte Roderich auch. Er fühlte sich hier schon ganz als Herr. Die Hausdame behandelte er mit Herablassung, was diese jedoch nicht tragisch nahm und nicht davon abhielt, diesen selbstherrlichen jungen Mann genau so zu nehmen, wie es seinem Alter entsprach.
Schließlich fiel Frau Fränze wieder Uhlens Gast ein.
»Wer ist denn das eigentlich da oben?« zeigte sie mit dem Finger zur Decke, wobei ihr die Neugierde förmlich aus den Augen sprang.
»Eine Bekannte«, war seine knappe Antwort.
»Hast du sie eingeladen?«
»Natürlich –«
»Und dann wird sie hier gleich krank? Da mußt du doch zusehen, daß du sie auf gute Art bald wieder los wirst.«
»Im Gegenteil, liebe Fränze. Ich gedenke, die junge Dame recht lange in Uhlen zu behalten.«
»Als was?«
»Vorläufig als Gast.«
Nun sah die Gute ihren Schwager an, als zweifele sie an seinem Verstand. Man konnte nicht gerade sagen, daß sie herzlos war, sie verfügte sogar über eine gewisse Gutmütigkeit. Aber daß man sich so etwas wie dieses Mädchen freiwillig auf den Hals lädt, das war ihr unbegreiflich.
Als dann Roderich erschien, rüstete sie zum Aufbruch.
»Ich bleibe hier, Mama –«, entschied das Söhnchen kurz und bündig, und die resolute Fränze wagte nicht zu widersprechen.
»Wie kommst du dann aber nach Hause, mein Junge?« gab sie besorgt zu bedenken, worauf er nachlässig abwinkte.
»Ich bleibe hier und fahre morgen früh von hier aus zur Schule.«
Ratlos sah Fränze zu dem Schloßherrn hin, in dessen Augen es amüsiert aufblitzte.
»Bist du damit einverstanden, Jobst?«
»Was habe ich da zu sagen –«, entgegnete er in einer Art, die Frau Fränze immer auf die Nerven ging. »Roderich ist doch mein Gast. Da wäre es ja
ungastlich, wenn ich widerreden sollte.«
Nun war die Frau Mama hilflos wie ein kleines Kind.
»Rodichen, so komm doch mit –«, verlegte sie sich aufs Bitten. Doch der kleine Despot ließ sie gar nicht ausreden.
»Gib dir keine Mühe, Mama. Ich bleibe hier. Was ich mir vorgenommen habe, führe ich auch durch.«
»Richtig –«, warf Götterun mit einem Lächeln ein, das Frau Fränze über alle Maßen niederträchtig fand.
»Du könntest lieber auf den Jungen einwirken, daß er nicht so halsstarrig
ist –«, verlangte sie ärgerlich. »Aber es sieht fast so aus, als wolltest du seinen Dickkopf noch bestärken und so meine Autorität untergraben.«
»Aber,