Gesammelte Werke. Джек Лондон
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Dies Manöver hatte ich mindestens zwanzigmal durchdacht, und ich wußte, daß Maud imstande war, das unentbehrliche Segel zu setzen. Ein frischer Wind wehte gerade in die Bucht herein, und wenn auch das Wasser ruhig war, so mußten wir doch mit äußerster Schnelligkeit arbeiten, um sicher herauszukommen.
Sobald ich den Schäkelbolzen herausgeschlagen hatte, rasselte die Kette durch das Klüsgatt ins Meer. Ich stürzte nach achtern und legte das Ruder um. Die Ghost schien lebendig zu werden, als ihre Segel sich zum erstenmal blähten. Der Klüver ging hoch. Als er in den Wind kam, schwang der Bug der Ghost herum, und ich mußte das Rad einige Spaken zurückdrehen, um das Schiff wieder in den Kurs zu bringen. Ich hatte mir eine automatische Klüverschot erdacht, die den Klüver von selbst herüberbrachte, so daß Maud ihn nicht zu bedienen brauchte; sie hatte aber kaum den Klüver hoch, als ich das
Ruder hart umlegte. Es war ein gefährlicher Augenblick, denn die Ghost lief bis auf Steinwurfweite geradenwegs auf den Strand zu. Aber gehorsam drehte sie sich in den Wind. Die Segel schlugen heftig - ein Geräusch, das meine Ohren mit Entzücken hörten -, und dann standen sie wieder prall auf der andern Seite. Maud hatte ihre Aufgabe vollbracht und kam nach achtern, wo sie neben mir stehenblieb, eine kleine Mütze auf dem vom Winde zerzausten Haar, die Wangen von der Anstrengung gerötet, die Augen weit und hell vor Erregung, die Nasenflügel zitternd in der frischen salzigen Luft. Ihre braunen Augen glichen denen eines aufgescheuchten Rehs. Ihr Blick war wach und unruhig, wie ich ihn nie gesehen, ihre Lippen öffneten sich, und ihr Atem stockte, als die Ghost gegen das Felsenriff an der Ausfahrt der inneren Bucht anstürmte, dann in den Wind ging und unter vollen Segeln in das sichere Fahrwasser hinausfuhr.
Meine Dienstzeit als Steuermann in den Robbengründen kam mir jetzt ausgezeichnet zustatten. Ich brachte das Schiff gut aus der inneren Bucht heraus und ging in einem weiten Bogen in die äußere hinein. Noch ein Schlag, und die Ghost hatte die offene See erreicht. Nun hatte sie den Hauch des Ozeans gespürt und atmete selbst im gleichen Rhythmus, indem sie die breitrückigen Wogen sanft hinauf- und hinabglitt.
Es war trübe und wolkig gewesen, jetzt aber brach die Sonne hindurch - ein verheißungsvolles Vorzeichen - und schien über die geschweifte Küste. Die ganze Mühsalinsel erstrahlte im Sonnenschein. Selbst das unheimliche südwestliche Vorgebirge sah weniger unheimlich aus, und hier und da, wo der Gischt hoch emporsprang, glänzte und funkelte es in der blendenden Sonne.
„Ich werde mit Stolz daran denken", sagte ich zu Maud.
Sie warf mit einer königlichen Gebärde den Kopf zurück und sagte: „Du liebe Mühsalinsel! Ich werde dich immer lieben."
„Und ich auch", sagte ich rasch. Unsere Blicke wollten sich treffen, und doch zwangen wir sie aneinander vorbei.
Einen Augenblick schwiegen wir fast unbeholfen, dann aber sagte ich: „Sehen Sie die schwarzen Wolken in Luv? Sie werden sich erinnern, daß ich Ihnen gestern abend sagte, das Barometer fiele."
„Und die Sonne ist verschwunden", sagte sie, den Blick immer noch auf unsere Insel gerichtet.
„Die Fahrt geht nach Japan!" rief ich heiter. „Ein günstiger Wind und volle Segel, was wollen wir mehr?"
Ich verließ das Rad und lief nach vom, warf Fock- und Großschot los und machte alles zum Empfang des Windes bereit. Es war Sturm, ein tüchtiger Sturm, aber ich entschloß mich, so lange wie möglich die Segel oben zu behalten. Leider war es unter diesen Umständen nicht möglich, das Ruder festzumachen, und so mußte ich darauf gefaßt sein, die ganze Nacht am Rade zu stehen. Maud bestand darauf, mich abzulösen, es zeigte sich aber doch, daß sie nicht Kraft genug hatte, in schwerer See zu steuern. Sie war ganz niedergeschlagen, fand aber bald genug zu tun: Falle und Leinen mußten gestrafft, das Essen in der Kombüse gekocht, Betten gemacht und Wolf Larsen gepflegt werden, und sie beendete ihr Tagewerk, indem sie in der Kajüte und im Zwischendeck gründlich aufräumte.
Ich steuerte die ganze Nacht ohne Ablösung, der Wind wuchs langsam und beständig, und die See mit ihm. Um fünf Uhr morgens brachte Maud mir heißen Kaffee und Kuchen, den sie gebacken hatte, und um sieben flößte mir ein tüchtiges, kochendheißes Frühstück neues Leben ein.
Den ganzen Tag wuchs der Wind. Und immer noch schäumte die Ghost dahin, raste Meile auf Meile mit einer Geschwindigkeit, die ich auf mindestens elf Knoten die Stunde schätzte. Ich mußte die Gelegenheit wahrnehmen, aber bei Einbruch der Nacht war ich völlig erschöpft. Obgleich ich in glänzender körperlicher Verfassung war, hatte ich jetzt doch die Grenze meiner Kraft erreicht. Dazu flehte Maud mich an beizudrehen, und ich wußte, daß das, wenn Wind und See weiter so wuchsen, bald nicht mehr möglich war. So traf ich denn bei Dunkelwerden meine Vorbereitungen.
Aber ich hatte nicht mit den ungeheuren Schwierigkeiten gerechnet, die das Reffen dreier Segel für einen einzigen Mann bedeutete. Immer wieder machte der Sturm meine Anstrengungen zunichte, riß mir die Leinwand aus den Händen und zerstörte in einem Augenblick, was ich in zehn Minuten schwersten Kampfes erreicht hatte. Um acht Uhr hatte ich erst das zweite Reff in die Fock geschlagen. Um elf war ich noch nicht viel weitergekommen. Meine Fingerspitzen bluteten, und alle Nägel waren abgebrochen. Vor Schmerz und Erschöpfung weinte ich heimlich im Dunkeln, wenn Maud es nicht sah.
Verzweifelt gab ich es auf, das Großsegel zu reffen, und entschloß mich, unter gereffter Fock beizudrehen. Noch drei Stunden brauchte ich, um Großsegel und Klüver zu beschlagen, und um zwei Uhr morgens konnte ich, mehr tot als lebendig, feststellen, daß mein Versuch geglückt war. Die gereffte Fock tat ihren Dienst. Die Ghost hielt sich am Winde, sie zeigte keine Neigung, sich quer in den Seegang zu legen. Ich war ganz ausgehungert, aber Maud versuchte vergebens, mir etwas einzuflößen. Mit vollem Munde schlief ich auf dem Stuhl ein.
Wie ich aus der Kombüse in die Kajüte kam, weiß ich nicht. Ich wurde von Maud geführt und gestützt. Als ich lange darauf erwachte, lag ich in meiner Koje. Maud hatte mich hingelegt und mir die Schuhe ausgezogen. Ich war ganz steif und zerschlagen und schrie vor Schmerz auf, als ich mit meinen wunden Fingerspitzen das Bettzeug berührte. Es war offenbar noch nicht Morgen, und so schloß ich die Augen und schlief wieder ein.
Wieder erwachte ich, verwirrt, daß ich nicht besser schlief. Ich zündete ein Streichholz an und sah auf die Uhr. Sie zeigte Mitternacht. Und ich hatte das Deck um drei Uhr nachtsverlassen! Nach einigem Nachdenken fand ich die Lösung: Ich hatte einundzwanzig Stunden geschlafen. Ich lauschte eine Weile auf das Stampfen der Ghost, das Rauschen der See und das gedämpfte Tosen des Windes, dann drehte ich mich auf die andere Seite und schlief friedlich weiter bis zum Morgen.
Als ich um sieben Uhr aufstand, sah ich nichts von Maud und schloß daher, daß sie in der Kombüse sei, um das Frühstück zu bereiten. Ich begab mich an Deck und fand, daß die Ghost sich prächtig hielt. In der Kombüse brannte zwar das Feuer, und das Wasser kochte, aber ich fand keine Maud.
Ich entdeckte sie schließlich im Zwischendeck neben Wolf Larsens Koje. Ich betrachtete ihn, den Mann, der von der höchsten Zinne des Lebens herabgeschleudert war in dies furchtbare Lebendigbegrabensein. Sein stilles, ruhiges Gesicht zeigte eine Milde, die ich nie zuvor gesehen. Maud blickte mich an, und ich verstand. „Sein Leben ist im Sturm erloschen", sagte ich.
„Aber er lebt noch", antwortete sie mit unendlicher Zuversicht in ihrer Stimme.
„Er hatte zuviel Kräfte."
„Ja", sagte sie. „Aber jetzt binden sie ihn nicht mehr. Er ist ein freier Geist."
„Ja, er ist jetzt frei", entgegnete ich; dann faßte ich ihre Hand und führte sie an Deck.