Gesammelte Werke. Джек Лондон

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Gesammelte Werke - Джек Лондон

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Prügel, die ihm je der Graue Biber oder der schöne Schmitt erteilt hatte. Die hatten ihm nur körperlich wehe getan, im Herzen aber hatte er sich wütend dagegen empört. Der Puff des Herrn jedoch war stets zu leicht, um wehe zu tun, aber derselbe ging tiefer. Es war der Ausdruck des Mißfallens des Herrn und gab ihm jedesmal einen Stich ins Herz. Allerdings war der Puff nur selten nötig, da die Stimme des Herrn genügte. Aus ihrem Klange wußte Wolfsblut, ob er recht oder unrecht getan hätte, und er richtete danach sein Betragen ein. Dies war der Kompaß, nach dem er steuerte, um Sitten und Gebräuche eines neuen Lebens und Landes zu lernen.

      Im Lande des Nordens war der Hund das einzige Haustier gewesen. Alle andern Tiere hatten in der Wildnis gelebt und waren, wenn sie nicht zu groß gewesen, seine rechtmäßige Beute geworden. Sein Lebenlang hatte Wolfsblut dieselben verfolgt und verzehrt, also kam es ihm nicht in den Sinn, daß es im Süden anders sein könne. Bald jedoch sollte er dies im Tal von Santa Clara kennen lernen. Als er einst früh am Morgen um die Ecke des Hauses bog, begegnete ihm ein Hühnchen, das aus dem Hühnerhof entwischt war. Wolfsbluts Instinkt trieb ihn an, es zu verzehren. Er machte ein paar Sätze, ließ seine Zähne blitzen, und das erschreckte, schreiende Hühnchen war gepackt. Es war gut gemästet, fett und zart, und Wolfsblut leckte sich das Maul, so vortrefflich hatte es ihm geschmeckt. Später am Tage fand er abermals ein verirrtes Hühnchen nahe am Stalle. Ein Stallknecht eilte zu dessen Rettung herbei. Aber er hatte von Wolfsbluts Abstammung keine klare Idee und ergriff als Waffe eine schwache Peitsche. Wolfsblut ließ beim ersten Peitschenhieb, der ihn traf, das Hühnchen fahren und wandte sich gegen den Mann. Ein Knüttel hätte ihn vielleicht aufgehalten, doch nicht eine Peitsche. Ohne Laut und ohne sich zu krümmen, nahm er einen zweiten Hieb im Sprunge hin, indem er dem Manne an die Kehle fuhr, der laut aufschrie und zurücktaumelte. Dabei ließ derselbe die Peitsche fallen und schützte das Gesicht mit dem Arm, der bis zum Knochen aufgerissen wurde.

      Der Mann war aufs Furchtbarste erschrocken, nicht so sehr über die Grimmigkeit als über die Lautlosigkeit des Angriffs. Während er Gesicht und Hals mit dem arg zerfleischten blutenden Arm verdeckte, suchte er den Schutz eines Schuppens zu gewinnen. Doch es wäre ihm schlimm ergangen, hätte sich Collie nicht ins Mittel gelegt. Wie sie Dick einst das Leben gerettet hatte, so rettete sie nun das des Stallknechts. In wahnwitziger Wut stürzte sie auf Wolfsblut los. Also hatte sie doch recht behalten, war sie doch klüger als die verblendeten Menschen gewesen! Ihr Argwohn war gerechtfertigt, der alte Räuber war wieder bei den üblichen Streichen!

      Der Stallknecht war in den Schuppen geflüchtet, während Wolfsblut vor Collies scharfen Zähnen zurückwich, wobei er ihr die Schulter zukehrte und sich im Kreise drehte. Aber Collie gab die Verfolgung nicht wie sonst nach kurzer Zeit auf; im Gegenteil wurde sie immer erregter und ingrimmiger, bis Wolfsblut am Ende seine Würde vergaß und ganz offen das Hasenpanier ergriff und in die Felder entfloh.

      »Er wird es schon lernen, daß er die Hühner in Ruhe lassen muß,« sagte der Herr. »Aber ich kann es ihm erst beibringen, wenn ich ihn auf frischer Tat ertappe.«

      Zwei Tage später geschah dies, aber es kam in ganz anderer Weise, als der Herr es sich gedacht hatte. Wolfsblut hatte den Hühnerhof und die Gewohnheiten seiner Bewohner genau studiert. Als diese nachts zur Ruhe gegangen waren, kletterte er auf einen frisch aufgeschichteten Holzhaufen, erreichte von dort das Dach des Hühnerstalles, kroch darüber hinweg und sprang auf der andern Seite in den Hof. Einen Augenblick später war er im Stalle und dann begann das Gemetzel.

      Am Morgen, als der Herr auf die Veranda hinaustrat, begrüßten sein Auge fünfzig weiße Hühnchen, die der Stallknecht in einer Reihe hingelegt hatte. Er pfiff leise vor sich hin, halb aus Überraschung, halb aus Bewunderung. Auch Wolfsblut begrüßte ihn, und ohne eine Spur von Scham oder Schuldbewußtsein. Im Gegenteil war seine Haltung stolz, als hätte er ein lobenswertes und verdienstliches Werk vollbracht. War er sich einer Sünde doch nicht bewußt! Der Herr biß sich auf die Lippe, als er an die unangenehme Aufgabe ging. Er sprach strenge zu dem ahnungslosen Missetäter, und in seiner Stimme klang heftiger Zorn, während er Wolfsbluts Nase auf die ermordeten Hennen niederhielt und ihm dabei einige derbe Püffe versetzte.

      Von der Zeit an plünderte Wolfsblut nie wieder einen Hühnerhof; das wäre ja gegen das Gesetz gewesen, das er gelernt hatte. Darauf nahm ihn der Herr auf den Hühnerhof mit. Wolfsbluts Instinkt, wenn er die lebendige Speise um sich und vor seiner Nase herumflattern sah, war, darauf loszuspringen, doch jedesmal, wenn er dem Triebe folgen wollte, hielt des Herrn Stimme ihn zurück. So blieben sie eine halbe Stunde lang dort, und ehe er das Reich der Hennen verlassen, hatte er gelernt, daß er sie unbehelligt lassen müßte.

      »Du kannst keinen Hund dahin bringen, daß er die Hühner in Ruhe läßt,« sagte bei Tische Richter Scott, als der Sohn ihm die Lektion erzählte, welche er Wolfsblut gegeben hatte, und schüttelte dabei ernst den Kopf. »Hat einer erst mal Blut geleckt, so –« und abermals schüttelte er ernst das Haupt.

      Aber Weedon Scott war nicht der Meinung. »Ich werde dir etwas sagen, Vater,« schloß er endlich den Streit. »Ich werde Wolfsblut den ganzen Nachmittag über bei den Hühnern einschließen.«

      »Aber so bedenke doch die armen Hühner,« warf der Richter ein.

      »Außerdem,« fuhr der Sohn fort, »werde ich dir für jedes Huhn, das er totbeißt, einen Dollar in Gold zahlen.«

      »Aber Vater muß auch, wenn er verliert, Strafe zahlen,« mischte sich Betty ein.

      Die Schwester stimmte ihr bei und jubelnder Beifall erhob sich um den ganzen Tisch. Richter Scott nickte zustimmend: »Schön!«

      Weedon Scott sann einen Augenblick nach, dann sagte er: »Wenn Wolfsblut im Lauf des Nachmittags keinem Huhn ein Leid zufügt, so sollst du für jede zehn Minuten, die er im Hühnerhof zugebracht hat, ernst und bedächtig, als ob du zu Gericht säßest und das Urteil sprächest, zu ihm sagen: ›Wolfsblut, du bist doch klüger als ich geglaubt habe.‹«

      Von einem Versteck aus beobachtete die Familie die Probe, die als Schauspiel eine Enttäuschung brachte. Kaum sah sich Wolfsblut im Hühnerhof eingeschlossen und von dem Herrn verlassen, so legte er sich nieder und schlief. Einmal nur stand er auf und ging an den Trog, um zu trinken, aber um die Hühner kümmerte er sich nicht; die schienen für ihn gar nicht da zu sein. Gegen vier Uhr nahm er einen Anlauf, sprang auf das Dach des Hühnerstalles und auf der andern Seite hinab und schritt gravitätisch dem Hause zu. Er hatte seine Lektion gelernt, und auf der Veranda sagte Richter Scott vor der jubelnden Familie sechzehnmal langsam und feierlich: »Wolfsblut, du bist doch klüger als ich geglaubt habe.«

      Allein es gab so viele Gesetze, daß es kein Wunder war, wenn Wolfsblut dann und wann dagegen verstieß. Er hatte auch zu lernen, daß er die Hühner anderer Leute nicht anrühren dürfe. Ferner gab es Katzen, Kaninchen und Puten, die er in Ruhe lassen mußte. Kurz, er hatte den Eindruck, als ob er alle lebendigen Geschöpfe unbehelligt lassen müßte. Wenn draußen auf einer Wiese eine Wachtel vor seiner Nase aufflatterte, so stand er vor Begierde zitternd zum Sprunge bereit da, aber er bezwang sich, um dem Willen des Gebieters gehorsam zu sein.

      Eines Tages jedoch sah er, wie Dick auf der Wiese ein wildes Kaninchen aufscheuchte und verfolgte. Der Herr sah zu und legte sich nicht ins Mittel, sondern ermunterte noch Wolfsblut, an der Jagd teilzunehmen. Also merkte er, daß die wilden Kaninchen vogelfrei seien und daß nur zwischen Haustieren keine Feindschaft, und wenn auch nicht Freundschaft, doch Neutralität, herrschen müsse. Aber andere Tiere, wie Eichhörnchen, Wachteln und wilde Kaninchen, waren Geschöpfe der Wildnis und hatten dem Menschen keine Treue geschworen. Darum waren sie für einen Hund rechtmäßige Beute. Doch die zahmen Tiere schützte der Mensch; darum war mit ihnen allen tödliche Fehde verboten. Denn der Mensch hielt die Gewalt über Leben und Tod dieser seiner Untertanen in den Händen und war eifersüchtig darauf.

      Das Leben im Tal von Santa Clara war mit dem einfachen im Polarland verglichen höchst verwickelt. Was im

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