Große Briefe der Freundschaft. ОтÑутÑтвует
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Große Briefe der Freundschaft - ОтÑутÑтвует страница 11
Potsdam, 24. Oktober 1773
Wenn es mir für immer versagt ist, Sie wiederzusehen, so freue ich mich doch, dass die Herzogin von Württemberg Sie gesehen hat. Diese Unterhaltung aus der Ferne ersetzt nicht den persönlichen Austausch. Berichte und Briefe sind kein Ersatz für Voltaire, wenn man ihn selbst besessen hat.
Ich danke Ihnen für die der Erinnerung an meine verstorbene Schwester geweihten Tränen. Ich hätte sicher mit geweint, wenn ich dieser rührenden Szene beigewohnt hätte. Nennen Sie es Schwäche oder übertriebene Verehrung, ich habe für meine Schwester geplant, was Cicero für seine Tullia plante. Ich habe ihr einen Tempel errichtet, der der Freundschaft geweiht ist. Im Hintergrunde steht ihr Standbild, und an jeder Säule hängt ein Medaillon mit dem Reliefbild eines Heros der Freundschaft. Ich schicke Ihnen den Entwurf. Der Tempel steht in einer Baumgruppe meines Gartens. Ich gehe oft hin, um an meinen Verlust und das einst genossene Glück zu denken.
[…]
Wir hoffen, dass diesen Winter vielleicht Friede geschlossen wird. Im Übrigen lieben wir das Sprichwort: »Leben und leben lassen.« Der Friede ist kaum zehn Jahre alt. Man muss ihn zu erhalten suchen, solange es ohne Gefahr möglich sein wird, und sich nicht zu viel noch zu wenig vorsehen, dass man nicht von einem Räuberhauptmann und Führer bezahlter Meuchelmörder überfallen wird.
Das ist nicht die Politik Richelieus oder Mazarins, aber die des Volkswohls, der wichtigsten Aufgabe der Obrigkeit.
Ich wünsche Ihnen diesen Frieden und alles erdenkliche Glück und hoffe, der Patriarch von Ferney wird den Philosophen von Sanssouci nicht vergessen, der sein Genie bewundern wird, solange noch Lebenswärme in ihm ist. Vale.
Potsdam, 24. Juli 1775
Unsre Deutschen haben den Ehrgeiz, sich ebenfalls an den schönen Künsten zu erfreuen. Sie bemühen sich, es Athen, Rom, Florenz und Paris gleichzutun. So sehr ich mein Vaterland liebe, so kann ich nicht sagen, dass sie bisher Erfolg gehabt hätten. Zweierlei fehlt ihnen: die Sprache und der Geschmack. Die Sprache ist zu wortreich. Die gute Gesellschaft bedient sich des Französischen, und einige Schulbücher und Professoren können der Sprache nicht die Feinheit und Eleganz geben, die sie nur im Verkehr mit der großen Welt erlangen kann. Nehmen Sie dazu die Verschiedenheit der Mundarten. Jede Provinz hält an der ihr eigenen fest, und bis jetzt ist noch nicht entschieden, welches Idiom den Vorzug verdient. Vor allem fehlt den Deutschen der Geschmack. Es ist ihnen noch nicht geglückt, die Dichter aus der Zeit des Augustus nachzuahmen. Ihre Werke sind eine schlechte Mischung des römischen, englischen, französischen und deutschen Geschmacks. Auch fehlt ihnen das feine Unterscheidungsvermögen, das die Schönheiten herausfindet, das Mittelmäßige vom Guten, das Edle vom Erhabenen zu unterscheiden und jedes am passenden Orte zu verwenden weiß. Wenn ihre Poesie viele klingende Worte enthält, sind nach ihrer Meinung ihre Werke wohlklingend, obwohl es gewöhnlich nur ein bombastisches Geschwätz ist. In der Geschichtsschreibung wird nicht der kleinste Umstand weggelassen, und wäre er noch so überflüssig. Ihre besten Bücher behandeln das Staatsrecht. Mit Philosophie befasst sich seit dem genialen Leibniz und der großen Monade Wolff kein Mensch mehr. Sie glauben, im Drama Erfolg zu haben, aber bis jetzt ist nichts Ausgezeichnetes erschienen. Deutschland ist jetzt gerade so weit wie Frankreich zur Zeit Franz I. Das literarische Interesse fängt an, sich auszubreiten. Man muss warten, bis die Natur echte Genies entstehen lässt, wie unter den Ministerien Richelieus und Mazarins. Der Boden, der einen Leibniz hervorgebracht hat, kann auch andere hervorbringen.
Ich werde diese schönen Tage meines Vaterlandes nicht erleben, aber ich sehe ihre Möglichkeit voraus. Sie werden mir sagen, das könne Ihnen sehr gleichgültig sein, und es wäre für mich bequem, den Propheten zu spielen, wenn ich den Termin der Erfüllung meiner Voraussage möglichst weit hinausschiebe. Das ist eben meine Art zu prophezeien, und sie ist die sicherste, da mich niemand widerlegen kann.
Ich für meine Person tröste mich damit, dass ich im Zeitalter Voltaires gelebt habe. Das genügt mir. Möge er leben, verdauen, seine gute Laune nicht verlieren und vor allem den Einsiedler von Sanssouci nicht vergessen. Vale.
Potsdam, 7. September 1776
Ludwig XIV. und Ludwig XV. haben durch ihre lange Regierung die Geduld der Franzosen auf eine harte Probe gestellt. Ich bin nun 36 Jahre auf meinem Posten. Vielleicht missbrauche ich nach ihrem Beispiele das Recht zu leben, vielleicht bin ich nicht gefällig genug abzutreten, wenn man meiner überdrüssig wird.
Es ist noch immer meine Gewohnheit, mich nicht zu schonen. Je mehr man sich verwöhnt, umso empfindlicher und kraftloser wird man. Mein Beruf fordert Arbeit und Tätigkeit; Körper und Geist müssen sich der Pflicht unterordnen. Es ist nicht nötig, dass ich lebe, aber wohl, dass ich handle. Ich habe mich dabei immer wohlgefühlt. Ich dränge jedoch niemand meine Methode auf und begnüge mich, sie selbst zu befolgen.
Das »Pflegkind« Maria Theresia an Gräfin Rosalie von Edling
Maria Theresia (1717–1780) war Erzherzogin von Österreich, Königin von Böhmen und Ungarn und in gewisser Weise ungekrönte Kaiserin. Im Jahre 1745 erreichte die Erbtochter Kaiser Karls VI. nämlich die Wahl und Krönung ihres Ehemannes Franz I. zum deutschen Kaiser; die Regierungsgeschäfte führte aber allein Maria Theresia. Sie war Mutter von sechzehn Kindern, unter ihnen die beiden künftigen Kaiser Josef II. und Leopold II. Marie Antoinette, die unglückselige französische Königin, die ihr Leben im Zuge der Französischen Revolution verlor, war eine Tochter der österreichischen Machtpolitikerin. Maria Theresia war ihren Kindern zwar oft liebevollste Mutter, aber ihrer ambitionierten Heiratspolitik entkam nur die Tochter Marie Christine, die als Einzige den Mann heiraten durfte, den sie liebte.
Dieser auf der einen Seite warmherzigen, auf der anderen oft kalt kalkulierenden ungekrönten Kaiserin war die Gräfin Rosalie von Edling (1695–1779) eine geradezu mütterliche Freundin. Von Jugend an hing Marie Theresia mit kindlich-freundschaftlicher Liebe an Rosalie und suchte gerade in schweren Zeiten, wie etwa dem Tod eines Kindes oder auch ihres geschätzten Mannes Franz Stefan, Trost bei der alten, vertrauten Freundin. Briefe an Gräfin Rosalie von Edling
[Januar 1761]
Liebste Salerl. In meiner großen Betrübnis, einen so lieben Sohn, als wie der Karl war, verloren zu haben, habe [ich] keine andere Konsolation, als meiner alten, guten Freunde mich zu erinnern, wo Du eine der Ersten bist, und niemals genug Dir meine Erkenntlichkeit bezeigen kann für alles Gute, was ich Dir schuldig bin. Es ist hier ein sehr habiler Oculist, Wenzel genannt, der sehr vielen völlig geholfen […]. Er operiert viel geschwinder, weniger schmerzlich, und [es] kann der Star niemals mehr zurückkommen, weil er ihn nicht sticht, sondern herausnimmt, und die ganze Operation eine und eine halbe Minute dauert und nicht mehr Schmerzen als ein Aderlass macht. Wenn Du Dich resolvieren könntest, ihn zu sehen, so will ich Dir ihn schicken; Du dürftest Dich um nichts sorgen, da ich mich von allem chargiere; es soll Dir auch nichts kosten als das Logement. Ich erwarte also Deine Antwort und wäre wohl vergnügt, wenn ich Dir zu etwas nützlich sein könnte. Bete für mich, da ich es in allem nötig habe, denn Gott hat mir viel auferlegt. Ich verdiene es nur allzu wohl, verlange nichts anderes als zu seiner Ehre und zum Nutzen der Länder und Heile meiner Kinder, solang Gott es noch will, mein Leben anzuwenden, so traurig es auch jetzt und künftig noch zu sein scheint. Seine Gnade aber ist mir dazu höchst nötig, denn ohne selbe ist der Mensch nichts und ich noch weniger als ein anderer.
Liebste Salerl, ich wünsche, statt dieses [Briefes] mit Dir reden zu können, und bleibe allzeit Deine gewiss treue, alte Freundin
Maria Theresia
Den 21. Februar 1766
Liebste,