Das Dekameron. Giovanni Boccaccio
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„Die Sonne steht noch hoch, wie ihr seht; die Hitze ist groß, und man hört nichts als das Geschrei der Zikaden in den Ölbäumen; daher es gewiss töricht wäre, anderswo hinzugehen. Hier sind wir im Kühlen und haben Dame- und Schachspiel bei der Hand, sodass ein jeder sich vergnügen kann, wie es ihm beliebt. Wollt ihr aber meinem Rat folgen, so lasst uns lieber statt des Spieles, welches doch immer dem einen unangenehme Empfindungen verursacht, ohne dem andern Teile oder dem Zuschauer viel Vergnügen zu machen, die heiße Tageszeit mit Erzählungen zubringen; so wird der Erzähler die ganze Gesellschaft, die ihm zuhört, stets angenehm unterhalten. Ihr werdet kaum ein jeder seine Erzählung geendigt haben, ehe sich die Sonne neiget und die Hitze nachlässt, da wir dann überall, wo es euch gefällig sein wird, uns ergötzen können. Wenn ihr demnach meinen Vorschlag genehmigt, so lasst uns ihn zur Ausführung bringen; wo nicht, so vertreibe sich ein jeder die Zeit bis zur Vesperstunde, wie es ihm am besten gefällt. Was mich betrifft, so will ich mich gern in eure Wünsche fügen.“
Die Damen und Herren stimmten sogleich einmütig für das Geschichtenerzählen. „Wohlan denn“, sprach die Königin, „wenn ihr es zufrieden seid, so sei an diesem ersten Tage einem jeden die Wahl des Themas, das ihm am besten behagt, überlassen.“
Sie wandte sich darauf an Pamfilo, der ihr zur Rechten saß, und bat ihn sehr höflich, mit einer Erzählung nach seinem Geschmack den Anfang zu machen. Pamfilo gehorchte unverzüglich, und alle hörten ihm aufmerksam zu, als er folgendermaßen begann:
ERSTE NOVELLE
Herr Ciappelletto führt durch eine falsche Beichte einen frommen Vater an der Nase herum. Und obwohl er in seinem Leben ein Erzhalunke gewesen, so wird er doch nach seinem Tode für einen Heiligen gehalten und Sankt Ciappelletto genannt.
Es scheint mir schicklich, meine liebenswürdigen Damen, alles, was der Mensch beginnt, im erlauchten und heiligen Namen dessen zu beginnen, der der Schöpfer aller Dinge ist. Da ich nun als Erster hier im Kreise mit dem Geschichtenerzählen anfangen soll, so will ich Ihnen von einem Wunder Gottes berichten, damit, wenn wir es staunend vernehmen, unser Vertrauen auf ihn, als auf ein unwandelbares Wesen, gestärkt, und sein Name von uns immerdar gepriesen sei. Es ist eine offenbare Tatsache, dass alle zeitlichen Dinge und Wesen nicht nur vergänglich und sterblich, sondern auch innerlich und äußerlich von Angst, Sorge und Trübsal umgeben, unzähligen Gefahren ausgesetzt sind. Wir, die wir in der Reihe dieser Wesen stehen, ja ein Teil von ihnen sind, könnten der ständigen Bedrohung weder widerstehen noch sie erfolgreich abwehren, wenn die besondere Gnade Gottes uns nicht die Kraft und Weisheit dazu verliehe. Man glaube aber ja nicht, dass diese göttliche Gnade sich zu uns herablasse und in uns versenke unserer Verdienste halber. Sie wird durch die ihr innewohnende immanente Güte dazu bewogen, sowie durch das flehende Gebet derjenigen, die einst, da sie noch sterblich waren, den Willen Gottes mit Freudigkeit erfüllten, jetzt aber in Ewigkeit mit ihm eins und selig geworden sind. Diesen Fürsprechern, die aus eigener Erfahrung unsere Schwachheit kennen, pflegen wir, nicht mutig genug, um persönlich an den Richter aller Richter zu appellieren, unsere Bitten um das, was wir für notwendig und nützlich halten, vorzutragen. Oft bezeugt er uns noch unendlich mehr, vielleicht unverdiente Barmherzigkeit; denn da wir mit der Blindheit unseres sterblichen Auges in die Geheimnisse des göttlichen Geistes nicht einzudringen vermögen, so kommt es bisweilen vor, dass wir, im Irrtum befangen, einen solchen zum Fürsprecher bei Seiner göttlichen Majestät wählen, den Er auf ewig von seinem Angesicht verstoßen hat. Und dennoch erhört Er, dem nichts verborgen ist, das Gebet. Denn er sieht mehr auf die reine Absicht und das reine Herz des Hilfeheischenden als auf seine Torheit und die Verworfenheit des angerufenen Fürsprechers. Er erfüllt die Bitte so, als ob jener heilig wäre in seinen Augen. Deutlich wird man dies aus der Geschichte ersehen, die ich jetzt erzählen will. Deutlich sage ich nach menschlichem Urteil, ohne dem göttlichen vorzugreifen. Man erzählt von einem gewissen Musciatto Francesi, der in Frankreich aus einem reichen und angesehenen Kaufmann ein Edelmann geworden war und mit Karl ohne Land, dem Bruder des Königs von Frankreich (den der Papst Bonifatius zu sich berufen hatte und der sich auch willig finden ließ), nach Toskana ziehen sollte, dass er (wie es den Kaufleuten oft zu gehen pflegt) seine vielfältigen Geschäfte ein wenig durcheinandergebracht hatte und, weil sie sich in der Geschwindigkeit nicht ordnen ließen, den Entschluss fasste, verschiedenen Personen Auftrag zu geben, mit seinen Schuldnern Abrechnung zu halten. Er fand auch zu allem Rat; nur blieb er in Verlegenheit, wem er es auftragen solle, seine Schulden bei gewissen Burgundern einzutreiben.
Diese Verlegenheit entstand daher, dass er die Burgunder als hartnäckige, übelgesinnte und betrügerische Leute kannte, und er wusste sich auf keinen Menschen zu besinnen, den er für verschlagen und listig genug gehalten hätte, um sich auf ihn genugsam verlassen und ihn seinen Schuldnern entgegensetzen zu können. Wie er lange genug darüber nachgedacht hatte, erinnerte er sich endlich eines gewissen Ser Ciapperello da Prato, der oft in sein Haus in Paris zu kommen pflegte, und den die Franzosen Ciappelletto zu nennen gewohnt waren; denn weil er klein von Person und sehr zierlich und geschniegelt war, und weil die Franzosen nicht wussten, was Ciapperello bedeuten solle, sondern glaubten, er hieße vielleicht Capello (Kranz), welches in ihrer Sprache Chapelet heißt, so nannten sie ihn, weil er so klein war, nicht Capello, sondern Ciappelletto, und unter diesem Namen war er allgemein bekannt, da hingegen wenige seinen rechten Namen Ciapperello wussten. Mit der Lebensart dieses Ser Ciappelletto hatte es folgende Bewandtnis: Er war ein Notar, hätte sich aber gewaltig geschämt, wenn unter den wenigen Urkunden, die er ausfertigte, sich eine einzige richtige befunden hätte; aber solche zu fälschen war er jeden Augenblick bei der Hand und machte dergleichen lieber umsonst als eine echte für die beste Bezahlung. Falsches Zeugnis legte er mit dem größten Vergnügen ab, gebeten oder ungebeten, und da man zu der Zeit in Frankreich einem Eidschwur großen Glauben beimaß, so wurden alle Prozesse gewonnen, in welchen er zum Zeugen auf seinen Eid gerufen ward, weil es ihm nicht die geringste Überwindung kostete, einen Meineid zu schwören. Er gab sich auch viele Mühe und fand ein großes Vergnügen daran, Feindschaft und Verdruss in Familien und zwischen Freunden und andern Personen anzustiften, und je größer das Unglück war, das daraus entstand, desto größer war seine Freude. Ward er eingeladen, an einem Morde oder an einem andern Verbrechen teilzunehmen, so gab er nie eine abschlägige Antwort, sondern war mit dem größten Vergnügen dabei und hatte mit eigenen Händen manchen Menschen verwundet oder erschlagen. Er war der größte Lästerer Gottes und seiner Heiligen und fluchte und lästerte bei dem kleinsten Anlass, weil er ungewöhnlich jähzornig war. In die Kirche ging er nie, und ihre Sakramente verhöhnte er als verächtliche Dinge mit den abscheulichsten Ausdrücken. Dagegen war er nirgends lieber als in den Kneipschenken und an andern liederlichen Orten. Die Weiber liebte er wie der Hund den Knüppel, dem entgegengesetzten Laster aber war er mehr als irgendein anderer Lust- und Schandbube ergeben. Raub und Diebstahl beging er mit eben dem Gewissen, womit ein heiliger Mann seine Gabe auf dem Altar darbringen würde. Er war ein Fresser und Säufer bis zum ekelhaftesten Übermaß, und als falscher Spieler mit Karten und Würfeln war er berüchtigt. Mit einem Worte, er war vielleicht der größte Bösewicht, den jemals die Sonne beschienen hat. Die Macht und der Reichtum des Musciatto dienten ihm lange Zeit zur Stütze, und um seinetwillen fürchteten ihn oft diejenigen Privatpersonen, die er bisweilen beleidigte, und duldete ihn der Hof, dem er schon manchen Possen