Das Dekameron. Giovanni Boccaccio
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Das Dekameron - Giovanni Boccaccio страница 9
Ciappelletto versetzte: „Ehrwürdiger Pater! Es wäre mir leid, wenn Ihr übel von mir dächtet, weil ich hier bei diesen Wucherern wohne. Ich habe nichts mit ihnen zu schaffen, sondern ich halte mich vielmehr bloß deswegen bei ihnen auf, damit ich sie warne und ermahne, von dieser abscheulichen Gewinnsucht zu lassen. Ich glaube auch wirklich, es wäre mir gelungen, wenn mich Gott nicht auf diese Weise heimgesucht hätte. Allein ich muss Euch sagen, dass mein Vater mir einst ansehnliche Reichtümer hinterließ, wovon ich nach seinem Tode den größten Teil den Armen gab und hernach, um mein eignes Leben zu fristen und um den Armen in Christo beizustehen, einen kleinen Handel trieb, bei dem ich freilich nach Gewinn trachtete, aber immer mit der lieben Armut teilte, sodass ich die eine Hälfte für meine Bedürfnisse verwandte, die andere Hälfte den Armen gab; dabei hat mich der Beistand meines Schöpfers dergestalt gesegnet, dass meine äußeren Umstände sich von Tag zu Tag verbessert haben.“
„Du hast wohl getan“, sprach der Pater. „Aber hast du dich wohl oft vom Zorn hinreißen lassen?“
„Leider ja“, sprach Ciappelletto, „ich kann Euch versichern, dass mir dies oft genug begegnet ist. Aber wer könnte sich dessen auch enthalten, wenn man sieht, wie die Leute täglich Werke der Finsternis ausüben, die Gebote Gottes nicht halten und sein Gericht nicht fürchten? Wie manchen lieben Tag hätte ich mir nicht lieber den Tod gewünscht als das Leben, wenn ich sehen musste, wie die Jünglinge dem eitlen Tand und Wesen nacheifern, wie sie fluchen und schwören, wie sie in den Weinkneipen umherschwärmen und die Kirche nicht besuchen und viel eher auf den Pfaden der Welt als auf den Wegen Gottes wandeln.“
„Das ist ein frommer, löblicher Eifer, mein Sohn“, sprach der Pater, „und ich kann dir deswegen, meiner Meinung nach, keine Buße auflegen. Aber hat dich nicht etwa dein Zorn verführt, einen Totschlag zu begehen oder jemand durch Scheltworte oder sonst auf irgendeine Weise zu beleidigen?“ „Herr, wie kann ein Mann Gottes solche Sprache führen?“ sprach Ciappelletto. „Glaubt Ihr denn, wenn mir irgendein Gedanke an dergleichen Handlungen ins Herz gekommen wäre, dass ich mir einbilden könnte, Gott hätte mich so lange leben lassen? Das sind Übeltaten, deren nur Straßenräuber, Strauchdiebe und andere sittenlose Menschen fähig sind. Wenn mir dergleichen Leute in den Weg kamen, pflegte ich immer zu sagen: Geh mit Gott, der dich bekehren und bessern möge!“
„Gott segne dich, mein Sohn!“ sprach der Pater. „Aber sage mir nun, hast du jemals falsches Zeugnis wider jemand abgelegt, böse Nachrede geführt oder dir fremdes Eigentum angemaßt, wider Willen dessen, dem es gehörte?“ „Freilich, Herr“, sagte Ciappelletto, „habe ich Böses von jemandem gesprochen; ich hatte einmal einen Nachbarn, der wider alles Recht und Billigkeit nie aufhörte, sein Weib zu prügeln, daher ich einst mit Unglimpf gegen die Verwandten seiner Frau von ihm sprach, weil mir das arme Weib so leid tat. Sooft er betrunken war, prügelte er sie dermaßen zusammen, dass es Gott erbarme.“
„So sage mir denn“, sprach der Geistliche, „da du ein Kaufmann bist, hast du nie jemanden übervorteilt, wie die Kaufleute wohl zu tun pflegen?“
„Ach freilich ja, lieber Herr“, sprach Ciappelletto, „allein ich erinnere mich nicht mehr, wer es war, der mir einmal Geld brachte, das er mir für verkauftes Tuch schuldig war, und ich legte es ungezählt in meinen Geldkasten, und wie etwa ein Monat vergangen war, fand ich darin vier Groschen zu viel, die ich wohl ein Jahr lang aufhob, um sie ihm wiederzugeben; weil ich ihn aber nicht wiederzusehen bekam, schenkte ich sie einem Bettler.“
„Es war eine Kleinigkeit“, sprach der Pater, „und du hast sie gut angelegt.“ Darauf fragte ihn der fromme Pater noch mancherlei, worauf er ihm in gleichem Tone antwortete. Wie nun der Pater schon zur Absolution schreiten wollte, sprach Ciappelletto: „Lieber Herr, ich habe noch eine Sünde begangen, die ich Euch nicht gebeichtet habe.“
„Und was für eine?“ frug der Pater.
„Ich erinnere mich“, gab Ciappelletto zur Antwort, „dass ich einst meine Diener am Sonnabend abends das Haus fegen ließ und also den Vorsabbat nicht so heilig hielt, wie ich sollte.“
„Mein Sohn, das hat wenig zu bedeuten“, sprach der Pater.
„Oh, sagt das nicht, dass es wenig bedeutet“, sprach Ciappelletto, „der Sonntag ist immerdar geheiligt, weil an diesem Tage unser Erlöser vom Tode zum Leben erstand.“
„Hast du sonst noch etwas auf dem Herzen?“ fragte der Mönch.
„Ja, Herr“, sprach Ciappelletto, „einmal habe ich, ohne daran zu denken, in der Kirche ausgespien.“
Der Pater lächelte: „Lieber Sohn, daraus musst du dir nichts machen. Wir Geistlichen selbst tun dies alle Tage.“
„Daran tut ihr sehr übel“, sprach Ciappelletto, „denn nichts sollte sauberer gehalten werden als die heilige Stätte, wo man Gott sein Opfer bringt.“ Kurz, Ciappelletto brachte noch eine Menge solcher Sachen vor und am Ende fing er an zu seufzen und bitterlich zu weinen, welches er meisterhaft konnte, so oft er wollte.
„Was hast du denn noch?“ fragte ihn der biedere Mönch.
„O weh, Herr!“ sprach Ciappelletto, „es ist mir noch eine Sünde übrig geblieben, die ich noch nie gebeichtet habe, weil ich mich so sehr schämen muss, sie zu gestehen. So oft ich mich daran erinnere, muss ich bitterlich weinen, wie Ihr jetzt seht, und ich fürchte wahrlich, dass Gott wegen dieser Sünde nimmermehr Erbarmen mit mir haben werde.“
„Was redest du für ungereimtes Zeug, mein Sohn?“ sprach der fromme Mann. „Wenn alle Sünden, die jemals in der Welt begangen wurden oder noch künftig begangen werden, von einem einzigen Menschen begangen wären, und dieser wäre so reuig, zerknirscht und bußfertig, wie ich dich finde, so ist die Gnade und Barmherzigkeit Gottes so groß, dass er sie ihm auf sein Bekenntnis freudig vergeben würde. Sprich dich nur rückhaltlos aus!“
Ciappelletto antwortete unter Tränen: „Ach, Vater! Meine Sünde ist zu groß, und ich kann kaum glauben, dass mir sie Gott jemals vergeben wird, wenn Ihr mir nicht mit Eurem Gebete beisteht.“
„Beichte ohne Scheu“, sprach der Pater, „ich verspreche dir, bei Gott für dich zu bitten.“
Ciappelletto fuhr immer fort zu weinen und wollte nicht mit der Sprache heraus. Der Pater sprach ihm indessen beständig Trost zu, und wie nun Ciappelletto mit seinen Tränen den Geistlichen lange Zeit hingehalten hatte, stieß er endlich einen tiefen Seufzer aus und sagte: „Mein Vater, weil Ihr mir versprecht, bei Gott für mich zu bitten, so will ich‘s Euch bekennen. Wisset, dass ich einst, wie ich noch ein kleines Kind war, meine Mutter gescholten habe.“ Wie er dies gesagt hatte, hub er an, von Neuem zu jammern.
„Und scheint dir denn das eine so schreckliche Sünde zu sein, mein Sohn?“ sagte der Geistliche. „Die Menschen lästern ja Gott selbst jeden Tag, und doch verzeiht er es gern denen, die es herzlich bereuen, und du wolltest nicht glauben, dass er dir dieses verzeihe? Weine nicht, sei getrost, denn wahrlich, wenn du auch einer von denen gewesen wärst, die ihn ans Kreuz schlugen, und du bewiesest dich so zerknirscht, wie ich dich sehe, so würde er‘s dir verzeihen.“ Ciappelletto versetzte: „Wehe, mein Vater, was sagt Ihr! Meine liebe Mutter, die mich neun Monate Tag und Nacht unter ihrem Herzen getragen und mich tausendmal an ihren Busen gedrückt hat – wie übel tat ich, sie zu schelten! Die Sünde ist gar zu groß, und wenn Ihr nicht Gott für mich bittet, so wird sie nimmer vergeben.“
Wie der Geistliche fand, dass Ciappelletto nichts weiter zu sagen hatte, erteilte er ihm die Absolution und gab ihm seinen Segen, indem er ihn für den heiligsten