Im Sonnenwinkel Staffel 4 – Familienroman. Patricia Vandenberg
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»Wenn deine Tante gewusst hätte, dass Opa Behrend so reich ist und dich so gern haben will, dann hätte sie dich bestimmt zu ihm geschickt. Und was hättest du dann gemacht, Sabine?«
Sabine ging das nicht gleich in den Sinn.
»Wie meinst du denn das, Bambi?«, fragte sie.
Bambi fühlte sich jetzt schon sicherer. Sie hatte ganz plötzlich eine Geschichte fest im Kopf.
»Pass mal auf, Sabine. Deine Tante hätte dich doch auch nach Köln bringen können, wenn sie dich schon loswerden wollte. Dann hätte sie zu dir gesagt, dass du zu deinem Opa gehen sollst, und dann hätte sich der Opa auch gefreut, dass du da bist.«
»Warum hat mich der Opa dann aber nie besucht, wenn er sich gefreut hätte?«
»Hat dich denn Tante Norma mal besucht, oder der Onkel Herbert oder Anschi und Stefan?«, fragte Bambi nachdenklich. »Sie haben nicht gewusst, wo sie dich besuchen können, so war es nämlich.«
Sie war ungeheuer stolz, dass sie diese Erklärung gefunden hatte und Sabine, allem Anschein nach, damit tief beeindruckte.
Und dann vertraute ihr Sabine auch noch das große Geheimnis an, das Bambi ihrerseits schwer begreifen konnte.
»Tante Ruth hat gesagt, dass Stefan mein Vater ist, aber er ist gar nicht mein Vater«, erklärte Sabine flüsternd. »Ich heiße nämlich auch gar nicht Behrend. Behältst du das für dich, Bambi?«
Verwirrt nickte Bambi. Aber später überlegte sie sich, dass es sicher nicht schlimm wäre, wenn sie es wenigstens ihrer Mami sagen würde, die doch bestimmt gescheiter war als sie und eine Erklärung dafür wüsste.
*
»Mami, ich muss dich mal was fragen«, begann sie auch gleich, kaum dass sie zur Tür herein war. »Wir heißen doch alle Auerbach?«
»Darüber besteht kein Zweifel«, erwiderte Inge lächelnd.
»Omi und Opi heißen aber von Roth. Wieso das?«
»Weil sie meine Eltern sind und ich Papi geheiratet habe. Wenn man heiratet, bekommt man den Namen des Mannes.«
Für Inge war es nicht ungewohnt, dass Bambi solche Fragen stellte. Einstweilen dachte sie sich noch nichts dabei. Doch schon bei der nächsten Frage wurde sie hellhörig.
»Sabine ist aber noch nicht verheiratet. Warum heißt sie anders als ihr Papi? Nein, warte mal, sie hat ja gesagt, dass Stefan gar nicht ihr Papi ist. Ich finde mich jetzt wirklich nicht mehr raus. Wenn ich es selber nicht verstehe, kann ich es doch Sabine auch nicht erklären, oder?«
»Ich kann es dir auch nicht erklären«, sagte Inge.
»Dann muss es schrecklich schwierig sein.«
Sie versank in tiefes Schweigen, und Inge wartete gespannt, was sie nun hervorbringen würde.
»Stefan heißt Behrend, und der Opa auch Behrend«, konnte sie gleich darauf vernehmen. »Aber Sabine heißt nicht Behrend, das hat sie mir selber gesagt.«
»Fest steht, dass ihr Opa Behrend heißt«, erklärte Inge, »ganz egal wie sie heißt. Du heißt Auerbach und dein Opi Roth. Verstehst du das, Bambi?«
Fragend schaute Bambi ihre Mami an.
»Ist es ganz bestimmt ihr Opa?«
»Ganz bestimmt, Bambi.«
Bambi seufzte schwer. »Eigentlich möchte ich ja lange klein sein und euer Nesthockerl«, sagte sie, »aber manchmal möchte ich auch groß und schlau sein und alles verstehen.«
Inge nahm sie in die Arme und drückte sie an sich.
»Man braucht gar nicht alles zu verstehen, Schätzchen. Bleib lieber noch recht lange unser Nesthockerl.«
*
Immerhin hatte Bambi erreicht, dass Sabine sich auch ihre Gedanken machte.
Am Abend dieses Tages, als Anschi sie zu Bett brachte, fragte sie: »Warum heißt der Herr eigentlich Behrend, Anschi? Ich meine, der Opa, den Onkel Herbert mitgebracht hat.«
»Der Zufall wollte es so, dass er auch Behrend heißt, Binchen.«
»Was ist Zufall, Anschi?«
»Zum Beispiel, dass manche Menschen den gleichen Namen haben«, antwortete Anschi.
Sabine legte ihre Wange auf Anschis Hand.
»Bambi hat gesagt, dass mich Tante Ruth auch zu ihm geschickt haben könnte. Stimmt das?«
»Es hätte sein können«, erwiderte Anschi zögernd, um der Wahrheit nicht ganz aus dem Weg zu gehen.
»Bambi ist noch viel kleiner als ich und schon mächtig gescheit, aber ganz dumm bin ich auch nicht. Warum hat Tante Ruth gesagt, dass ich zu meinem Vater komme?«
»Weil sie gemeint hat, dass Stefan dein Vater ist, Binchen«, erklärte Anschi nach kurzem Überlegen. »Dein Vater hieß auch Stefan Behrend. Es gibt solche Zufälle.«
Sabine vergrub ihren Kopf in den Kissen.
»Warum hast du mich dann nicht weggeschickt, wenn es bloß ein Zufall war?«, fragte sie mit tränenerstickter Stimme.
»Weil wir dich lieb haben, und daran wird sich nichts mehr ändern.«
»Aber mein Vater will mich nicht haben!«, schluchzte Sabine.
»Er ist tot. Er hätte dich genauso lieb wie wir«, sagte Anschi leise. »Ja, ganz gewiss hätte er dich lieb.«
»Und der Opa?«
Anschi hielt den Atem an. Sie sah Otto Behrend wieder vor sich, wie er sich vor ihr verbeugte.
»Der Opa will, dass du keinen Kummer und keine Angst hast«, erwiderte sie gedankenvoll.
»Ist er deshalb weggefahren?«
»Ja, deshalb.«
Anschi raffte sich auf.
»Jetzt genug davon, Binchen. Es ist schon spät.«
»Und Stefan wird ärgerlich, wenn du so lange bei mir sitzt. Das verstehe ich. Ich kann dich ja den ganzen Tag sehen.«
*
Dr. Rückert hatte mittags nur wenig Zeit für Otto Behrend gehabt, aber er hatte ihm ein hübsches Zimmer in einer kleinen Privatpension vermittelt, die am Stadtrand gelegen war, und ihm versprochen, ihn dort abends aufzusuchen. Bis dahin hatte Otto Behrend genügend Zeit, sich mit dem Inhalt der Tasche zu beschäftigen.
Es waren bittere Stunden für ihn, vor allem als er jenen Brief las, der an Erika zurückgeschickt worden war mit dem Vermerk: »Adressat verstorben«. Denn in diesem Brief hatte sie seinem Sohn mitgeteilt, dass sie ein Kind erwarte.