Luisas Chance. Carola Wegerle

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Luisas Chance - Carola Wegerle edition Carola Wegerle

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hat, freut sie sich und denkt dabei an Johanna, die Jungfrau von Orléans. Die konnte überhaupt nicht reiten, aber sie hat sich einfach aufs Pferd gesetzt.

      Weiter oben am Bach machen sie Rast. Das ist Luisas Lieblingsplatz. Eine alte Weide lässt dort ihre Äste tief über den Bach hängen, weiches Moos bedeckt das Ufer. Daneben wächst ein Strauch mit blassgrünen Blättern, an dem Racker gern knabbert, und er hat noch nie Bauchweh davon bekommen. Also lässt sie ihn knabbern.

      „Ach Racker“, seufzt sie, „es gibt keine Theater-AG.“ Das Pferd blickt sie aufmerksam an. „Und ich möchte doch so gern spielen!“, vertraut sie ihm an. Racker schnaubt, und der Bach gluckert tröstend. Luisa streckt sich auf dem Moos aus und blickt in den Himmel, der durch die Äste der Weide schimmert und eingerahmt vom Grün ganz besonders blau aussieht. Wenn sie draußen in der Natur ist, fühlt sie sich immer gut, selbst, wenn sie mal sehr traurig ist oder sich über jemanden geärgert hat. Sie mag es, wie der Wind in den Blättern spielt. Die erzählen dann überraschend viel, aus ihrem Baum-Leben, von den Tieren, den Menschen und der Welt. Luisa ist ziemlich sicher, dass auch Elfen und Gnome im Wald wohnen. Natürlich darf sie das in der Schule nicht erwähnen, auch nicht Verena gegenüber, die würden sie sonst alle für durchgeknallt halten. Es bleibt ihr Geheimnis. Sie lächelt und hört den leisen Geschichten der Blätter zu, während Racker sich den Bauch vollschlägt. „M-hm“, sagt sie manchmal und

      „Ach je“ und „Na sowas!“ und „Das finde ich auch.“

      Plötzlich fährt sie auf. Schritte! War sie eingedöst? Sie sind schon ganz nah. Luisa rollt sich auf alle Viere und greift nach einem Ast, der im Moos liegt. Sie hält den Atem an: Jemand biegt die Zweige des Strauchs auseinander, in den Racker seinen Kopf gesteckt hat. Der schnaubt empört. Tolles Wachpferd, denkt Luisa und umklammert den Ast fester.

      „Luisa!“, sagt eine Stimme erstaunt, und der Stimme folgt ein Gesicht. Daniel! Erleichtert atmet Luisa aus.

      „Du kennst den Platz also auch“, staunt er und lässt sich neben ihr ins Moos fallen. So unauffällig wie möglich versucht Luisa, ihre Hände von ihrer hölzernen Waffe zu lösen. Ihre Knöchel sind ganz weiß geworden, so fest hielt sie den Ast umklammert.

      „Hab‘ ich dich erschreckt?“, fragt Daniel und blickt auf den Ast. Ist das peinlich, denkt Luisa und versteckt ihre verräterischen Knöchel hinter dem Rücken. Daniel guckt erschrocken.

      „Entschuldige, ich wollte nicht – “

      „Nö, gar nicht“, kichert Luisa. „Wie kommst du denn da drauf?“ Oh Gott, stöhnt sie innerlich, was redet sie denn da? Und warum kichert sie so schwachsinnig? Bevor sie wieder rot wird, muss sie was tun. Sie steht auf und klopft Racker auf den Rücken.

      „Wo ist Felissa?“, fragt sie, um von sich abzulenken. Felissa ist Daniels braune Stute.

      „Mampft den Löwenzahn auf der kleinen Wiese dort drüben“, lächelt Daniel, der sofort begriffen hat, dass sie vor ihm flüchtet. „Ich bin lieber allein, wenn ich mich ein bisschen mit den Bäumen und dem Bach unterhalten will.“

      „Du machst das auch?“, fragt Luisa perplex. Ihr Herz klopft Galopp. Oder sagt er das nur, damit es ihr nicht so peinlich ist? Es hat ein bisschen wie ein Scherz geklungen … Aber eigentlich ist das vollkommen egal, Daniel ist auf jeden Fall sehr, sehr … Nun, sie mag ihn. Sie mag ihn sogar sehr. Warum ist ihr das im Reitstall noch nie aufgefallen? Sie schluckt. Ihr Mund ist ganz trocken, und ihr Kopf fühlt sich so heiß an wie ein Lagerfeuer. Plötzlich spürt sie, dass sie Brüste hat. Schnell dreht sie Daniel den Rücken zu.

      Ob er etwas gemerkt hat, weiß sie nicht. Ruhig fährt er fort:

      „Das hab‘ ich mir wohl bei den Pferden so angewöhnt. Ich spreche immer mit ihnen. Beim Ausreiten bin ich viel in der Natur, allein, und da hab‘ ich entdeckt, dass Bäume und Steine und sogar der Bach reden. Ist doch eigentlich klar, oder?“

      „Glaubst du, dass Bäume eine Seele haben?“, überlegt Luisa.

      „Bestimmt haben sie eine Seele“, erwidert Daniel nachdenklich.

      Jemand, mit dem sie reden kann! Jemand, der nicht über so etwas lacht … Luisa blickt ihn mit großen Augen an. Doch dann richtet sie sich nervös auf. „Ich muss zurück! Ich hab‘ nur für eine Stunde ausgemistet, und Herr Hauser – “

      „Ist mein Vater. Und heute nicht da. Wir reiten jetzt erst- mal“, sagt Daniel bestimmt und steht auf. Luisa blickt ihn unsicher an.

      „Ich nehme das mit der Uhrzeit nicht so genau“, beruhigt er sie.

      Glücklich lässt sich Luisa den Wind durch die verschwitzten Haare wehen. Sie reiten über Felder und einen Hang hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter, sie entdecken eine Schafherde, und immer sind sie genau im gleichen Rhythmus. Sie traben gleichzeitig und galoppieren gleichzeitig und lassen die Pferde im Schritt über Felsen klettern. Die ganze Zeit hüpft etwas in ihr, hinter ihren Rippen und im Bauch, und das fühlt sich gut an. Neu. Aufregend.

      Als sie am Abend nach Hause kommt, ist der Schmerz darüber, dass die Theatergruppe nicht stattfindet, zu einem sanften Ziehen im Magen geworden.

      „Und wenn wir zu zweit Theater spielen?“, versucht Luisa am nächsten Morgen zwischen Bio und Mathe ihre Freundin zu überreden. Sie weiß, dass Verena keine der beiden anderen Schülerinnen war, die sich zur Theatergruppe angemeldet haben. „Wir könnten Maria Stuart und Elisabeth spielen, das ist Wahnsinn, wie die miteinander reden, oder Olivia und Viola in Was ihr wollt von Shakespeare, das ist sehr lustig, weil Olivia denkt, Viola wäre ein Mann und sie verliebt sich – “

      „Luisa! Ich bin’s, deine Freundin Verena, das größte Untalent, wenn es ums Spielen geht“, lacht Verena, „ich kann mir nicht einen einzigen Satz merken, und in meiner Freizeit lese ich Speed-Champions und On the Road.“

      Luisa hat nichts anderes erwartet, wenn sie ehrlich ist. Sie hat es sich nur so sehr gewünscht. Nein, Verena ist wirklich nicht die richtige Spielpartnerin. Luisa würde verzweifeln, wenn die Freundin den Text nicht behielt und ihn ablas und das so steif, dass man nicht mit ihr spielen konnte. Richtig spielen, mit dem Herzen und ganz echt.

      Später blättert sie in einem Buch über Eleonora Duse. In der Bücherei hat sie einige Bände über diese große Schauspielerin gefunden, sogar einen mit Fotos. Die blickt sie jetzt sehnsüchtig an. Theater! Was für eine aufregende, geheimnisvolle Welt! Wenn sie doch nur ein Teil davon sein könnte! Nur einmal, ein einziges Mal, damit sie spüren kann, wie sich das anfühlt.

      Auf der Bühne stehen …

      3

      Am nächsten Tag ist Luisa nicht sehr gut drauf. Ihre Mathearbeit ist mit 4-5 benotet worden. Sie findet Mathe blöd. Da gibt es keine Bilder, die sie sich vorstellen kann. Außerdem regnet es. Und sie hat in der Pause auf einen Kirschkern gebissen – ihr Zahn zieht wie verrückt. Mit hängenden Schultern geht sie vom Pausenhof zurück ins Schulgebäude. Noch drei Stunden! Und am Nachmittag kein Reitstall, weil Rackers Besitzer sein Pferd ausgerechnet heute selbst reiten will.

      „Was machst du denn für ein Gesicht?“ Verena kommt ihr mit ihrem fröhlichen Bubenschritt auf dem Schulflur entgegen. „Das ist es doch, oder? Was du immer gewollt hast?“

      „Was?“, fragt Luisa ein wenig gereizt.

      „Na der Flyer da vorne!“

      Warum

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