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Weit und breit war nichts auszumachen.
Verzweifelt hockte sich Martin auf einen Baumstumpf und lauschte in die Dunkelheit. Es wäre auch zu unwahrscheinlich gewesen, daß er das Kind im Wald gefunden hätte. Vielleicht war es ins Dorf gegangen.
Franzl Achner erging es ähnlich. Nur dachte er, daß sich das Kind vielleicht im Wald verlaufen hätte, womit er der Wahrheit recht nahe kam.
Nach stundenlangem Suchen entschloß sich der Altbauer, zur Gendarmerie zu gehen.
Fast zur gleichen Zeit kam Martin zu demselben Schluß.
»Haberzell! Mach auf!« donnerte Franzl Achner ungeduldig gegen die versperrte Tür der Gendarmerie. »Schorsch! Mach schon!«
»Komm ja schon! Herrgottsakra! Wo brennt’s denn? Ach du bist’s, Franzl! Warum machst denn so einen Lärm?« brummte der stattliche, wohlbeleibte Georg Haberzell.
»Schorsch, unser Roserl ist verschwunden! Du mußt uns helfen, ruf die Bergrettung an, oder tu sonstwas, aber tu irgendwas!« redete der aufgebrachte Großvater auf den Beamten ein.
»Nun mal mit der Ruh, Franzl. Erst erzählst mir mal alles schön der Reih nach und dann entscheid ich, was wir machen, gell?« Er hatte wirklich die Ruhe weg, der Schorsch Haberzell!
»Genügt’s net, wenn ich dir sag, daß das Kind fort ist? Weggelaufen ist sie und wir haben keine Ahnung, wohin!« brüllte der Bauer verzweifelt.
Der Gendarm blieb ruhig. Er schob die Brille auf die Nasenspitze und sah seinen alten Freund über die Gläser hinweg aufmerksam an. »Seit wann ist sie fort?«
»Seit heut abend, nein, ich glaub, seit ein paar Stunden. Jedenfalls hat sie Anna ins Bett gebracht und sich später vergewissert, daß Roserl schläft. Und nun ist sie fort. Der Martin hat’s entdeckt«, berichtete der Bauer stockend.
»Aha. Da kann sie ja noch net weit gekommen sein. Habt’s schon überall in der Näh gesucht?«
»Himmel, Schorsch, nun stell dich doch net so an! Freilich, sonst wär ich jetzt net da!«
»Meinst, daß du jetzt im Finstern irgendwas erreichst, Franzl? Ich würd sagen, wir gehen im Morgengrauen alles ab, lassen dann den Hubschrauber von der Bergrettung über die Bäum fliegen. Außerdem – vielleicht ist das Roserl ja auch gleich wieder da! Ich tät an deiner Stelle jetzt wieder hinaufgehn. ’s hat doch keinen Sinn in der Nacht, siehst das denn net ein?« Der Gendarm sprach ruhig, aber bestimmt auf Franz Achner ein.
»Was hat keinen Sinn in der Nacht, Schorsch?« polterte Martin herein. Er hatte die letzten Worte des Gesetzeshüters aufgeschnappt. »Freilich hat’s einen Sinn nach meinem Kind zu suchen! Trommle ein paar Leut aus den Federn, gib ein Dutzend Fackeln heraus, damit wir uns verteilen können! Wir müssen was tun, ich kann net stundenlang warten, bis der Morgen anbricht!« bestimmte der Bursch mit erhobener Stimme.
Seufzend wandte sich der Gendarm um. Gegen zwei unvernünftige Mannsbilder konnte er allein nichts ausrichten. Er griff zum Telefon und wählte die Nummer des Leiters der Bergrettung.
Während er dem Mann die Einzelheiten erklärte, klopfte Franzl seinem Sohn auf die Schulter und meinte leise: »Wir werden sie finden, Bub, wir finden sie! In unseren Wäldern ist noch kein Kind zu Schaden gekommen!«
Martin schnaubte. »Und wenn Roserl das erste Kind ist? Was dann, Vaterl? Nein, ich geb keine Ruh, bis wir sie gefunden haben!« Der Bursch fuhr sich fahrig durchs Haar, während er in der Amtsstube auf und ab ging.
Endlich legte Schorsch Haberzell den Hörer auf die Gabel. »Sie kommen in einer halben Stund. Solang müßt’s schon warten!«
Vater und Sohn verbrachten eine nervenzerreißende halbe Stunde auf der alten Holzbank. Jeder hing seinen schweren Gedanken nach, während der Gendarm eine Akte aus dem Schrank geholt hatte und sich scheinbar darin vertiefte. Er kannte die Geschichte vom Achnerhof gut und glaubte, daß das Kind gewiß einen Grund gehabt hatte, wegzulaufen. Heimlich gab er Martin die Schuld, denn es war noch net lang her, daß der Bursch wie ein Gestörter durch die Gegend gelaufen war! Wer weiß, was sich droben abgespielt hatte!
Andererseits, so grübelte Schorsch weiter, andererseits war doch das Kindermädchen – wie hieß es doch gleich? Ach ja, Josepha – seit geraumer Zeit dort. Wo war sie denn, als das Kind verschwand? Dieser Frage wollte er sogleich auf den Grund gehen und fragte plötzlich in die bedrückende Stille hinein: »Sag, Martin, ist euer Kindermädchen noch bei euch?«
Der Bursch funkelte ihn an. »Nimmer lang, da kannst Gift drauf nehmen, nimmer lang!«
Der Altbauer lenkte ein. »Geh, Martl! Sepherl kann nix dafür. Sie hat doch zu ihrer sterbenskranken Mutter fahren müssen. Daß sie dem Kind davon nix gsagt hat, kann ich gut verstehen!«
»So? Kannst es auch verstehen, daß sie plötzlich zu ihrer Mutter hat fahren müssen, obgleich diese sich um Josepha ihr Leben lang einen Dreck gekümmert hat? Nein, Vaterl, bei allem Verständnis, aber wenn meinem Roserl was zustößt, dann ist Josepha mitschuldig, aber ganz gwiß!« brauste Martin auf.
Der Gendarm dachte sich sein Teil. Es würde sich schon herausstellen, wie alles gewesen war.
Erleichtert hörte er das Herannahmen von Motorengeräuschen. Endlich! Sollten die beiden Achnerbauern ihren Willen haben, aber er war sicher, daß sie in der Nacht nichts finden würden!
*
»Sepherl, komm zurück!« flüsterte Rosemarie im Fieber. Der Forstmeister war im Sessel eingeschlafen. Er war sofort hellwach, als sich das Kind unruhig auf dem Sofa herumwarf.
»Dirndl! Kannst mich hören?« redete er leise auf das Kind ein. »Dirndl! Hörst mich?«
»Sepherl! Sepherl! Wo bist denn?« jammerte Roserl in einem fort, ohne auf Huberts Worte zu reagieren.
Der junge Förster legte seine kühle Hand auf Rosemaries heiße Stirn. »Dirndl, Dirndl, was soll ich denn nur mit dir machen?«
Als hätte die Berührung eine beruhigende Wirkung gehabt, lag das Kind plötzlich ganz still und atmete in gleichmäßigen Zügen. Rosemarie schlief traumlos bis in die frühen Morgenstunden. Übermüdet, mit dunklen Ringen unter den Augen, räkelte sich Hubert Grasegger im Sessel. Allmählich wurde es Zeit, den Doktor zu holen. Aber er wagte nicht, das Kind allein in der Hütte zu lassen. Es fieberte noch immer, war einfach nicht wach zu bekommen.
Zum erstenmal, seit er die Hütte bewohnte, bedauerte es der Förster, daß er kein Telefon besaß. Doch nun war es zu spät, darüber nachzudenken. Er mußte den Arzt irgendwie heraufbekommen, denn das Kind war mit dem hohen Fieber wohl kaum transportfähig!
Nachdenklich brühte der Mann einen Tee auf. Er stellte eine Tasse auf den kleinen Tisch, legte ein paar Kekse auf den Teller und schaute gleich darauf, wie es dem Kind ging. Es schien ruhig zu schlafen, aber das Gesicht war ungewöhnlich gerötet, die Stirn viel zu heiß. Er legte einen mit kaltem Wasser durchtränkten Umschlag auf ihre Stirn, erinnerte sich an Wadenwickel, die er als Kind immer bekommen hatte und tat desgleichen auch bei dem Mädchen. Nun erst war er ein wenig beruhigt. Leise verließ er die Hütte, schloß die Tür sorgfältig ab und lief so schnell er konnte ins Dorf.
»Herr