Butler Parker 151 – Kriminalroman. Günter Dönges
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»Hören Sie«, meinte der Fahrer zu Parker, »noch haben Sie eine Chance.«
»Und wie würden Sie die umschreiben?«
»Wir könnten sagen, Sie wären nicht im Hotel gewesen. Noch können sie verschwinden.«
»Mylady wird Mr. Parcutti einen Besuch abstatten«, antwortete der Butler, »Mylady wird diese Absicht ausführen.«
»Sie haben doch überhaupt keine Chance«, redete der Fahrer hastig weiter, »und wer weiß, ob Parcutti überhaupt in seiner Villa ist.«
»Dies wird sich an Ort und Stelle ergeben.« Parker richtete den Rückspiegel so ein, daß er die Straße hinter dem Fiat gut einsehen konnte. Er entdeckte sofort einen zweiten, dunkelgrünen Fiat, der ihnen folgte.
»Ich warte auf einen Angriff, junger Mann«, sagte Lady Agatha und nickte ihrem Beisitzer ermunternd zu.
»Ich bin doch nicht lebensmüde«, gab der Mann zurück und schielte nervös nach der langen Hutnadel in Myladys Hand, »ich laß mich nicht aufspießen.«
»Wie schade«, fand Agatha Simpson, »Sie enttäuschen mich.«
»Ich weiß eigentlich gar nicht, wo der Pate jetzt ist«, warf der Fahrer in Richtung Parker ein. Er hatte mitbekommen, daß der Butler den Rückspiegel neu eingerichtet hatte.
»Ich werde mir erlauben, Ihnen rechtzeitig die Adresse zu nennen«, antwortete Parker höflich, »ich war so frei, eine Stadtkarte von Verona zu befragen.«
»Von wem wollen Sie denn die Adresse bekommen haben?« drängte der Fahrer.
»Einer Ihrer Freunde war so entgegenkommend, mir damit zu dienen«, behauptete Parker. Dies stimmte zwar keineswegs, doch es sorgte dafür, daß die jungen Männer sich später wechselseitig mißtrauten und anklagten.
»Unter uns gibt es keinen Verräter«, sagte der Fahrer.
»Sie kennen meine Hutnadel nicht«, meinte Agatha Simpson, »vielleicht war es dieser junge Lümmel neben mir.«
»Ich habe kein Wort gesagt«, rief der umgehend und aufgebracht.
»Oder sollte diese wichtige Information sogar von Ihnen stammen?« Parker nickte dem Fahrer zu.
»Von mir? Niemals! Dann müßte ich davon ja was wissen.«
»Wir sollten das Thema ausklammern«, schlug Parker vor, »widmen Sie sich weiterhin dem Straßenverkehr. Mylady wünscht in Richtung Gardasee zu fahren. Sie können später mit weiteren Richtungsangaben rechnen.«
»Was Sie da machen, ist heller Wahnsinn«, warnte der Fahrer eindringlich, »glauben Sie etwa, man hätte nicht gemerkt, daß wir reingelegt worden sind? Wissen Sie überhaupt, wie sich ’ne Maschinenpistole anhört?«
»Sie spielen offenbar und vermutlich auf den dunkelgrünen Fiat an, nicht wahr?« fragte Parker gemessen.
»Dunkelgrüner Fiat?« Der Fahrer reagierte erstaunt.
»Ein Fiat mit zwei Personen«, präzisierte der Butler, »seien Sie versichert, daß dieser Wagen bald in gewisse Schwierigkeiten geraten wird.«
Während der Butler diese Versicherung abgab, langte er in die rechte Tasche seines schwarzen Covercoats und holte seltsame Gebilde hervor, die aus starkem Stahldraht bestanden und an kleine Kettenglieder erinnerten.
*
»Mylady wünscht, von der Uferstraße abzubiegen«, sagte Parker nach einigen Minuten, »wählen Sie eine Straße, auf der man unter sich ist.«
Der italienische Fahrer verstand den Butler inzwischen recht gut. Er bremste kurz und verließ die Uferstraße der Etsch. Der dunkelgrüne Fiat folgte augenblicklich, Josuah Parker machte sich daran, die eigenartigen Kettenglieder aufzubiegen. Es zeigte sich, daß sie spezial angefertigte Knickstellung besaßen. Nachdem Parker solch ein ›Kettenglied‹ hochgeklappt hatte, wurden drei dolchartige Dornfortsätze erkennbar, die etwa fünf bis zehn Zentimeter lang waren. Der Butler kurbelte sein Wagenfenster hinunter und benutzte den Außenspiegel auf seiner Seite, um den Verfolger noch genauer unter Kontrolle nehmen zu können. Der dunkelgrüne Fiat schloß etwas dichter auf, was wohl mit dem fehlenden Verkehr auf dieser Seitenstraße zusammenhing. Parker faltete weitere ›Kettenglieder‹ auseinander und verwandelte sie in kleine ›Krähenfüße‹, die bestens geeignet waren, sich in Autopneus zu bohren. Nachdem er sich einen kleinen Vorrat angelegt hatte, bedeutete er dem Fahrer seines Wagens, noch langsamer zu werden.
Der dunkelgrüne Fiat folgte diesem Beispiel, schloß aber noch enger auf und kam somit den Absichten des Butlers entgegen. Lady Agatha hatte natürlich bemerkt, daß Parker etwas plante. Sie richtete sich auf und beugte sich vor. Der junge Mann neben ihr mißverstand das gründlich, rechnete sich plötzlich eine Chance aus und war bereit, die neben ihm sitzende Lady mit einem harten Fausthieb in die Wagenecke zu schicken.
Er holte aus, doch er kam nicht mehr dazu, seinen finsteren Plan in die Tat umzusetzen. Er brüllte auf und krümmte sich. Lady Agatha hatte nämlich sein Vorhaben durchkreuzt und äußerst genußvoll mit ihrer Hutnadel zugestochen.
»Endlich«, sagte sie erleichtert und nickte dem Getroffenen wohlwollend zu, »Sie haben mich nicht enttäuscht, junger Mann.«
»Meine Hüfte, meine Hüfte«, jammerte der Gemaßregelte in italienischer Sprache. Dann produzierte er Töne, die denen einer Arie nicht ganz unähnlich waren. Lady Agatha hörte überrascht zu.
»Erstaunlich«, sagte sie zu Parker, »er singt, hören Sie doch, Mr. Parker!«
»Nach der herrschenden Volksmeinung in Europa, Mylady, pflegen Italiener in allen Lebenslagen zu singen«, antwortete Parker und öffnete seine Wagentür um Zentimeter. Dann ließ er die seltsamen Stahldrahtgebilde auf den Asphalt gleiten. Es handelte sich um insgesamt acht ›Kettenglieder‹, die über die Straße rollten.
Sechs davon landeten am Straßenrand, doch zwei ›Krähenfüße‹ bohrten sich erfolgreich in die beiden linksseitigen Pneus des dunkelgrünen Fiats. Der Wagen schlingerte ein wenig, brach andeutungsweise aus und konnte wegen der geringen Geschwindigkeit mühelos vom Fahrer abgefangen werden. Der Fiat blieb luft- und lustlos am Straßenrand stehen.
»Reißen Sie sich gefälligst zusammen«, herrschte Lady Agatha inzwischen den jammernden Mann an, der sich die Hüfte hielt, »das Gift an der Nadelspitze braucht wenigstens zwei Stunden, bis es Sie umbringt.«
Der Getroffene hatte verstanden, schaute die ältere Dame aus großen Augen an und schluchzte. Er rang seine Hände, erzählte ausgiebig von seiner Familie und von einer Zukunft, die er sich ausgemalt hatte. Er sprach von seiner Jugend und von einer gewissen Julia, der er ein Heiratsversprechen gegeben hatte.
Parker übersetzte dies alles, und Lady Agatha versprach dem jungen Mann, nicht noch mal zuzustechen. Dafür verlangte sie aber die Angabe jener Adresse, unter der der Pate der Mafia, Luciano Parcutti, zu erreichen war. Sie bekam umgehend das Geforderte geliefert. Die Adresse deckte sich mit der, die Parker bereits kannte.
»Beeilen Sie sich jetzt«, schlug der Butler dem Fahrer vor, »Mylady möchte die Todesarie nicht versäumen.«
»Todesarie, Sir?« Der Fahrer