Butler Parker 151 – Kriminalroman. Günter Dönges
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»Meine bescheidene Warnung erfolgte nicht ohne Grund«, verlautbarte der Butler höflich in Richtung Parcutti«, falls Sie an einem Weiterleben interessiert sein sollten, wird Mylady sich dazu herablassen, Sie zu einem Arzt zu bringen.«
»Ich rühr’ mich nicht von der Stelle«, schwor Parcutti, auf dessen Stirn sich dicke Schweißtropfen bildeten.
»Eile ist geboten«, meinte Parker, »Sie sollten im Wagen Platz nehmen und Ihren Leuten mitteilen, daß ihr Einsatz im Moment nicht gefragt ist.«
»Haut ab, Waffen runter«, rief Parcutti mit halblauter Stimme, »nicht schießen!«
Er spürte wohl die Nähe einiger seiner Männer, die im Hauseingang erschienen waren, allerdings nicht wußten, wie sie sich verhalten sollten. Parker zählte drei Männer, die einen ratlosen Eindruck machten. Sie hatten die Befehle ihres Herrn und Meisters gehört und blieben stehen, während Parcutti langsam und mit staksigen Schritten auf den Fiat zuging.
Lady Agatha räumte inzwischen den Fiat aus. Mit harter Hand und erstaunlicher Kraft zerrte sie die beiden Gangster ins Freie und rollte sie auf den Kiesweg. Parcutti gönnte ihnen kaum einen Blick, hielt auf den Fond des Wagens zu und nahm vorsichtig auf dem Rücksitz Platz.
»Ich blas’ alles ab, was ich vorhatte«, versicherte er dann, als Lady Agatha neben ihm Platz nahm, »mein Ehrenwort, Lady, ich schwör’s.«
»Ich halte nichts von Meineiden, Parcutti«, erwiderte Agatha Simpson ungnädig, »falls Sie mich attackieren wollen, werde ich Ihnen meine Hutnadel in die Seite rammen.«
»Bitte, fahren Sie doch endlich los«, beschwor der ehemalige Mafiaboß den Butler, der inzwischen am Steuer des Fiat saß, »beeilen Sie sich! Ich brauche das Gegengift ...«
»Darf man sich nach Ihrem Befinden erkundigen?« fragte Parker, als er den Fiat in Bewegung setzte.
»Mir is’ schlecht«, erklärte Parcutti, »und ich hab’ Sehstörungen. Beeilen Sie sich, das Gift wirkt bereits ...«
»Das will ich auch hoffen«, schaltete die ältere Dame sich grimmig ein, »Sie haben ja die beiden Flegel gesehen, die ich aus dem Wagen geholt habe. Sie haben es bereits hinter sich.«
Parcutti vergaß sein angelerntes Amerikanisch. Er bediente sich seiner italienischen Muttersprache, als er alle ihm bekannten Heiligen anrief und um Hilfe flehte.
»Werde ich es schaffen?« fragte er danach und meinte mit Sicherheit sein Überleben.
»Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit«, gab Josuah Parker Auskunft, »möglicherweise werden Sie sogar später mit Andacht und Vergnügen an jene Stunde zurückdenken, die auf Sie warten.«
»Nun ja«, meinte die Detektivin etwa eine Stunde später und nickte wohlwollend Parker zu, »so hatte ich mir dieses Schauspiel allerdings nicht vorgestellt.«
»Nach den letzten Erhebungen, Mylady, befinden sich etwa fünfundzwanzigtausend Zuschauer in der Arena.«
»Eine recht hübsche Einnahme, Mr. Parker. Was haben Sie für die fünf Plätze zahlen müssen?«
»Hier im Innenraum, Mylady, beträgt der Preis für einen Platz etwa zwanzig Pfund«, lautete Parkers Antwort, »die Plätze auf den Steinstufen kosten durchschnittlich drei bis fünf Pfund. Den Besuch der Arena kann sich jeder Kunstbeflissene leisten.«
»Aber die Besucher stammen doch nicht nur aus Verona und Umgebung, oder?« Die ältere Dame schaute sich im riesigen Rund des römischen Amphitheaters um, das um 290 nach der Zeitenwende von Kaiser Diokletian erbaut worden war.
»Freunde der Kunst, Mylady, reisen selbst von Amerika an«, erläuterte Parker höflich, »darf man sich gestatten, Mylady schon jetzt auf das Lichterfest zu verweisen?«
»Aha.« Sie nickte und warf einen kurzen Blick auf Luciano Parcutti, der neben ihr mehr hing als saß. Der Mafiaboß machte einen abgeschlafften Eindruck und hatte die Augen geschlossen. Rechts von ihm hatten Kathy Porter und Mike Rander Platz genommen.
»Zu Beginn der Vorstellung werden die Zuschauer Kerzen entzünden«, sagte der Butler und griff in seine Rocktasche. Er reichte seiner Herrin eine Kerze.
»Kerzen?« Lady Agatha stutzte.
»Eine Huldigung«, meinte Parker, »nach besonders gelungen Arien pflegt man nicht nur zu applaudieren, sondern auch Streichhölzer anzureißen und diese kleinen Miniaturfackeln hochzuhalten.«
»Was für eine Verschwendung«, räsonierte Lady Agatha. Dennoch nahm sie das Streichholzbriefchen entgegen, das Parker ihr überreichte.
Sie benutzte das stumpfe Ende ihrer Kerze, um damit Parcutti anzustoßen. Selbstverständlich besorgte sie das mit Nachdruck, und der Mafiaboß zuckte zusammen.
»Lassen Sie sich gefälligst nicht gehen«, raunzte sie ihn verhalten an, »gleich beginnt die Oper. Sehen Sie sich wenigstens diesen einmaligen Sternenhimmel an.«
»Entschuldigung«, murmelte Parcutti und gähnte, »ich fühlte mich nicht gut, ich bin hundemüde.«
Das Gift dürfte noch nachwirken«, schwindelte die ältere Dame, »bewegen Sie sich nicht, Parcutti!«
Sie hätten gern noch mehr gesagt, doch in diesem Augenblick ertönten Fanfaren, die den Beginn der Oper ›Aida‹ ankündigten. Die letzten Klänge waren noch nicht verhallt, als plötzlich ein Lichtermeer aufflammte. Die Besucher im weiten Rund zündeten ihre Kerzen an und schufen eine traumhafte Kulisse. Selbst Lady Agatha, solchen Dingen kaum zugetan, ließ sich mitreißen und hatte nichts dagegen, daß Parker ihr die Kerze anzündete.
»Recht hübsch«, meinte die Lady und schluckte eine gewisse Rührung hinunter, »es ist zwar eine schreckliche Verschwendung – aber immerhin.«
Dann schaute sie an Parcutti vorbei hinüber zu Kathy Porter und Mike Rander. Er hatte seinen Arm um ihre Schulter gelegt und sie an sich gezogen.
»Sehr wirkungsvoll«, flüsterte die ältere Dame zufrieden, »man sollte doch wohl öfter in eine Oper gehen. Die Kinder scheinen romantisch zu sein.«
Schließend verpaßte sie dem ehemaligen Mafiaboß einen derben Stoß in die Rippengegend und forderte ihn auf, gefälligst eine Kerze anzuzünden.
Parker war mit der Gesamtentwicklung der Dinge recht zufrieden. Es war geschafft worden, daß Kathy Porter und Mike Rander sich die Aufführung der »Aida« ansehen konnten, ohne von Gangstern belästigt zu werden. Nach der Auffassung des Butlers war nicht damit zu rechnen, daß Parcuttis Angestellte es wagen würden, sich jetzt und hier um die Befreiung ihres Paten zu kümmern. Gefährlich wurde es wohl nur, wenn die Aufführung beendet war und das Publikum die riesige Arena verließ. Doch auch dafür hatte Josuah Parker selbstverständlich gewisse Weichen gestellt.
*
»Was habe ich Ihnen gesagt, Mr. Parker? Sie haben wieder gesungen«, meinte Agatha Simpson nach Schluß der Oper, als das liebende Paar gemäß dem Libretto eingemauert worden war.
»Es ließ sich möglicherweise nicht vermeiden,