Self-Development And The Way To Power. L.W. Rogers
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Eine vernünftige und praktische Angelegenheit.
Aber was nun? Die Zeit lief weiter. Und er hatte nicht einmal rekonstruieren können, wann die Leere im Kopf eingetreten war und er in irgendeiner Form die Besinnung verloren haben musste. Vielleicht war es nicht geschehen, als er auf den Bürgersteig trat, sondern als er vom Tisch aufstand oder den letzten Schluck Bier trank. Oder noch früher, zum Beispiel als seine Frau den Pub verließ, um ihre Besorgungen zu machen. Falls er verheiratet war. Falls er überhaupt den Pub besucht hatte.
Er schließt die Augen – lange. Wenn er sie wieder öffnet, will er sich an einem Ort befinden, der ihm bekannt ist. Er beginnt, bis hundert zu zählen, schneller und schneller. Bildet sich ein, er könne den Verkehrslärm ignorieren. Achtundneunzig, neunundneunzig, hundert ... Ich komme! Er blinzelt. Starrt auf dieselben präzise tickenden Uhren. Schluckt, um den quälenden, hoch im Hals sitzenden Kloß loszuwerden. Das gelingt, doch erneut macht sich der Druck hinter den Schläfen bemerkbar. Etwas Grundsätzliches stimmt mit seinem Kopf nicht. Er hebt die Hand, fährt sich behutsam durch die Haare und sucht nach einer offenen Wunde, findet jedoch keine.
Hinter ihm gleitet ein roter Bus im dichten Strom der Fahrzeuge an ihm vorbei; er sieht ihn im Fenster. Ein Bus mit zwei Etagen. Ein Doppeldecker. Er sieht auch die Passanten, die Englisch sprechen – eine Sprache, die er ziemlich gut beherrscht, obwohl sie nicht seine Muttersprache ist. Die Wortfetzen, die er aufschnappt, kommen ihm wie Sprechblasen eines Comics vor, dessen Handlung er nicht versteht:
»Hab ich doch gesagt, lass mich in Ruhe.«
»Das werde ich Margaret erzählen.«
»Mir reicht’s.«
»Zum Angeln? Aber doch nicht kurz vor Weihnachten.«
Er begreift den Sinn jedes einzelnen Wortes und versucht sich an die erfreuliche Tatsache zu klammern, dass er nicht völlig den Verstand verloren hat, dass er die Sprache versteht, dass er zur Not in der Lage ist, mit anderen Menschen zu kommunizieren. Der nächste Schritt musste sein, sich nach Hilfe umzusehen, Kontakt mit einer Person aufzunehmen, die ihm eine so nützliche Auskunft erteilen konnte wie die, wo er sich eigentlich befand. Die ihm so präzise Koordinaten angeben konnte, dass es ihm möglich wurde, sich in die richtige Richtung zu bewegen, zurück zu der Wirklichkeit, die ihm vertraut war und in der er sich orientieren konnte. Er brauchte nur einen kleinen Wink, eine Ortsangabe, und das unangenehme Zittern würde verschwinden wie eine Pfütze an einem warmen Sommermorgen. Doch irgendetwas hielt ihn davon ab, jemand anzusprechen. Weil es ihm peinlich war?
Genau in diesem Moment zeigen alle Uhren im Fenster 2.37.
P.m., denkt er, post meridiem. Ein Winternachmittag, irgendwo auf den Britischen Inseln. Er setzt sich wieder in Bewegung, lässt Rolex, Certina, Swatch und Omega zurück. Schaudernd biegt er um die Ecke in eine kleine Straße mit niedrigeren Häusern, an deren schmalen Bürgersteigen zwei gelbe Streifen entlanglaufen. Er weiß, was die Streifen bedeuten: Parken verboten. Er weiß es, weil er schon früher in diesem Land gewesen ist. Gemeinsam mit der Frau, der er womöglich angehört.
Doch jeder Gedanke, jedes Aufschimmern einer möglichen Vergangenheit, das ihn auf die richtige Spur setzen könnte, führt nur zu einem neuen Vakuum in seinem Kopf und weiteren Schmerzen. Die Assoziationen sind wie Warnsignale, starke Halogenlampen, deren Licht blendet und ihm die Sicht nimmt. Zusammen mit dem Kopfschmerz machen sie jedes Forschen nach möglichen Erklärungen zunichte. Vermutlich wäre es das Klügste, auf dem Absatz kehrtzumachen und in der Hoffnung zum Pub zurückzugehen, dass die Erinnerung langsam wiederkehrt.
Dass er diesen einleuchtenden Gedanken nicht in die Tat umsetzt, liegt an der neuen Erfahrung, dass logische Schlussfolgerungen ein erhöhtes Unbehagen nach sich ziehen. Sobald er einfach weiterschreitet, ohne sich den Kopf zu zerbrechen, lässt der Druck von innen nach. Das fremde Terrain reduziert sich auf eine gleichgültige Straße, von der keine Bedrohung ausgeht. Der Körper fühlt sich leichter und momentan plagen ihn keine Sorgen. Er betrachtet seine Füße und beobachtet, wie sie ihn Schritt für Schritt vorwärts bringen.
Gehe ich oder werde ich gegangen?
Der Spiegel im kleinen Raum, in dem er steht und sich erleichtert, ist zersplittert. Er lässt es lange und wohlig laufen, vermutlich infolge des kürzlich konsumierten Bieres, denn der Strahl ist glasklar. Es gab nur eine Erklärung: Er hatte einfach einen kurzen Aussetzer gehabt. So etwas kam vor, das hatte er schon gehört. Jetzt war es nur notwendig, kühlen Kopf zu bewahren. Langsam würde sich der Körper erholen und der unerwarteten Situation anpassen. Oder umgekehrt: Er würde einsehen, dass dieser Zustand der normale war.
Zurück auf der Straße, würde er zu sich kommen und wieder ganz der Alte sein.
Er ist sich dessen so gewiss, dass er, nachdem er seine Hände unter dem glühend heißen Luftstrom eines Automaten getrocknet hat, optimistisch lächelnd auf die Straße tritt und den Evergreen Bye Bye Blackbird summt. Nach einer Weile gelangt er an einen Park, der durch ein schwarzes Eisengitter vom Bürgersteig abgegrenzt ist. Schon an der nächsten Ecke würde er sowohl die Kopfschmerzen als auch die unangenehme Übelkeit los sein, die Gegend wieder erkennen und seine Schritte in die richtige Richtung lenken.
Der Nebel, der ihn umgibt, lichtet sich langsam, jedoch nicht so sehr, wie er erwartet hatte. Ein merkwürdiges Wort kommt ihm in den Sinn: dribkcalB. Es bedeutet Amsel auf Englisch – rückwärts gelesen.
Wenn ihn etwas auf dieser Welt beschäftigte, dann war es Sprache. Sein ganzes Leben lang hat er sich mit Wörtern herumgeschlagen. Er weiß nicht, warum das so war, und will es im Moment auch nicht wissen.
Hinter dem Gitter, im Park, in einem Garten mit feuchten Winterbäumen und zerzausten Spatzen, gingen sicherlich ausgeglichene Menschen spazieren und führten vernünftige und verständige Gespräche. Er musste nur einen Eingang finden, dann konnte er sich unter die Leute mischen und jemand ansprechen, der alles unter Kontrolle hatte. Aber vielleicht wäre das gar nicht nötig, wenn schon in Kürze Klarheit anstelle von Chaos trat.
An der nächsten Kreuzung fällt sein Blick in der Ferne auf ein hohes Gebäude. Selbst auf die große Distanz, die mindestens einen Kilometer beträgt, kann er die eisblauen Buchstaben an der Front lesen: Earls Court. Und zum ersten Mal, seit er aus dem Pub gekommen war, hat er eine Assoziation, die ihm keine Kopfschmerzen bereitet. Er denkt an eine große Messe. Eine, an der er teilgenommen hat oder teilnehmen soll. Während er weitergeht, werden die Buchstaben von anderen Fassaden verdeckt, doch er glaubt, in etwa die Richtung beibehalten zu können. Wenn er das Haus mit dem Schriftzug erreichte, würde er sich auch über seine Bedeutung klar werden und wieder zu sich kommen. Ganz bestimmt!
Kurz darauf beginnt es eiskalt zu regnen. Er hat keinen Schirm dabei. Auf der anderen Seite der breiten Straße entdeckt er ein Café und eine Toreinfahrt. Ebenso instinktiv wie gedankenlos geht er schneller – gefährlich schnell. Das Nächste, das er hört, ist das schrille Quietschen von Autoreifen, das ein Ende findet, als die dreckige Stoßstange