Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer
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Spinoza geht wieder unmittelbar vom Kartesius aus: daher behielt er Anfangs, als Kartesianer auftretend, sogar den Dualismus seines Lehrers bei, setzte demnach eine substantia cogitans und eine substantia extensa, jene als Subjekt, diese als Objekt der Erkenntniß. Später hingegen, als er auf eigenen Füßen stand, fand er, daß beide eine und dieselbe Substanz wären, von verschiedenen Seiten angesehn, also Ein Mal als substantia extensa, das andere als substantia cogitans aufgefaßt. Dies heißt nun eigentlich, daß die Unterscheidung von Denkendem und Ausgedehntem, oder Geist und Körper, eine ungegründete, also unstatthafte sei; daher nun nicht weiter von ihr hätte geredet werden sollen. Allein er behält sie insofern immer noch bei, als er unermüdlich wiederholt, daß Beide Eins seien. Hieran knüpft er nun noch, durch ein blosses Sic etiam, daß modus extensionis et idea illius modi una eademque est res (Eth. P. II, prop. 7 schol.); womit gemeint ist, daß unsere Vorstellung von Körpern und diese Körper selbst Eins und Dasselbe seien. Hiezu ist jedoch das Sic etiam ein ungenügender Uebergang: denn daraus, daß der Unterschied zwischen Geist und Körper oder zwischen dem Vorstellenden und dem Ausgedehntem ungegründet ist, folgt keineswegs, daß der Unterschied zwischen unserer Vorstellung und einem außerhalb derselben vorhandenen Objektiven und Realen, dieses von Kartesius aufgeworfene Ur-Problem, auch ungegründet sei. Das Vorstellende und das Vorgestellte mögen immerhin gleichartig seyn; so bleibt dennoch die Frage, ob aus Vorstellungen in meinem Kopf auf das Daseyn von mir verschiedener, an sich selbst, d. h. unabhängig davon, existirender Wesen sicher zu schließen sei. Die Schwierigkeit ist nicht die, wozu vorzüglich Leibnitz (z. B. Theodic. Part. I, §. 59.) sie verdrehen möchte, daß zwischen den angenommenen Seelen und der Körperwelt, als zweien ganz heterogenen Arten von Substanzen, gar keine Einwirkung und Gemeinschaft Statt haben könne, weshalb er den physischen Einfluß leugnete: denn diese Schwierigkeit ist bloß eine Folge der rationalen Psychologie, braucht also nur, wie von Spinoza geschieht, als eine Fiktion bei Seite geschoben zu werden: und überdies ist gegen die Behaupter derselben, als argumentum ad hominem, ihr Dogma geltend zu machen, daß ja Gott, der doch ein Geist sei, die KörperWelt geschaffen habe und fortwährend regiere, also ein Geist unmittelbar auf Körper wirken könne. Vielmehr ist und bleibt die Schwierigkeit bloß die Kartesianische, daß die Welt, welche allein uns unmittelbar gegeben ist, schlechterdings nur eine ideale, d. h. aus blossen Vorstellungen in unserm Kopf bestehende ist; während wir, über diese hinaus, von einer realen, d. h. von unserm Vorstellen unabhängig daseienden Welt zu urtheilen unternehmen. Dieses Problem also hat Spinoza, dadurch daß er den Unterschied zwischen substantia cogitans und substantia extensa aufhebt, noch nicht gelöst, sondern allenfalls den physischen Einfluß jetzt wieder zulässig gemacht. Dieser aber taugt doch nicht, die Schwierigkeit zu lösen: denn das Gesetz der Kausalität ist erwiesenermaassen subjektiven Ursprungs; aber auch wenn es umgekehrt aus der äußern Erfahrung stammte, dann würde es eben mit zu jener in Frage gestellten, uns bloß ideell gegebenen Welt gehören; so daß es keinen Falls eine Brücke zwischen dem absolut Objektiven und dem Subjektiven abgeben kann, vielmehr bloß das Band ist, welches die Erscheinungen unter einander verknüpft. (Siehe Welt als W. und V. Bd. 2. S. 12.)
Um jedoch die oben angeführte Identität der Ausdehnung und der Vorstellung von ihr näher zu erklären, stellt Spinoza etwas auf, welches die Ansicht des Malebranche und die des Leibnitz zugleich in sich faßt. Ganz gemäß nämlich dem Malebranche, sehen wir alle Dinge in Gott: rerum singularium ideae non ipsa ideata, sive res perceptas, pro causa agnoscunt, sed ipsum Deum, quatenus est res cogitans, Eth. P. II, pr. 5; und dieser Gott ist auch zugleich das Reale und Wirkende in ihnen, eben wie bei Malebranche. Da jedoch Spinoza mit dem Namen Deus die Welt bezeichnet; so ist dadurch am Ende nichts erklärt. Zugleich nun aber ist bei ihm, wie bei Leibnitz, ein genauer Parallelismus zwischen der ausgedehnten und der vorgestellten Welt: ordo et connexio idearum idem est, ac ordo et connexio rerum. P. II, pr. 7 und viele ähnliche Stellen. Dies ist die harmonia praestabilita des Leibnitz; nur daß hier nicht, wie bei diesem, die vorgestellte und die objektiv seiende Welt völlig getrennt bleiben, bloß vermöge einer zum voraus und von außen regulirten harmonia einander entsprechend; sondern wirklich Eines und Dasselbe sind. Wir haben hier also zuvörderst einen gänzlichen Realismus, sofern das Daseyn der Dinge ihrer Vorstellung in uns ganz genau entspricht, indem ja Beide Eins sind; demnach erkennen wir die Dinge an sich: sie sind an sich selbst extensa wie sie auch, sofern sie als cogitata auftreten, d. h. in unsrer Vorstellung von ihnen, sich als extensa darstellen. (Beiläufig bemerkt, ist hier der Ursprung der Schellingischen Identität des Realen und Idealen.) Begründet wird nun alles Dieses eigentlich nur durch blosse Behauptung. Die Darstellung ist schon durch die Zweideutigkeit des in einem ganz uneigentlichen Sinne gebrauchten Wortes Deus, und auch noch ausserdem, undeutlich; daher er sich in Dunkelheit verliert und es am Ende heißt: nec impraesentiarum haec clarius possum explicare. Undeutlichkeit der Darstellung entspringt aber immer aus Undeutlichkeit des eigenen Verstehens und Durchdenkens der Philosopheme. Sehr treffend hat Vauvenargues gesagt: La clarté est la bonne foi des philosophes. (S. Revue des deux Mondes 1853, 15 Août p. 635.) Was in der Musik der reine Satz, das ist in der Philosophie die vollkommene Deutlichkeit, sofern sie die conditio sine qua non (Bedingung, ohne die nicht) ist, ohne deren Erfüllung Alles seinen Werth verliert und wir sagen müssen: quodcumque ostendis mihi sic incredulus odi (Was auch immer man mir so vor Augen führt, erregt Unglauben und Abscheu). Muß man doch sogar in Angelegenheiten des gewöhnlichen, praktischen Lebens sorgfältig, durch Deutlichkeit, möglichen Mißverständnissen vorbeugen; wie denn sollte man im schwierigsten, abstrusesten, kaum erreichbaren Gegenstande des Denkens, den Aufgaben der Philosophie, sich unbestimmt, ja räthselhaft ausdrücken dürfen? Die gerügte Dunkelheit in der Lehre des Spinoza entspringt daraus, daß er nicht, unbefangen von der Natur der Dinge, wie sie vorliegt, ausging, sondern vom Kartesianismus, und demnach von allerlei überkommenen Begriffen, wie Deus, substantia, perfectio etc., die er nun, durch Umwege, mit seiner Wahrheit in Einklang zu setzen bemüht war. Er drückt, besonders im 2ten Theil der Ethik, das Beste sehr oft nur indirekt aus, indem er stets per ambages (sinnbildlich) und fast allegorisch redet. Andererseits nun wieder legt Spinoza einen unverkennbaren transscendentalen Idealismus an den Tag, nämlich eine wenn auch nur allgemeine Erkenntniß der von Locke und zumal von Kant deutlich dargelegten Wahrheiten, also eine wirkliche Unterscheidung