Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer
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Der Ursprung dieser bedeutungsvollen Visionen ist darin zu suchen, daß jenes räthselhafte, in unserm Innern verborgene, durch die räumlichen und zeitlichen Verhältnisse nicht beschränkte und insofern allwissende, dagegen aber gar nicht ins gewöhnliche Bewußtseyn fallende, sondern für uns verschleierte Erkenntnißvermögen – welches jedoch im magnetischen Hellsehn seinen Schleier abwirft, – ein Mal etwas dem Individuo sehr Interessantes erspäht hat, von welchem nun der Wille, der ja der Kern des ganzen Menschen ist, dem cerebralen Erkennen gern Kunde geben möchte; was dann aber nur durch die ihm selten gelingende Operation möglich ist, daß er ein Mal das Traumorgan im wachen Zustande aufgehn läßt und so dem cerebralen Bewußtsein in anschaulichen Gestalten, entweder von direkter, oder von allegorischer Bedeutung, jene seine Entdeckung mittheilt. Dies war ihm in den oben kurz angeführten Fällen gelungen. Dieselben bezogen sich nun alle auf die Zukunft: doch kann auch ein eben jetzt Geschehenes auf diese Weise offenbart werden, welches jedoch alsdann natürlich nicht die eigene Person betreffen kann, sondern eine andere. So kann z. B. der eben jetzt erfolgende Tod meines entfernten Freundes mir dadurch kund werden, daß dessen Gestalt sich mir plötzlich, so leibhaftig wie die eines Lebenden, darstellt; ohne daß etwan hiebei der Sterbende selbst, durch seinen lebhaften Gedanken an mich, mitgewirkt zu haben braucht; wie Dieses hingegen in Fällen einer andern, weiter unten zu erörternden Gattung wirklich Statt hat. Auch habe ich Dieses hier nur erläuterungsweise beigebracht; da unter dieser Nummer eigentlich nur von den Visionen die Rede ist, welche sich auf den Seher derselben selbst beziehn und den ihnen analogen fatidiken Träumen entsprechen.
5) Nun wieder denjenigen fatidiken Träumen, welche sich nicht auf den eigenen Gesundheitszustand sondern auf ganz äußerliche Begebenheiten beziehn, entsprechen gewisse, den obigen zunächst stehende Visionen, welche nicht die aus dem Organismus entspringenden, sondern die von außen uns bedrohenden Gefahren ankündigen, welche aber freilich oft über unsere Häupter vorüberziehn, ohne daß wir sie irgend gewahr würden; in welchem Fall wir die äußere Beziehung der Vision nicht konstatiren können. Visionen dieser Art erfordern, um sichtbar auszufallen, mancherlei Bedingungen, vorzüglich, daß das betreffende Subjekt die dazu eignende Empfänglichkeit habe. Wenn hingegen dieses, wie meistentheils, nur im niedrigeren Grade der Fall ist; so wird die Kundgebung bloß hörbar ausfallen und dann sich durch mancherlei Töne manifestiren, am häufigsten durch Klopfen, welches besonders Nachts, meistens gegen Morgen einzutreten pflegt und zwar so, daß man erwacht und gleich darauf ein sehr starkes und die völlige Deutlichkeit der Wirklichkeit habendes Klopfen an der Thüre des Schlafgemachs vernimmt. Zu sichtbaren Visionen, und zwar in allegorisch bedeutsamen Gestalten, die dann von denen der Wirklichkeit nicht zu unterscheiden sind, wird es am ersten dann kommen, wann eine sehr große Gefahr unser Leben bedrohet, oder aber auch wann wir einer solchen, oft ohne es gewiß zu wissen, glücklich entgangen sind; wo sie dann gleichsam Glück wünschen und anzeigen, daß wir jetzt noch viele Jahre vor uns haben. Endlich aber werden dergleichen Visionen auch eintreten, ein unabwendbares Unglück zu verkünden: dieser letztern Art war die bekannte Vision des Brutus vor der Schlacht bei Philippi, sich darstellend als sein böser Genius; wie auch die ihr sehr ähnliche des Kassius Parmensis, nach der Schlacht bei Aktium, welche Valerius Maximus (Lib. I, c. 7, §. 7) erzählt. Ueberhaupt vermuthe ich, daß die Visionen dieser Gattung ein Hauptanlaß zum Mythos der Alten von dem Jedem beigegebenen Genius, so wie der Christlichen Zeiten vom Spiritus familiaris
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