Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer

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Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer

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wenn sie weder zur Marine noch zur Armee taugen, das Church-establishment (charakteristischer Name), mit seinen 5 Millionen Pfund Einkünften, die Versorgungsanstalt. Man verschafft nämlich dem Junker a living (auch sehr charakteristischer Name: eine Leberei) d. i. eine Pfarre, entweder durch Gunst oder für Geld: sehr häufig werden solche in den Zeitungen zum Verkauf, sogar zur öffentlichen Auktion36 angeboten, wiewohl, Anstandshalber, nicht geradezu die Pfarre selbst, sondern das Recht, sie dies Mal zu vergeben (the patronage) verkauft wird. Da aber dieser Handel vor der wirklichen Vakanz derselben abgeschlossen werden muß, fügt man, als zweckmäßigen Puff z. B. hinzu, der jetzige Pfarrer sei schon 77 Jahre alt, wie man denn auch nicht verfehlt, die schöne Jagd-und Fischerei-Gelegenheit bei der Pfarre und das elegante Wohnhaus herauszustreichen. Es ist die frechste Simonie auf der Welt. Hieraus begreift es sich, warum in der guten, will sagen vornehmen, Englischen Gesellschaft, jeder Spott über die Kirche und ihren kalten Aberglauben als schlechter Ton, ja, als eine Unanständigkeit betrachtet wird, nach der Maxime quand le bon ton arrive, le bon sens se retire. So groß ist eben deshalb der Einfluß der Pfaffen in England, daß, zur bleibenden Schande der englischen Nation, das von Thorwaldsen verfertigte Standbild Byrons, ihres, nach dem unerreichbaren Shakespeare größten Dichters, nicht hat im Nationalpantheon der Westminsterabtei zu den übrigen großen Männern aufgestellt werden dürfen; weil eben Byron ehrenhaft genug gewesen ist, dem anglikanischen Pfaffentrug keine Konzessionen zu machen, sondern davon unbehindert seinen Gang zu gehen, während der mediokre Poet Wordsworth, das häufige Ziel seines Spottes, richtig in der Westminsterkirche sein Standbild aufgestellt erhalten hat, im Jahre 1854. Die englische Nation signalisirt durch solche Niederträchtigkeit sich selbst as a stultified and priestridden nation. Europa verhöhnt sie mit Recht. Jedoch wird es nicht so bleiben. Ein künftiges, weiseres Geschlecht wird Byrons Statue im Pomp nach der Westminsterkirche tragen. Voltaire hingegen, der hundert Mal mehr als Byron gegen die Kirche geschrieben hat, ruht glorreich im französischen Pantheon, der S. Genovevakirche, glücklich einer Nation anzugehören, die sich nicht von Pfaffen naseführen und regieren läßt. – Dabei bleiben die demoralisirenden Wirkungen des Pfaffentruges und der Bigotterie natürlich nicht aus. Demoralisirend muß es wirken, daß die Pfaffenschaft dem Volke vorlügt, die Hälfte aller Tugenden bestehe im Sonntagsfaulenzen und im Kirchengeplärr, und eines der größten Laster, welches den Weg zu allen andern bahne, sei das Sabbathbreaking d. h. Nichtfaulenzen am Sonntage: daher sie auch, in den Zeitungen, die zu hängenden armen Sünder sehr oft die Erklärung abgeben lassen, aus dem Sabbathbreaking, diesem gräulichen Laster, sei ihr ganzer sündiger Lebenslauf entsprungen.

      Eben wegen besagter Versorgungsanstalt muß noch jetzt das unglückliche Irland, dessen Bewohner zu Tausenden verhungern, neben seinem eigenen katholischen, aus eigenen Mitteln und freiwillig von ihm bezahlten Klerus, eine nichtsthuende protestantische Klerisei, mit Erzbischof, 12 Bischöfen und einer Armee von deans und rectors erhalten, wenn auch nicht direkt auf Kosten des Volks, sondern aus dem Kirchengut.

      Ich habe bereits darauf aufmerksam gemacht, daß Traum, somnambules Wahrnehmen, Hellsehn, Vision, Zweites Gesicht und etwaniges Geistersehn, nahe verwandte Erscheinungen sind. Das Gemeinsame derselben ist, daß wir, ihnen verfallen, eine sich objektiv darstellende Anschauung durch ein ganz anderes Organ, als im gewöhnlichen wachen Zustande, erhalten; nämlich nicht durch die äußern Sinne, dennoch aber ganz und genau eben so, wie mittelst dieser: ich habe solches demnach das Traumorgan genannt. Was sie hingegen von einander unterscheidet, ist die Verschiedenheit ihrer Beziehung zu der durch die Sinne wahrnehmbaren, empirisch-realen Außenwelt. Diese nämlich ist beim Traum, in der Regel, gar keine, und sogar bei den seltenen fatidiken Träumen doch meistens nur eine mittelbare und entfernte, sehr selten eine direkte: hingegen ist jene Beziehung bei der somnambulen Wahrnehmung und dem Hellsehn, wie auch beim Nachtwandeln, eine unmittelbare und ganz richtige; bei der Vision und dem etwanigen Geistersehn eine problematische. – Nämlich das Schauen von Objekten im Traum ist anerkannt illusorisch, also eigentlich ein bloß subjektives, wie das in der Phantasie: die selbe Art der Anschauung aber wird, im Schlafwachen und im Somnambulismus, eine völlig und richtig objektive; ja, sie erhält im Hellsehn gar einen, den des Wachenden unvergleichbar weit übertreffenden Gesichtskreis. Wenn sie nun aber hier sich auf die Phantome der Abgeschiedenen erstreckt; so will man sie wieder bloß als ein subjektives Schauen gelten lassen. Dies ist indessen der Analogie dieser Fortschreitung nicht gemäß, und nur soviel läßt sich behaupten, daß jetzt Objekte geschaut werden, deren Daseyn durch die gewöhnliche Anschauung des dabei etwan gegenwärtigen Wachenden nicht beglaubigt wird; während auf der zunächst vorhergegangenen Stufe es solche waren, die der Wache erst in der Ferne aufzusuchen, oder der Zeit nach abzuwarten hat. Aus dieser Stufe nämlich kennen wir das Hellsehn als eine Anschauung, die sich auch auf Das erstreckt, was der wachen Gehirnthätigkeit nicht unmittelbar zugänglich, dennoch aber real vorhanden und wirklich ist: wir dürfen daher jenen Wahrnehmungen, denen die wache Anschauung auch mittelst Zurücklegung eines Raumes oder einer Zeit nicht nachkommen kann, die objektive Realität wenigstens nicht sogleich und ohne Weiteres absprechen. Ja, der Analogie nach, dürfen wir sogar vermuthen, daß ein Anschauungsvermögen, welches sich auf das wirklich Zukünftige und noch gar nicht Vorhandene erstreckt, auch wohl das einst Dagewesene, nicht mehr Vorhandene, als gegenwärtig wahrzunehmen fähig seyn könnte. Zudem ist noch nicht ausgemacht, daß die in Rede stehenden Phantome nicht auch in das wache Bewußtseyn gelangen können. Am häufigsten werden sie wahrgenommen im Zustande des Schlafwachens, also wo man die unmittelbare Umgebung und Gegenwart, wiewohl träumend, richtig erblickt: da nun hier Alles, was man sieht, objektiv real ist; so haben die darin auftretenden Phantome die Präsumtion der Realität zunächst für sich.

      Nun aber lehrt überdies die Erfahrung, daß die Funktion des Traumorgans, welche in der Regel den leichteren, gewöhnlichen, oder aber den tiefern magnetischen Schlaf zur Bedingung ihrer Thätigkeit hat, ausnahmsweise auch bei wachem Gehirne zur Ausübung gelangen kann, also daß jenes Auge, mit welchem wir die Träume sehn, auch wohl ein Mal im Wachen aufgehn kann. Alsdann stehn Gestalten vor uns, die denen, welche durch die Sinne ins Gehirn kommen, so täuschend gleichen, daß sie mit diesen verwechselt und dafür gehalten werden, bis sich ergiebt, daß sie nicht Glieder des jene Alle verknüpfenden, im Kausalnexus bestehenden Zusammenhangs der Erfahrung sind, den man unter dem Namen der KörperWelt begreift; was nun entweder sogleich, auf Anlaß ihrer Beschaffenheit, oder aber erst hinterher an den Tag kommt. Einer so sich darstellenden Gestalt nun wird, je nach Dem, worin sie ihre entferntere Ursache hat, der Name einer Hallucination, einer Vision, eines zweiten Gesichts, oder einer Geistererscheinung zukommen. Denn ihre nächste Ursache muß allemal im Innern des Organismus liegen, indem wie oben gezeigt, eine von innen ausgehende Einwirkung es ist, die das Gehirn zu einer anschauenden Thätigkeit erregt, welche, es ganz durchdringend, sich bis auf die Sinnesnerven erstreckt, wodurch alsdann die sich so darstellenden Gestalten sogar Farbe und Glanz, auch Ton und Stimme der Wirklichkeit erhalten. Im Fall dies jedoch unvollkommen geschieht, werden sie nur schwach gefärbt, blaß, grau und fast durchsichtig erscheinen, oder auch wird, dem analog, wenn sie für das Gehör dasind, ihre Stimme verkümmert seyn, hohl, leise, heiser, oder zirpend klingen. Wenn der Seher derselben eine geschärfte Aufmerksamkeit auf sie richtet, pflegen sie zu verschwinden; weil die dem äußern Eindrucke sich jetzt mit Anstrengung zuwendenden Sinne nun diesen wirklich empfangen, der, als der stärkere und in entgegengesetzter Richtung geschehend, jene ganze, von innen kommende Gehirnthätigkeit überwältigt und zurückdrängt. Eben um diese Kollision zu vermeiden geschieht es, daß, bei Visionen, das innere Auge die Gestalten soviel wie möglich dahin projicirt, wo das äußere nichts sieht, in finstere Winkel, hinter Vorhänge, die plötzlich durchsichtig werden, und überhaupt in die Dunkelheit der Nacht, als welche bloß darum die Geisterzeit ist, weil Finsterniß, Stille und Einsamkeit, die äußern Eindrücke aufhebend, jener von innen ausgehenden Thätigkeit des Gehirns Spielraum gestatten; so daß man, in dieser Hinsicht, dieselbe dem Phänomene der Phosphorescenz vergleichen kann, als welches auch durch Dunkelheit bedingt ist. In lauter Gesellschaft und beim Scheine vieler Kerzen ist die Mitternacht keine Geisterstunde.

      Aber die finstere, stille und einsame Mitternacht ist es; weil wir schon instinktmäßig in ihr den Eintritt von Erscheinungen

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