Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer

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Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer

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selbst. Daher nimmt wer den Eintritt solcher Erscheinungen befürchtet Gesellschaft zu sich.

      Obgleich nun die Erfahrung lehrt, daß die Erscheinungen der ganzen hier in Rede stehenden Art allerdings im Wachen Statt haben, wodurch gerade sie sich von den Träumen unterscheiden; so bezweifele ich doch noch, daß dieses Wachen ein im strengsten Sinne vollkommenes sei; da schon die hiebei nothwendige Vertheilung der Vorstellungskraft des Gehirns zu heischen scheint, daß wenn das Traumorgan sehr thätig ist, dies nicht ohne einen Abzug von der normalen Thätigkeit, also nur unter einer gewissen Depotenzirung des wachen, nach außen gerichteten Sinnesbewußtseyns geschehn kann: wonach ich vermuthe, daß, während einer solchen Erscheinung, das zwar allerdings wache Bewußtseyn doch gleichsam mit einem ganz leichten Flor überschleiert ist, wodurch es eine gewisse, wiewohl schwache, traumartige Färbung erhält. Hieraus wäre zunächst erklärlich, daß Die, welche wirklich dergleichen Erscheinungen gehabt haben, nie vor Schreck darüber gestorben sind; während hingegen falsche, künstlich veranstaltete Geistererscheinungen bisweilen diese Wirkung gehabt haben. Ja, in der Regel, verursachen die wirklichen Visionen dieser Art gar keine Furcht; sondern erst hinterher, beim Nachdenken darüber, stellt sich einiges Grausen ein: dies mag freilich auch daran liegen, daß sie, während ihrer Dauer, für leibhaftige Menschen gehalten werden, und erst hinterher sich zeigt, daß sie das nicht seyn konnten. Doch glaube ich, daß die Abwesenheit der Furcht, welche sogar ein charakteristisches Kennzeichen wirklicher Visionen dieser Art ist, hauptsächlich aus dem oben angegebenen Grunde entspringt, indem man, obwohl wach, doch von einer Art Traumbewußtseyn leicht umflort ist, also sich in einem Elemente befindet, dem der Schreck über unkörperliche Erscheinungen wesentlich fremd ist, eben weil in demselben das Objektive vom Subjektiven nicht so schroff geschieden ist, wie bei der Einwirkung der Körperwelt. Dies findet eine Bestätigung an der unbefangenen Art, mit welcher die Seherin von Prevorst ihres Geisterumganges pflegt: z. B. Bd. 2, S. 120 (erste Aufl.) läßt sie ganz ruhig einen Geist dastehn und warten, bis sie ihre Suppe gegessen hat. Auch sagt J. Kerner selbst, an mehreren Stellen (z. B. Bd. 1, S. 209), daß sie zwar wach zu seyn schien, aber es doch nie ganz war; was mit ihrer eigenen Außerung (Bd. 2, S. 11. 3. Aufl. S. 256), daß sie jedesmal, wenn sie Geister sehe, ganz wach sei, allenfalls noch zu vereinigen seyn möchte.

      Von allen dergleichen, im wachen Zustande eintretenden Anschauungen mittelst des Traumorgans, welche uns völlig objektive und den Anschauungen mittelst der Sinne gleich kommende Erscheinungen vorhalten, muß, wie gesagt, die nächste Ursache stets im Innern des Organismus liegen, wo dann irgend eine ungewöhnliche Veränderung es ist, welche mittelst des, dem Cerebralsystem schon verwandten vegetativen Nervensystems, also des sympathischen Nerven und seiner Ganglien, auf das Gehirn wirkt; durch welche Einwirkung nun aber dieses immer nur in die ihm natürliche und eigenthümliche Thätigkeit der objektiven, Raum, Zeit und Kausalität zur Form habenden, Anschauung versetzt werden kann, gerade so wie durch die Einwirkung, welche von außen auf die Sinne geschieht; daher es diese seine normale Funktion jetzt ebenfalls ausübt. – Sogar aber dringt die nun so von innen erregte, anschauende Thätigkeit des Gehirns bis zu den Sinnesnerven durch, welche demnach jetzt ebenfalls von innen wie sonst von außen, zu den ihnen specifischen Empfindungen angeregt, die erscheinenden Gestalten mit Farbe, Klang, Geruch u. s. w. ausstatten und dadurch ihnen die vollkommene Objektivität und Leibhaftigkeit des sinnlich Wahrgenommenen verleihen.

      Eine beachtenswerthe Bestätigung erhält diese Theorie der Sache durch folgende Angabe einer hellsehenden Somnambule Heinekens über die Entstehung der somnambulen Anschauung: in der Nacht war ihr, nach einem ruhigen, natürlichen Schlafe, auf ein Mal deutlich geworden, das Licht entwickele sich aus dem Hinterkopfe, ströme von da nach dem Vorderkopfe, komme dann zu den Augen, und mache nun die umstehenden Gegenstände sichtbar: durch dieses dem Dämmerlichte ähnliche Licht habe sie Alles um sich her deutlich gesehn und erkannt. (Kieser’s Archiv für d. thier. Magn. Bd. 2, Heft 3, S. 43.) Die dargelegte nächste Ursache solcher im Gehirn von innen aus erregten Anschauungen muß aber selbst wieder eine haben, welche demnach die entferntere Ursache jener ist. Wenn wir nun finden sollten, daß diese nicht jedesmal bloß im Organismus, sondern bisweilen auch außerhalb desselben zu suchen sei; so würde in letzterem Fall jenem Gehirnphänomene, welches, bis hieher, als so subjektiv wie die bloßen Träume, ja, nur als ein wacher Traum sich darstellt, die reale Objektivität, d. h. die wirklich kausale Beziehung auf etwas außer dem Subjekt Vorhandenes, von einer ganz andern Seite aus, wieder gesichert werden, also gleichsam durch die Hinterthüre wieder hereinkommen.

      – Ich werde demnach jetzt die entfernteren Ursachen jenes Phänomens, so weit sie uns bekannt sind, aufzählen; wobei ich zunächst bemerke, daß, so lange diese allein innerhalb des Organismus liegen, das Phänomen mit dem Namen der Hallucination bezeichnet wird, diesen jedoch ablegt und verschiedene andere Namen erhält, wenn eine außerhalb des Organismus liegende Ursache nachzuweisen ist, oder wenigstens angenommen werden muß.

      1) Die häufigste Ursach des in Rede stehenden Gehirnphänomens sind heftige akute Krankheiten, namentlich hitzige Fieber, welche das Delirium herbeiführen, in welchem, unter dem Namen der Fieberphantasien, das besagte Phänomen allbekannt ist. Diese Ursache liegt offenbar bloß im Organismus, wenn gleich das Fieber selbst durch äußere Ursachen veranlaßt seyn mag.

      2) Der Wahnsinn ist keineswegs immer, aber doch bisweilen von Hallucinationen begleitet, als deren Ursache die ihn zunächst herbeiführenden, meistens im Gehirn, oft aber auch im übrigen Organismus vorhandenen krankhaften Zustände anzusehn sind.

      3) In seltenen, glücklicherweise aber vollkommen konstatirten Fällen, entstehn, ohne daß Fieber, oder sonst akute Krankheit, geschweige Wahnsinn, vorhanden sei, Hallucinationen, als Erscheinungen menschlicher Gestalten, die den wirklichen täuschend gleichen. Der bekannteste Fall dieser Art ist der Nikolai’s, da er ihn 1799 der Berliner Akademie vorgelesen und diesen Vortrag auch besonders abgedruckt hat. Einen ähnlichen findet man im Edinburgh Journal of Science, by Brewster, Vol. 4. N. 8, Oct. – April 1831, und mehrere andere liefert Brierre de Boismont, des hallucinations, 1845, deuxième edit. 1852, ein für den gesammten Gegenstand unsrer Untersuchung sehr brauchbares Buch, auf welches ich daher mich öfter beziehn werde. Zwar giebt dasselbe keineswegs eine tief eingehende Erklärung der dahin gehörigen Phänomene, sogar hat es leider nicht ein Mal wirklich, sondern bloß scheinbar eine systematische Anordnung; jedoch ist es eine sehr reiche, auch mit Umsicht und Kritik gesammelte Kompilation aller in unser Thema irgend einschlagenden Fälle. Zu dem speciellen Punkte, den wir soeben betrachten, gehören darin besonders die Observations 7, 13, 15, 29, 65, 108, 110, 111, 112, 114, 115, 132. Ueberhaupt aber muß man annehmen und erwägen, daß von den Thatsachen, welche dem gesammten Gegenstande der gegenwärtigen Betrachtung angehören, auf Eine öffentlich mitgetheilte tausend ähnliche kommen, deren Kunde nie über den Kreis ihrer unmittelbaren Umgebung hinausgelangt ist, aus verschiedenen Ursachen, die leicht abzusehn sind. Daher eben schleppt sich die wissenschaftliche Betrachtung dieses Gegenstandes seit Jahrhunderten, ja Jahrtausenden, mit wenigen einzelnen Fällen, Wahrträumen und Geistergeschichten, deren Gleiche seitdem hundert tausend Mal vorgekommen, aber nicht zur öffentlichen Kunde gebracht und dadurch der Litteratur einverleibt worden sind. Als Beispiele jener, durch zahllose Wiederholung typisch gewordenen Fälle nenne ich nur den Wahrtraum, welchen Cicero de div. I, 27, erzählt, das Gespenst bei Plinius, in der epistola ad Suram, und die Geistererscheinung des Marsilius Ficinus, gemäß der Verabredung mit seinem Freunde Mercatus. – Was nun aber die unter gegenwärtiger Nummer in Betrachtung genommenen Fälle betrifft, deren Typus Nikolai’s Krankheit ist; so haben sie sich sämmtlich als aus rein körperlichen, gänzlich im Organismus selbst gelegenen abnormen Ursachen entsprungen erwiesen, sowohl durch ihren bedeutungslosen Inhalt und das Periodische ihrer Wiederkehr, als auch dadurch, daß sie therapeutischen Mitteln, besonders Blutentziehungen, allemal gewichen sind. Sie gehören also ebenfalls zu den bloßen Hallucinationen, ja, sind im eigentlichsten Sinne so zu nennen.

      4) Denselben reihen sich nun zunächst gewisse, ihnen übrigens ähnliche Erscheinungen objektiv und äußerlich dastehender Gestalten an, welche sich jedoch durch einen, eigens für den Seher bestimmten, bedeutsamen und zwar meistens finstern Charakter unterscheiden, und deren reale Bedeutsamkeit meistens durch den bald darauf erfolgenden

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