Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer

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Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer

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verglichen werden, welche in Hinsicht auf das Praktische, Einer haben mag, der, aus einer Gesellschaft von Ehrenmännern kommend, in eine Gaunerherberge gerathen wäre. Welch ein würdiger Mann ist doch der von eben jenen drei Sophisten so gering geschätzte und verspottete Christian Wolf, in Vergleich mit ihnen! Er hatte und gab doch wirkliche Gedanken: sie aber bloße Wortgebilde, Phrasen, in der Absicht zu täuschen. Demnach ist der wahre unterscheidende Charakter der Philosophie dieser ganzen, sogenannten Nachkantischen Schule Unredlichkeit, ihr Element blauer Dunst und persönliche Zwecke ihr Ziel. Ihre Koryphäen waren bemüht, zu scheinen, nicht zu seyn: sie sind daher Sophisten, nicht Philosophen. Spott der Nachwelt, der sich auf ihre Verehrer erstreckt, und dann Vergessenheit warten ihrer. Mit der angegebenen Tendenz dieser Leute hängt, beiläufig gesagt, auch der zankende, scheltende Ton zusammen, der, als obligate Begleitung, überall Schellings Schriften durchzieht. – Wäre nun diesem Allen nicht so, wäre mit Redlichkeit, statt mit Imponiren und Windbeuteln zu Werke gegangen worden; so könnte Schelling, als welcher entschieden der Begabteste unter den Dreien ist, in der Philosophie doch den untergeordneten Rang eines vor der Hand nützlichen Eklektikers einnehmen; sofern er aus den Lehren des Plotinos, des Spinoza, Jakob Böhmes, Kants und der Naturwissenschaft neuerer Zeit ein Amalgam bereitet hat, das die große Leere, welche die negativen Resultate der Kantischen Philosophie herbeigeführt hatten, einstweilen ausfüllen konnte, bis ein Mal eine wirklich neue Philosophie herankäme und die durch jene geforderte Befriedigung eigentlich gewährte. Namentlich hat er die Naturwissenschaft unsers Jahrhunderts dazu benutzt, den Spinoza’schen abstrakten Pantheismus zu beleben. Spinoza nämlich, ohne alle Kenntniß der Natur, hatte bloß aus abstrakten Begriffen in den Tag hinein philosophirt und daraus, ohne die Dinge selbst eigentlich zu kennen, sein Lehrgebäude aufgeführt. Dieses dürre Skelett mit Fleisch und Farbe bekleidet, ihm, so gut es gehn wollte, Leben und Bewegung ertheilt zu haben, mittelst Anwendung der unterdessen herangereiften Naturwissenschaft, wenn gleich oft mit falscher Anwendung, dies ist das nicht abzuleugnende Verdienst Schellings in seiner Naturphilosophie, die eben auch das Beste unter seinen mannigfaltigen Versuchen und neuen Anläufen ist.

      Wie Kinder mit den zu ernsten Zwecken bestimmten Waffen, oder sonstigem Geräthe der Erwachsenen spielen, so haben die hier in Betracht genommenen drei Sophisten es mit dem Gegenstande, über dessen Behandlung ich hier referire, gemacht, indem sie zu den mühsäligen, zweihundertjährigen Untersuchungen grübelnder Philosophen das komische Widerspiel lieferten. Nachdem nämlich Kant das große Problem des Verhältnisses zwischen dem an sich Existirenden und unsern Vorstellungen mehr als je auf die Spitze gestellt und dadurch es der Lösung um ein Vieles näher gebracht hatte, tritt Fichte auf mit der Behauptung, daß hinter den Vorstellungen weiter nichts stäke; sie wären eben nur Produkte des erkennenden Subjekts, des Ich. Während er hiedurch Kanten zu überbieten suchte, brachte er bloß eine Karikatur der Philosophie desselben zu Tage, indem er, unter beständiger Anwendung der jenen drei Pseudophilosophen bereits nachgerühmten Methode, das Reale ganz aufhob und nichts als das Ideale übrig ließ. Dann kam Schelling, der, in seinem System der absoluten Identität des Realen und Idealen, jenen ganzen Unterschied für nichtig erklärte, und behauptete, das Ideale sei auch das Reale, es sei eben Alles Eins; wodurch er das so mühsam, mittelst der allmälig und schrittweise sich entwickelnden Besonnenheit, Gesonderte wieder wild durch einander zu werfen und Alles zu vermischen trachtete (Schelling, vom Verhältniß der Naturphil. zur Fichte’schen, S. 14-21). Der Unterschied des Idealen und Realen wird eben dreist weggeleugnet, unter Nachahmung der oben gerügten Fehler Spinoza’s. Dabei werden sogar Leibnitzens Monaden, diese monstrose Identifikation zweier Undinge, nämlich der Atome und der untheilbaren, ursprünglich und wesentlich erkennenden Individuen, genannt Seelen, wieder hervorgeholt, feierlich apotheosirt und zu Hülfe genommen (Schelling, Ideen z. Naturphil. 2. Aufl. S. 38 u. 82). Den Namen der Identitätsphilosophie führt die Schelling’sche Naturphilosophie, weil sie, in Spinoza’s Fußstapfen tretend, drei Unterschiede, die dieser aufgehoben hatte, ebenfalls aufhebt, nämlich den zwischen Gott und Welt, den zwischen Leib und Seele, und endlich auch den zwischen dem Idealen und Realen in der angeschauten Welt. Dieser letztere Unterschied aber hängt, wie oben, bei Betrachtung Spinoza’s gezeigt worden, keineswegs von jenen beiden andern ab; so wenig, daß, je mehr man ihn hervorgehoben hat, desto mehr jene beiden andern dem Zweifel unterlegen sind: denn sie sind auf dogmatische Beweise (die Kant umgestossen hat) gegründet, er hingegen auf einen einfachen Akt der Besinnung. Dem Allen entsprechend wurde von Schelling auch die Metaphysik mit der Physik identifizirt, und demgemäß auf eine bloß physikalisch-chemische Diatribe der hohe Titel von der Weltseele gesetzt. Alle eigentlich metaphysischen Probleme, wie sie dem menschlichen Bewußtseyn sich unermüdlich aufdringen, sollten durch ein dreistes Wegleugnen, mittelst Machtsprüchen, beschwichtigt werden. Hier ist die Natur eben weil sie ist, aus sich selbst und durch sich selbst, wir ertheilen ihr den Titel Gott, damit ist sie abgefunden und wer mehr verlangt ist ein Narr: der Unterschied zwischen Subjektivem und Objektivem ist eine bloße Schulfakse, so auch die ganze Kantische Philosophie, deren Unterscheidung von a priori und a posteriori nichtig ist: unsere empirische Anschauung liefert ganz eigentlich die Dinge an sich u. s. w. Man sehe Ueber das Verhältniß der Naturphilosophie zur Fichte’schen S. 51 und 67, woselbst auch S. 61 ausdrücklich gespottet wird über die, welche recht eigentlich darüber erstaunen, daß nicht nichts ist, und sich nicht satt darüber wundern können, daß wirklich etwas existirt. So sehr also scheint dem Herrn von Schelling sich Alles von selbst zu verstehn. Im Grunde aber ist ein dergleichen Gerede eine in vornehme Phrasen gehüllte Appellation an den sogenannten gesunden, d. h. rohen Verstand. Uebrigens erinnere ich hier an das im 2. Bande meines Hauptwerks, Kap. 17 gleich Anfangs, Gesagte. Für unsern Gegenstand bezeichnend und gar naiv ist im angeführten Buche Schellings noch die Stelle S. 69: hätte die Empirie ihren Zweck vollkommen erreicht; so würde ihr Gegensatz mit der Philosophie und mit diesem die Philosophie selbst, als eigene Sphäre oder Art der Wissenschaft, verschwinden: alle Abstraktionen lösten sich auf in die unmittelbare “freundliche” Anschauung: das Höchste wäre ein Spiel der Lust und der Einfalt, das Schwerste leicht, das Unsinnlichste sinnlich, und der Mensch dürfte froh und frei im Buche der Natur lesen. – Das wäre freilich allerliebst! Aber so steht es nicht mit uns: dem Denken lässt sich nicht so die Thüre weisen. Die ernste, alte Sphinx mit ihrem Räthsel liegt unbeweglich da und stürzt sich darum, daß ihr sie für ein Gespenst erklärt, nicht vom Felsen. Als, eben deshalb, Schelling später selbst merkte, daß die metaphysischen Probleme sich nicht durch Machtsprüche abweisen lassen, lieferte er einen eigentlich metaphysischen Versuch, in seiner Abhandlung über die Freiheit, welche jedoch ein bloßes Phantasiestück, ein conte bleu, ist, daher es eben kommt, daß der Vortrag, so oft er den demonstrirenden Ton annimmt (z. B. S. 453 fg.), eine entschieden komische Wirkung hat.

      Durch seine Lehre von der Identität des Realen und Idealen hatte demnach Schelling das Problem, welches, seit Kartesius es auf die Bahn gebracht, von allen großen Denkern behandelt und endlich von Kant auf die äußerste Spitze getrieben war, dadurch zu lösen gesucht, daß er den Knoten zerhaute, indem er den Gegensatz zwischen Beiden ableugnete. Mit Kanten, von dem er auszugehen vorgab, trat er dadurch eigentlich in geraden Widerspruch. Inzwischen hatte er wenigstens den ursprünglichen und eigentlichen Sinn des Problems festgehalten, als welcher das Verhältniß zwischen unserer Anschauung und dem Seyn und Wesen, an sich selbst, der in dieser sich darstellenden Dinge betrifft: allein, weil er seine Lehre hauptsächlich aus dem Spinoza schöpfte, nahm er bald von Diesem die Ausdrücke Denken und Seyn auf, welche das in Rede stehende Problem sehr schlecht bezeichnen und später Anlaß zu den tollsten Monstrositäten wurden. Spinoza hatte mit seiner Lehre, daß substantia cogitans et substantia extensa una eademque est substantia, quae jam sub hoc jam sub illo attributo comprehenditur (II, 7. sch.); oder scilicet mens et corpus una eademque est res, quae jam sub cogitationis, jam sub extensionis attributo concipitur (III, 2. sch.), zunächst den Kartesianischen Gegensatz von Leib und Seele aufheben wollen: auch mag er erkannt haben, daß das empirische Objekt von unserer Vorstellung desselben nicht verschieden ist. Schelling nahm nun von ihm die Ausdrücke Denken und Seyn an, welche er allmälig denen von Anschauen, oder vielmehr Angeschautem, und Ding an sich substituirte (Neue Zeitschrift für spekul. Physik, ersten Bandes erstes Stück: Fernere Darstellungen u. s. w.) Denn das Verhältniß unserer Anschauung der Dinge

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