Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer

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Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer

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offenbar und unleugbar bloße Abstraktionen aus dem anschaulich Erkannten sind, entstanden durch beliebiges Wegdenken, oder Fallenlassen, einiger Eigenschaften und Beibehalten anderer; woran zu zweifeln keinem vernünftigen Menschen einfallen kann6. Diese Begriffe und Gedanken, welche die Klasse der nichtanschaulichen Vorstellungen ausmachen, haben daher zum Wesen und Seyn an sich der Dinge nie ein unmittelbares Verhältniß, sondern allemal nur ein mittelbares, nämlich unter Vermittelung der Anschauung: diese ist es, welche einerseits ihnen den Stoff liefert, und andererseits in Beziehung zu den Dingen an sich, d. h. zu dem unbekannten, in der Anschauung sich objektivirenden, selbsteigenen Wesen der Dinge steht.

      Der von Schelling dem Spinoza entnommene, ungenaue Ausdruck gab nun später dem geist-und geschmacklosen Scharlatan Hegel, welcher in dieser Hinsicht als der Hanswurst Schellings auftritt, Anlaß, die Sache dahin zu verdrehen, daß das Denken selbst und im eigentlichen Sinn, also die Begriffe, identisch seyn sollten mit dem Wesen an sich der Dinge: also das in abstracto Gedachte als solches und unmittelbar sollte Eins seyn mit dem objektiv Vorhandenen an sich selbst, und demgemäß sollte denn auch die Logik zugleich die wahre Metaphysik seyn: demnach brauchten wir nur zu denken, oder die Begriffe walten zu lassen, um zu wissen, wie die Welt da draußen absolut beschaffen sei. Danach wäre Alles, was in einem Hirnkasten spukt, sofort wahr und real. Weil nun ferner je toller je besser der Wahlspruch der Philosophaster dieser Periode war; so wurde diese Absurdität durch die zweite gestützt, daß nicht wir dachten, sondern die Begriffe allein und ohne unser Zuthun den Gedankenprozeß vollzögen, welcher daher die dialektische Selbstbewegung des Begriffs genannt wurde und nun eine Offenbarung aller Dinge in et extra naturam seyn sollte. Dieser Fratze lag nun aber eigentlich noch eine andere zum Grunde, welche ebenfalls auf Mißbrauch der Wörter beruhte und zwar nie deutlich ausgesprochen wurde, jedoch unzweifelhaft dahinter steckt. Schelling hatte, nach Spinozas Vorgang, die Welt Gott betitelt. Hegel nahm Dies nach dem Wortsinn. Da nun das Wort eigentlich ein persönliches Wesen, welches, unter andern mit der Welt durchaus inkompatibeln Eigenschaften, auch die der Allwissenheit hat, bedeutet; so wurde von ihm nun auch diese auf die Welt übertragen, woselbst sie natürlich keine andere Stelle erhalten konnte, als unter der albernen Stirn des Menschen; wonach denn dieser nur seinen Gedanken freien Lauf (dialektische Selbstbewegung) zu lassen brauchte, um alle Mysterien Himmels und der Erde zu offenbaren, nämlich in dem absoluten Gallimathias der Hegel’schen Dialektik. Eine Kunst hat dieser Hegel wirklich verstanden, nämlich die, die Deutschen bei der Nase zu führen. Das ist aber keine große. Wir sehen ja, mit welchen Possen er die deutsche Gelehrtenwelt 30 Jahre lang in Respekt halten konnte. Daß die Philosophieprofessoren es noch immer mit diesen drei Sophisten ernstlich nehmen und wichtig damit thun, ihnen eine Stelle in der Geschichte der Philosophie einzuräumen, geschieht eben nur, weil es zu ihrem gagne-pain gehört, indem sie daran Stoff haben zu ausführlichen, mündlichen und schriftlichen Vorträgen der Geschichte der sogenannten Nach-Kantischen Philosophie, in welchen die Lehrmeinungen dieser Sophisten ausführlich dargelegt und ernsthaft erwogen werden; – während man vernünftiger Weise sich nicht darum bekümmern sollte, was diese Leute, um etwas zu scheinen, zu Markte gebracht haben; es wäre denn, daß man die Schreibereien des Hegel für offizinell erklären und in den Apotheken vorräthig haben wollte, als psychisch wirkendes Vomitiv; indem der Ekel, den sie erregen, wirklich ganz specifisch ist. Doch genug von ihnen und ihrem Urheber, dessen Verehrung wir der Dänischen Akademie der Wissenschaften überlassen wollen, als welche in ihm einen summus philosophus nach ihrem Sinn erkannt hat und daher Respekt vor ihm fordert, in ihrem, meiner Preisschrift über das Fundament der Moral, zu bleibendem Andenken, beigedrucktem Urtheile, welches eben so sehr wegen seines Scharfsinns, als wegen schier denkwürdigen Redlichkeit, der Vergessenheit entzogen zu werden verdiente, wie auch, weil es einen lukulenten Beleg liefert zu Labruyere’s gar schönem Ausspruch: du même fonds, dont on néglige un homme de mérite, l`on sait encore admirer un sot.

      Fragmente

      zur

      Geschichte der Philosophie

      Fragmente zur Geschichte der Philosophie

      Inhaltsverzeichnis

      §. 1. Ueber dieselbe.

      Statt der selbsteigenen Werke der Philosophen allerlei Darlegungen ihrer Lehren, oder überhaupt Geschichte der Philosophie zu lesen, ist wie wenn man sich sein Essen von einem Andern kauen lassen wollte. Würde man wohl Weltgeschichte lesen, wenn es Jedem freistände, die ihn interessirenden Begebenheiten der Vorzeit mit eigenen Augen zu schauen? Hinsichtlich der Geschichte der Philosophie nun aber ist ihm eine solche Autopsie ihres Gegenstandes wirklich zugänglich, nämlich in den selbsteigenen Schriften der Philosophen, woselbst er dann immerhin, der Kürze halber, sich auf wohlgewählte Hauptkapitel beschränken mag; um so mehr, als sie alle von Wiederholungen strotzen, die man sich ersparen kann. Auf diese Weise also wird er das Wesentliche ihrer Lehren authentisch und unverfälscht kennen lernen, während er aus den, jetzt jährlich zu halben Dutzenden erscheinenden Geschichten der Philosophie bloß empfängt, was davon in den Kopf eines Philosophieprofessors gegangen ist und zwar so, wie es sich daselbst ausnimmt; wobei es sich von selbst versteht, daß die Gedanken eines großen Geistes bedeutend einschrumpfen müssen, um im drei-pfund-Gehirn so eines Parasiten der Philosophie Platz zu finden, aus welchem sie nun wieder, in den jedesmaligen Jargon des Tages gekleidet, hervorkommen sollen, begleitet von seiner altklugen Beurtheilung. – Ueberdies läßt sich berechnen, daß so ein geldverdienender Geschichtsschreiber der Philosophie kaum den zehnten Theil der Schriften, darüber er Bericht erstattet, auch nur gelesen haben kann: ihr wirkliches Studium erfordert ein ganzes, langes und arbeitsames Leben, wie es ehemals, in den alten, fleißigen Zeiten, der wackere Brucker daran gesetzt hat. Was hingegen können wohl solche Leutchen, die, abgehalten durch beständige Vorlesungen, Amtsgeschäfte, Ferienreisen und Zerstreuungen, meistens schon in den frühern Jahren mit Geschichten der Philosophie auftreten, Gründliches erforscht haben? Dazu aber wollen sie auch noch pragmatisch seyn, die Nothwendigkeit des Entstehens und der Folge der Systeme ergründet haben und darthun, und nun gar noch jene ernsten, ächten Philosophen der Vorzeit beurtheilen, zurechtweisen und meistern. Wie kann es anders kommen, als daß sie die älteren, und Einer den Andern, ausschreiben, dann aber, um Dies zu verbergen, die Sachen mehr und mehr verderben, indem sie ihnen die moderne Tournüre des laufenden Quinquenniums zu geben bestrebt sind, wie sie denn auch nach dem Geiste desselben solche beurtheilen. – Sehr zweckmäßig dagegen würde eine von redlichen und einsichtigen Gelehrten gemeinschaftlich und gewissenhaft gemachte Sammlung der wichtigen Stellen und wesentlichen Kapitel sämmtlicher Hauptphilosophen seyn, in chronologisch-pragmatischer Ordnung zusammengestellt, ungefähr in der Art, wie zuerst Gedicke, und später Ritter und Preller es mit der Philosophie des Alterthums gemacht haben; jedoch viel ausführlicher: also eine mit Sorgfalt und Sachkenntniß verfertigte große und allgemeine Chrestomathie.

      Die Fragmente, welche nun ich hier gebe, sind wenigstens nicht traditionell, d. h. abgeschrieben; vielmehr sind es Gedanken, veranlaßt durch das eigene Studium der Originalwerke.

      §. 2. Vorsokratische Philosophie.

      Die Eleatischen Philosophen sind wohl die ersten, welche des Gegensatzes inne geworden sind, zwischen dem Angeschauten und dem Gedachten, φαινομενα und νοουμενα. Das Letztere allein war ihnen das wahrhaft Seiende, das οντως ον. – Von diesem behaupten sie sodann, daß es Eines, unveränderlich und unbeweglich sei; nicht aber eben so von den φαινομενοις, d. i. dem Angeschauten, Erscheinenden, empirisch Gegebenen, als von welchem so etwas zu behaupten geradezu lächerlich gewesen wäre; daher denn einst der so mißverstandene Satz, auf die bekannte Art, vom Diogenes widerlegt wurde. Sie unterschieden also eigentlich schon zwischen Erscheinung, φαινομενον, und Ding an sich, οντως ον. Letzteres konnte nicht sinnlich angeschaut, sondern

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