Dr. Daniel Staffel 4 – Arztroman. Marie-Francoise
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Dr. Daniel atmete auf. »Gott sei Dank.« Impulsiv nahm er seine Tochter in den Arm. »Manchmal hatte ich schon schreckliche Angst, daß du dich von dieser unseligen Liebe niemals mehr würdest befreien können. Sie schien immer so… so endgültig zu sein.«
»Ach, Papa, ich bin mindestens genauso froh wie du, daß ich nun endlich Klarheit in meine Gefühle bringen konnte.« Sie lächelte. »Und weißt du, was das Schönste an allem ist? Ich habe in Erika eine richtige Freundin gefunden.« Dann wurde sie wieder ernst. »Was glaubst du, Papa, sie wird bestimmt ein gesundes Baby zur Welt bringen, oder?«
Dr. Daniel nickte. »Das hoffe ich doch sehr.« Er seufzte. »Eine zweite Fehlgeburt wäre so ziemlich das Schlimmste, was ihr passieren könnte – vor allem, weil sie für dieses Baby schon jetzt so vieles in Kauf genommen hat. Ich weiß von meiner langjährigen Praxistätigkeit sehr gut, wie belastend es für junge Frauen ist, den Großteil der Schwangerschaft im Bett verbringen zu müssen, noch dazu in der ständigen Angst, trotzdem eine Fehlgeburt zu erleiden. Erika hat nur das Glück, einen sehr liebevollen Mann an ihrer Seite zu haben.« Lächelnd streichelte er über Karinas langes blondes Haar. »Und dazu noch eine Freundin, die ihr immer wieder Mut macht.«
Auch Karina lächelte. »Ich will jedenfalls mein Bestes versuchen.«
*
Erika Metzler hatte die Augen geschlossen, doch sie schlief nicht. Überdeutlich fühlte sie das sanfte Pochen in ihrem Bauch. Gestern hatte sie noch gedacht, es wären ganz normale Darmgeräusche, doch inzwischen wußte sie, daß es die ersten Klopfzeichen ihres Babys waren. Niemand hatte es ihr gesagt – es war der Instinkt einer werdenden Mutter, der es sie wissen ließ. Sehr sanft streichelte sie über ihren Bauch und flüsterte dabei immer wieder: »Mein kleiner Liebling.«
Die sich öffnende Tür riß Erika aus ihrer Versunkenheit heraus. Sie öffnete die Augen, und als sie sah, wer da hereinkam, richtete sie sich auf und streckte beide Hände aus.
»Wolfi! Endlich!«
Dr. Metzler setzte sich auf die Bettkante, dann nahm er seine Frau zärtlich in die Arme und drückte sie an sich.
»Tut mir leid, daß ich jetzt erst kommen kann, aber diese beiden Giftmischer Robert und Gerrit haben mir gestern nachmittag und heute nacht je einen Cocktail verpaßt, der mich noch den ganzen Vormittag über daran gehindert hat, auch nur kurzzeitig das Bett zu verlassen.« Er lächelte seine Frau liebevoll an. »Sogar jetzt bin ich noch ein bißchen wacklig auf den Beinen, aber ich hatte solche Sehnsucht nach dir.«
Erika schmiegte sich an ihn, dann nahm sie seine Hand und legte sie auf ihren Bauch.
»Spürst du etwas, Wolfi?«
Er schüttelte den Kopf, hielt aber mitten in der Bewegung inne. »Doch, jetzt.« Er sah seine Frau an. »War das unser Baby?«
Erika nickte selig. »Seit gestern spüre ich bereits die Bewegungen. Ach, Wolfi, es ist ein wunderbares Gefühl.« Und dann stiegen ihr plötzlich Tränen in die Augen. »Ich darf dieses Baby nicht wieder verlieren.«
Tröstend streichelte Wolfgang ihr Gesicht. »Das wirst du auch nicht, Liebes. Ich bin ganz sicher, daß du ein wundervolles Kind zur Welt bringen wirst.«
Erika klammerte sich an ihn wie eine Ertrinkende. »Halt mich fest, Wolfi. Ich bin so froh, daß ich dich habe. Ohne dich… ich weiß nicht, wie ich das alles allein durchstehen würde. Es ist so bedrückend, die ganze Zeit im Bett zu liegen. Die Gedanken, die einem dabei durch den Kopf jagen, machen einen fast verrückt.«
Eine Weile herrschte Schweigen zwischen den beiden.
»Hält Robert es noch immer für bedenklich, wenn du ab und zu aufstehen würdest?« wollte Wolfgang schließlich wissen.
»Natürlich stehe ich gelegentlich mal auf, aber… ich selbst bin es ja eigentlich, die jegliches Risiko vermeiden will«, gestand Erika. »Eine erneute Fehlgeburt… noch dazu zum jetzigen Zeitpunkt… ich glaube, daran würde ich wirklich zugrunde gehen.« Dann schüttelte sie den drohenden Gedanken energisch von sich ab. »Karina kümmert sich sehr lieb um mich.« Sie lächelte. »Stell dir vor, in den vergangenen Wochen sind wir richtige Freundinnen geworden. Ich hätte nie gedacht, daß das einmal möglich sein würde.«
»Sie liebt mich nicht mehr, und darüber bin ich sehr froh«, erklärte Dr. Metzler, dann senkte er den Kopf. »Allerdings hat mich die Art, wie sie mir das mitgeteilt hat, doch ziemlich geschockt.« Jetzt sah er seine Frau wieder an. »Sei ehrlich, Erika, ist es wahr, daß ich mich so sehr verändert habe?«
Sie zögerte einen Moment, dann nickte sie. »Ja, Wolfi, so leid es mir tut, dir das sagen zu müssen, aber fast alle hier in der Klinik haben dich in den vergangenen Monaten von einer sehr unangenehmen Seite kennengelernt.«
»Du auch?« fragte er, und dabei stand Angst in seinen sanften, rehbraunen Augen.
Da schüttelte Erika den Kopf. »Nein, Wolfi, zu mir warst du so liebevoll und zärtlich wie immer – vielleicht sogar noch mehr als zuvor. Aber als Chefarzt warst du tatsächlich nur schwer zu ertragen.«
Wolfgang seufzte tief auf. »Als Karina und Robert es zu mir sagten… ich weiß nicht, wie ich es erklären soll… ich habe ihnen geglaubt und gleichzeitig doch wieder daran gezweifelt. Es schien mir einfach unvorstellbar, daß mich mein Ehrgeiz so weit treiben konnte. Aber wenn sogar du es sagst…« Er stockte. Noch immer erschien ihm das alles zu ungeheuerlich, um wirklich wahr zu sein. Es war, als hätte er das alles in einer Art Trancezustand getan, dabei war ihm gleichzeitig jede Szene, in der er als unerbittlicher Chefarzt fungiert hatte, so deutlich in Erinnerung, als wäre sie erst vor fünf Minuten passiert.
»Ich fürchte, ich habe jetzt eine ganze Menge gutzumachen«, murmelte er.
»Wolfi.« Erikas Stimme klang sanft und weich. »Jeder hier in der Klinik mag dich. Sie werden es dir nicht schwermachen, da bin ich ganz sicher.«
Er mußte lächeln. »Genau dasselbe hat Robert heute früh auch gesagt.« Dann stand er auf. »Ich werde es gleich hinter mich bringen, schließlich hat es keinen Sinn, die Sache noch weiter hinauszuzögern.«
»Ich denke ganz fest an dich, Wolfi«, versprach Erika leise.
Da beugte er sich zu ihr hinunter und küßt sie. »Das wird mir helfen, Liebes.«
Er atmete tief durch, dann verließ er Erikas Zimmer. Er hatte jetzt eine Art Canossagang vor sich, aber er wußte auch, daß es dringend nötig war, sich zu entschuldigen. Nur so konnte die Arbeit hier in der Klinik wieder reibungslos funktionieren.
*
Es wurde eng in Dr. Metzlers Büro, denn der gesamte Ärztestab, alle Schwestern und Pfleger hatten sich auf Anweisung des Chefarztes hier versammelt.
»Was ich jetzt gestehen muß, fällt mir wahrlich nicht leicht«, sagte Dr. Metzler ganz offen. »Sie alle haben mich während der vergangenen Monate von einer ziemlich üblen Seite kennengelernt, und dafür möchte ich mich heute ausdrücklich entschuldigen.« Er schwieg kurz. »Ich kann selbst nicht erklären, wie es dazu gekommen ist, aber… vermutlich war es mein Ehrgeiz. Ich wollte eben ein perfekter Chefarzt mit einem fehlerlosen Team sein, aber so etwas gibt es wohl nicht, und wenn doch, dann funktioniert es nicht, indem man andere tyrannisiert. Ich wollte das nicht, aber…« Er zuckte die Schultern. »Es ist nun mal passiert, und ich kann nur hoffen, daß Sie mir verzeihen.« Er zögerte. »Es wird nicht mehr