Abessinien, das Alpenland unter den Tropen und seine Grenzländer. Andree Richard
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Betrachten wir nun die einzelnen Repräsentanten der Pflanzenwelt in diesen Niederungen und den sich ihnen anschließenden bergigen Gegenden bis zur Höhe von 5500 Fuß. Aus dem heißen ungesunden Tieflande aufwärts steigend, gewahren wir große gewaltige Bäume nur in den Tiefen des Thales. Die Wände sind zwar üppig begrünt, doch nur von kleinen Bäumen bestanden; namentlich wuchert die Akazie empor und nur an den günstigsten Stellen treten andere Bäume zwischen sie hinein; im Thalgrunde dagegen erheben sich die Tamarinden mit ihren blaugrünlich schimmernden Kronen; die Kigelien mit dem herrlichen Laubgewölbe, aus welchem die großen, wurstförmigen, an langen, elastischen Stielen hängenden Früchte hervorschauen; der Baobab (Adansonia digitata), die Mimosen, welche hier zu hohen schönen Bäumen geworden sind, [pg 53]und viele andere herrliche Gewächse. Blumen aller Art, Gräser, Cacteen und Euphorbien, schmarotzende Loranthusarten und Parasiten ohne Zahl bemächtigen sich des von den Bäumen selbst nicht in Besitz genommenen Erdreichs und verleihen den Wänden auf große Strecken hin schmückende Farben. Je höher man im Thale aufwärts steigt, um so kräftiger und reicher erscheint die Pflanzenwelt. Von etwa 4000 Fuß über dem Meere an tritt die Sykomore, bald darauf der Oelbaum und mit ihm die prächtige Kronleuchter-Euphorbie auf. Gleich diesen tragen die Oelbäume wesentlich dazu bei, diesem Gürtel einen gewissen Charakter zu verleihen; doch kommen letztere an und für sich langweilige Pflanzen nie so zur Herrschaft, daß ihr Anblick unangenehm werden könnte. Ihr ungewisses Graugrün sticht prächtig ab von den auf große Strecken hin durch die blühende Aloë rothgelb erscheinenden Felspartien, von den Blättern und Blüten mancher Schlingpflanzen oder dem dunklen Laube anderer Bäume. Mit dem Wachholder und der Eibe bildet der Woira oder Oelbaum zwischen 5000 und 5500 Fuß den vorzüglichsten Waldbaum Abessiniens; ein ganz anderer Gesell, als sein kleiner südeuropäischer Verwandter, erreicht er eine durchschnittliche Höhe von sechzig bis achtzig Fuß und einen Durchmesser von vier Fuß. Die erbsengroßen fleischlosen Früchte werden nicht benutzt, dagegen liefert der Stamm ausgezeichnetes Zimmer- und Brennholz. Die Tamarinde (T. indica) erreicht eine majestätische Größe, wird aber von den Eingeborenen wenig beachtet; verschiedene Senna-Arten kommen vor. In den wüsten, sandigen und vulkanischen Grenzdistrikten werden die Akazien (A. eburnea, planifrons u. s. w.) und andere Kameeldornbäume von großer Wichtigkeit, da in ihrem Schatten sich Menschen und Vieh sammeln können. Einige liefern Gummi arabicum und die dornigen Zweige dienen den Kameelen als Futter.
Eine sehr eigenthümliche Erscheinung in der Kolaregion ist die papierrindige Boswellia (B. papyrifera). Sie ist ein stattlicher Baum mit großen ahornartigen Blättern und kleinen rothen Blütenbüscheln. Unmittelbar nach der Regenzeit zeigt der Stamm eine blaßgrüne glatte Rinde, die in der Trockenheit bald springt und sich in großen papierdünnen Blättern ablöst. Wo ein Einschnitt gemacht wird, entquillt in reichlicher Menge ein klebriger Milchsaft, der bald an der Luft erhärtet und klare Bernsteinfarbe annimmt.
Neben den genannten Pflanzen sind noch die Gattungen Zizyphus, Balanites, Dahlbergia, Sterculia, Salvadora, das stachelige Pterolobium und die langfrüchtige Baum-Cassia in der Kola vorzugsweise vertreten. Der graublätterige Uscher (Calotropis procera) überrascht durch seine ballonartigen, mit atlasglänzender Wolle gefüllten Früchte.
Mehrere Euphorbia-Arten kommen in außerordentlicher Größe vor. Unter denselben zeichnet sich als Charakterpflanze die schöne, armleuchterartige, oft bis vierzig Fuß hohe Kronleuchter-Euphorbie (E. abessinica), der Kolqual, besonders aus. Er gleicht einem Cactus, der zum Baum geworden ist, aber seine Regelmäßigkeit, sein eigenthümliches Wesen, die Fülle seiner Blätter, die gleichartige Verzweigung derselben beibehalten hat.
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Baobab mit Schlingpflanzen, im Vordergrunde Agaseen-Antilopen. Zeichnung von Robert Kretschmer.
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Landschaft mit Kronleuchter-Euphorbien und Mimosen. Zeichnung von Robert Kretschmer.
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Licht hebt er sich ab von dem dunklen Gelände und verleiht der Landschaft einen wunderbaren Schmuck. An dem Milchsafte dieser Pflanze ist schon mancher erblindet, während er andererseits als Arznei gegen Hautkrankheiten u. s. w. gebraucht wird. Das Holz des Kolqual wird zum Hausbau benutzt, um Querbalken zu belegen; aus der Kohle desselben fabrizirt man Schießpulver. Der Kolqual erreicht seine größte Verbreitung zwischen 4500 und 5000 Fuß Meereshöhe, allein er kommt selbst bis 11,000 Fuß Höhe vor. In den tiefer liegenden Gegenden ist die Sykomore sein Begleiter, der ihn aber bald verläßt. Diese Feigenart, welche von den Abessiniern Worka, die Goldene, genannt wird, steht bei den heidnischen Gallas in großer Verehrung. Oft hainartig gruppirt ragen die Sykomoren mit mächtigem Laubdach über ihre Umgebung hervor. Rüppell sah ein Exemplar, dessen Stamm einen Durchmesser von dreizehn Fuß hatte. Andere Exemplare von vielleicht tausendjährigem Alter und einer Größe, daß eine ganze Reisegesellschaft mit Thieren, Zelten und Gepäck in ihrem Schatten bequem ruhen können, sind gerade keine Seltenheit. Neben ihnen sieht man Sykomoren, die, eine ganze Welt für sich bildend, so von Schmarotzerpflanzen überdeckt sind, daß man nur Wände von diesen, selten aber ein Stückchen Stamm erblicken kann; so wandeln die Schlinger die von ihnen in Besitz genommenen Bäume in Lauben um, welche der Kunst jedes Gärtners zu spotten scheinen.
Die Botaniker haben gezeigt, daß kryptogamische Pflanzen in vielen ihrer Unterabtheilungen über die ganze Erde mit denselben Arten vertreten sind. Unter gleichen Umständen bedeckt dieselbe Flechte die Felsen in Europa wie in Abessinien, und derselbe Schwamm ist dort wie hier auf den Baumrinden zu entdecken. Auch in den heißeren, tiefer gelegenen Gegenden wundert man sich, daß selbst die ödesten, ärmsten Stellen des Gebirges begrünt und belebt sind; man begreift kaum, wie in dieser Sonnenglut, ungeachtet der Regen, eine ziemlich reichhaltige Flechtenwelt sich auf den Gesteinen festsetzen kann. Jede parasitische Pflanze wird von den Abessiniern mit einer Art von Mißtrauen betrachtet, namentlich die Gefäß-Kryptogamen, welche den Zauberern ihre hauptsächlichen Wundermittel liefern. Doch Pilze und Boviste werden für giftig angesehen und gemieden. Wo das Klima sehr feucht ist, erscheint der Schimmel, bekanntlich auch eine kryptogamische Pflanze, als eine wahre Landplage, die große Zerstörungen unter den Vorräthen anrichtet. Der Feuerschwamm, die phantastisch gleich Gewinden von den Bäumen herabhängende Bartflechte (Parmelia) sind in Abessinien häufig; selten dagegen die Moose. Unter den Farrnkräutern finden wir allerdings keine baumartigen, aber viele Gattungen, wie Aspidium, Polypodium, Asplenium, Adiantum, Scolopendrium, Ophioglossum und Pteris, die auch in Deutschland ihre Vertreter haben.
Die Woina-Deka oder vermittelnde Region, die von 5500 bis 7500 Fuß hinaufreicht, führt ihren Namen nach dem Weinstock. In ihr gedeihen