MATTHEW CORBETT und die Jagd nach Mister Slaughter. Robert Mccammon

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MATTHEW CORBETT und die Jagd nach Mister Slaughter - Robert Mccammon Matthew Corbett

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forscher Windstoß Matthew mit einem Geruchsbouquet aus Fisch, Teereimern, Werftpfählen, Vieh und Futter, dem Inhalt der aus den Fenstern auf das Straßenpflaster gekippten Nachttöpfe und dem bittersüßen gärenden Geruch des East River. Wenn Matthews sich schon nicht im Herzen von New York befand, dann zumindest in der Nase der Stadt.

      Der Wind hatte in vielen der an den Straßenkreuzungen hängenden Laternen die Flammen ausgelöscht. Es war gesetzlich vorgeschrieben, dass jedes siebte Haus außen eine Laterne hängen haben musste, aber an diesem Abend war kein Mensch in der Lage, dem Wind zu befehlen, einen Docht zu verschonen – weder die ihre Runden ziehenden Wachtmeister noch ihr Vorgesetzter Lillehorne, trotz seiner Arroganz.

      Das unaufhörliche Getöse, das um siebzehn Uhr begonnen hatte und keinerlei Anzeichen des Abschwellens zeigte, hatte Matthew zu dem philosophischen Gedankenaustausch mit dem brüllenden Sturm inspiriert. Jetzt musste er sich beeilen, denn selbst ohne die Silberuhr in seiner Westentasche zu konsultieren, wusste er, dass er um einige Minuten zu spät dran war.

      Nun mit den Windböen im Rücken überquerte Matthew die Pflastersteine der Broad Street und erspähte im gequälten Licht einer noch flackernden Laterne seinen Zuchtmeister, der bereits auf ihn wartete. Ihre Amtsstube befand sich nur ein kleines Stück weiter in der Stone Street 7, eine schmale Stiege ins Dachgeschoss hoch. Dort spukten angeblich die Vormieter, die einander im Streit über Kaffeebohnen ermordet hatten. Matthew hatte in den letzten Wochen Knarzen und dumpfe Schläge gehört, aber er war sich sicher, dass das lediglich die Altersbeschwerden eines holländischen Gemäuers gewesen waren, das tiefer in die englische Erde sank.

      Noch bevor Matthew Hudson Greathouse erreicht hatte, der eine Wollmütze und einen wie Rabenschwingen flatternden langen dunklen Mantel trug, kam dieser bereits auf ihn zu und rief im Vorbeigehen laut in den Wind: »Mir nach!«

      Matthew verlor seinen Dreispitz fast aufs Neue, als er sich umdrehte, um ihm zu folgen. Greathouse marschierte in den Sturm hinein, als ob er ihm gehörte.

      »Wohin gehen wir?«, schrie Matthew, aber entweder wurden seine Worte fortgeweht oder Greathouse zog es vor, nicht zu antworten.

      Obwohl sie durch ihre Arbeit für die Herrald Vertretung viel miteinander zu tun hatten, würde niemand die beiden Ermittler für Brüder halten. Matthew war groß und schlank, aber zäh wie Schilfrohr. Sein hageres Gesicht endete in einem langen Kinn und die Haare unter seinem Dreispitz waren schwarz und fein. Sein vom Laternenlicht beschienener blasser Teint sprach von seinem Interesse an Büchern und abendlichem Schachspiel in seiner Lieblingsschänke, dem Trot Then Gallop. Seit seiner neuen Berühmtheit, die er durchaus gerechtfertigt fand – schließlich war er im Einsatz für Gerechtigkeit tatsächlich fast ermordet worden –, interessierte er sich für die Art von Kleidung, die sich für einen New Yorker Gentleman geziemte. In seinem neuen schwarzen Anzug, der wie die dazugehörige Weste von schmalen grauen Streifen durchzogen war, sah er wie ein Dandy aus. Es war einer von zwei Anzügen, die Benjamin Owles für ihn geschneidert hatte. Seine neuen schwarzen Stiefel, die erst am Montag geliefert worden waren, glänzten hochpoliert. Er hatte sich einen Spazierstock aus Schwarzdorn bestellt, wie ihn viele der gut situierten jungen Gentlemen der Stadt besaßen – doch da das vornehme Stück aus London verschifft wurde, würde er erst im Frühling in den Genuss seines Stocks kommen. Matthew hielt sich so sauber wie einen Seifennapf und rasierte sich stets glatt. Seine kühlen grauen Augen mit ihrem Anflug von Dämmerungsblau waren klar und an diesem Abend sorgenlos. Ihr aufrichtiger und fester Blick konnte, so würde mancher sagen – und Grigsby hatte es in seinem zweiten Artikel so ausgedrückt – einen Schurken dazu bringen, seine bösen Laster abzulegen, bevor sie so schwer wie Gefängnisketten wurden.

      Der alte Zeitungsknabe wusste schon, wie man die Wörter drehen konnte, dachte Matthew.

      Hudson Greathouse, der nach links abgebogen war und jetzt mehrere Längen vor ihm die Broad Street gen Norden entlangschritt, unterschied sich von Matthew wie ein Hammer von einem Dietrich. Siebenundvierzig Jahre alt, breitschultrig und stattlich, war er einen Meter neunzig groß, von einer Statur und einem Körperbau, der die meisten anderen Männer dazu veranlasste, mutsuchend zu Boden zu schauen, wenn sie auf ihn trafen. Wenn der schroff aussehende Greathouse mit den tief liegenden schwarzen Augen seinen Blick durch einen Raum schweifen ließ, schienen die Männer in dem Zimmer aus Angst, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, zu erstarren. Auf Frauen war der Effekt das genaue Gegenteil. In Gegenwart von Greathouses Limonen-Rasierseife hatte Matthew die frommsten Frauen zu tändelnden Kokotten werden sehen. Und im Gegensatz zu Matthew konnte der große Mann mit den wechselhaften Launen der neuesten Mode nichts abgewinnen. Ein teuer geschneiderter Anzug kam für ihn nicht infrage; modischer als ein hellblaues Rüschenhemd, sauber aber abgetragen, und einfache graue Kniebundhosen, dazu simple weiße Strümpfe und kräftige, ungeputzte Stiefel mochte er es nicht. Seine dichten Haare unter der Mütze waren eisengrau und mit einem schwarzen Band zu einem Zopf zurückgebunden.

      Wenn die beiden außer der Herrald Vertretung noch eine Gemeinsamkeit hatten, dann waren es Narben. Matthews Ehrenabzeichen war ein Halbkreis, der kurz über der rechten Augenbraue begann und sich zum Haaransatz nach oben zog; ein lebenslanger Denkzettel an einen Kampf mit einem Bären vor drei Jahren in der Wildnis – und er konnte sich glücklich schätzen, diesen überlebt zu haben. Greathouse besaß eine gezackte Narbe, die die linke Augenbraue durchtrennte, und die ihm – wie er verdrießlich erklärt hatte – von seiner dritten Gattin mittels einer geworfenen, zerbrochenen Teetasse beigebracht worden war. Seiner ehemaligen Gattin natürlich, und Matthew hatte nie gefragt, was aus ihr geworden war. Um fair zu sein: Greathouse trug seine wahre Narbenkollektion – vom Dolch eines Auftragsmörders, einer Musketenkugel und einem Degenstich verursacht – unter dem Hemd.

      Sie näherten sich dem aus gelbem Stein gebautem zweigeschossigen Rathaus, das an der Kreuzung von Broad und Wall Street stand. In manchen der Fenster leuchteten Lampen, denn die Geschäfte der Stadt verlangten nach Überstunden. An einer Seite des Gebäudes stand ein Baugerüst. Auf dem höchsten Punkt des Daches wurde eine kleine Kuppel errichtet, damit die englische Fahne näher am Himmel flattern konnte. Matthew fragte sich, ob der Leichenbeschauer der Stadt, der effiziente, aber exzentrische Ashton McCaggers, sich durch das Hämmern und Sägen der Arbeiter über seinem Kopf gestört fühlte – denn er hauste mitsamt seines seltsamen Museums von Skeletten und grausigen Artefakten im Dachboden des Rathauses. Als Greathouse nach rechts abbog und die Wall Street hinunter auf den Hafen zuhielt, überlegte Matthew, dass McCaggers Sklave Zed bald in der Kuppel sitzen und über die wachsende Stadt und den Hafen blicken würde. Denn Matthew wusste, wie gern der riesige Afrikaner schweigend auf dem Dach saß, während der Rest der Welt zu seinen Füßen Handel trieb, schwitzte, fluchte und sich generell das Leben zur Hölle machte.

      Nicht viel weiter, kurz nach einer Schänke, dem Cat’s Paw zu seiner Linken, erkannte Matthew, wohin Greathouse ihn brachte.

      Seitdem das Horrorregime des Maskenschnitzers im Sommer ein Ende gefunden hatte, war niemand mehr in der Stadt ermordet worden. Hätte Matthew einem Besucher den Ort nennen sollen, an dem man mit höchster Wahrscheinlichkeit einen Mord miterleben konnte, dann hätte er auf die abgeblätterte rote Tür gezeigt, auf die Greathouse jetzt zuhielt. Das verwitterte rote Schild über der Tür verkündete: The Cock’a’tail. Das zur Straße zeigende Fenster war so oft von sich prügelnden Gästen zerbrochen worden, dass es mit rauen Brettern zugenagelt war, durch die schmutziges Licht auf die Wall Street sickerte. Von den gut ein Dutzend Wirtshäusern in New York war es dasjenige, das Matthew sorgfältig mied. Hier wurde die Ansammlung von Gaunern und Neureichen, die sich für Finanzgenies hielten, bei ihren Streitereien über den Wert von Handelswaren wie Sülze und Biberpelzen vom billigsten, grausigsten und hochprozentigsten Apfelbrandy angeheizt, der je ein Hirn in Flammen gesetzt hatte.

      Zu Matthews Schrecken öffnete Greathouse die Tür und drehte sich einladend zu ihm um. Das gelbe Lampenlicht spie einen Nebel aus Pfeifenrauch nach draußen, der sofort vom Wind davon geweht wurde. Matthew biss die Zähne zusammen.

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