Die Entdeckung Alaskas mit Kapitän Bering. Georg Wilhelm Steller

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Die Entdeckung Alaskas mit Kapitän Bering - Georg Wilhelm  Steller Edition Erdmann

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Nachwelt kann Bering für diese Entscheidung nur dankbar sein, denn mit Steller hatte er sich einen Chronisten der Reise verpflichtet, der den anschaulichsten und lebendigsten Bericht über die Amerikafahrt gab. Die Schiffsjournale und Berichte der Seeoffiziere enthalten demgegenüber meist nur trockene Daten und Fakten. In Stellers Bericht offenbart sich als beständiger Grundzug die latente Spannung zwischen dem Wissenschaftler und dem See-Kommando, die sich manchmal auch offen entlud. Wenn der junge Deutsche überhaupt einmal zur Beratung hinzugezogen wurde, dann schlug man in aller Regel seine Ratschläge in den Wind.

      Steller hielt nichts davon, zunächst auf Südostkurs das sagenhafte »Gama-« und »Kompanieland« zu suchen; aufgrund von mündlichen Berichten vermutete er die kürzeste Verbindung nach Amerika gegenüber der Tschuktschenhalbinsel und schlug daher Nordostkurs vor. Als er während der Seereise treibende Pflanzen und Tiere beobachtete und daraus auf die Nähe von Land schloss, glaubte man ihm nicht; vergeblich empfahl er auch »antiskorbutische Kräuter« zur Heilung der gefährlichen (Vitamin-C-)Mangelkrankheit Skorbut und warnte vor der Aufnahme brackigen Trinkwassers. Insbesondere zu den beiden Offizieren Berings, dem schwedischen Leutnant Sven Waxell und dem russischen Schiffsmeister Kitrow, geriet Steller immer wieder in Gegensatz. Demgegenüber schien sich Bering oftmals der Meinung Stellers anzuschließen, vermochte sich jedoch – geschwächt durch Alter und Krankheit – offensichtlich im Schiffsrat nicht mehr durchzusetzen.

      Am 29. Mai 1741 legten sich die beiden Schiffe »St. Peter« (mit dem Kapitän-Kommandeur Bering und mit Steller) und »St. Paul« (mit Kapitän Tschirikow und mit Delisle de la Croyère) auf die Reede des Peter-und-Paul-Hafens und liefen am 4. Juni aus der Awatscha-Bucht in die offene See aus. Bereits wenige Tage später verloren sich die Schiffe bei schlechter Sicht und fuhren nun – nachdem sie sich tagelang vergeblich gesucht hatten – getrennt nach Osten. Kapitän Tschirikow erreichte am 15./16. Juli die amerikanische Küste und lief am 9. Oktober 1741 wieder glücklich in den Peter-und-Paul-Hafen ein. Allerdings waren etliche seiner Begleiter dem Skorbut erlegen, darunter auch Delisle de la Croyère.

      Nachdem Bering ohne Erfolg die »St. Paul« sowie das »Gama-« und »Kompanieland« gesucht hatte, segelte er ohne weitere Ablenkung gen Amerika. Wahrscheinlich als Erster sah Steller am 15. Juli 1741 Land, doch erst am nächsten Tag bot sich ihm und den anderen bei klarer Sicht die imposante Kordillere Alaskas dar: eine großartige Küstenlandschaft mit einem hohen schneebedeckten Berg (dem Mt. St. Elias). Am 20. Juli erreichten sie eine Insel, die sie »St.-Elias-Insel« nannten (die heutige Kayak-Insel). Während Steller hier an Land gehen und forschen wollte, war es Bering offenbar nur um die Aufnahme von Frischwasser zu tun. Es entbrannte nun ein heftiger Streit darüber, ob Steller an Land gehen dürfe oder nicht. Erst als der Letztere ein »besonderes Gebet betete«, also wohl eine Art Eid schwor, nach der Rückkehr Bering und seine Offiziere vor höherer Stelle zur Rechenschaft zu ziehen, erteilte der Kapitän-Kommandeur die Erlaubnis zum Landgang. Um den hitzigen Steller, der sich nicht der Bemerkung enthalten konnte, man sei wohl nur hierhergekommen, um »amerikanisches Wasser nach Asien zu bringen«, lächerlich zu machen, ließ Bering ihm mit Trompeten hinterherblasen. Nur wenige Stunden blieben dem eifrigen jungen Wissenschaftler, die Insel zu erkunden. Er entdeckte hier rund einhundertsechzig Pflanzenarten und sammelte etliche materielle Zeugnisse der Aleuten. Bei seiner Rückkehr an Bord behandelte man ihn jedoch wieder gütlich und bewirtete ihn zu seiner großen Überraschung mit einer Tasse heißer Schokolade. Dennoch bemerkte Steller mit Sarkasmus: »Die Zeit, welche hier zu Untersuchungen verwandt wurde, stand zu den Vorbereitungen im umgekehrten Verhältnis: Zehn Jahre währte die Vorbereitung, und zehn Stunden wurden der Sache selbst gewidmet. «

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       S. P. Krascheninnikow

      Da man nicht in Amerika überwintern wollte, entschloss man sich angesichts des früh hereinbrechenden Herbstes zur Rückreise, während der zahlreiche Besatzungsmitglieder an Skorbut erkrankten. Am 29. August erreichten sie die Shumagin-Gruppe der Aleuten-Inseln, wo der erste Tote dieses Teils der Expedition, der Matrose Shumagin, beigesetzt wurde. Am 4. September hatten sie erstmals Kontakt mit »Amerikanern« (also mit Aleuten), die Steller ausführlich beschrieb. Im September und Oktober litt die Schiffsbesatzung unter dem schlechten Wetter, unter wilden Stürmen und Skorbut: »Die Not und das Sterben auf unserem Schiff«, so schrieb Steller, »nahm übrigens dergestalt überhand, dass nicht nur die Kranken dahinstarben, sondern auch Leute, die nach ihrer eigenen Meinung gesund waren, vor Mattigkeit auf dem Posten abgelöst tot niederfielen. Die geringe Wasserportion, der Mangel an Zwieback und Branntwein, die Kälte, Nässe, Blöße, das Ungeziefer, Furcht und Schrecken waren die hauptsächlichsten Ursachen dafür … Man glaube nicht, dass ich die Gefahren übertrieben hätte; auch die beredtste Feder würde zu schwach sein, unser Elend zu beschreiben.«

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       Der Hafen St. Peter und St. Paul

      Nach einer Sturmfahrt durch die Aleuten strandete Berings Schiff schließlich am 5. November 1741 auf der später so genannten »Beringinsel«, wo der Kapitän-Kommandeur am 8. Dezember 1741 starb. Als Teil der Kommandeur-Inseln liegt die Beringinsel etwa zweihundert Kilometer von der Ostküste Kamtschatkas entfernt; doch glaubte die Mehrheit der Gestrandeten zunächst fest daran, an einem Teil Kamtschatkas gelandet zu sein (Bering und Steller hingegen waren eher skeptisch). Auf der Insel entspann sich nun ein harter Überlebenskampf gegen die Unbilden der Natur. Mit den brauchbaren Restbeständen des gestrandeten Schiffs richteten die Männer sich so gut ein, wie sie konnten, gruben sich Erdhöhlen und organisierten gemeinschaftlich das Jagd- und Arbeitsleben. Zahlreiche Seetiere (vor allem Seeotter und Seekühe) boten ihnen Nahrung. Spätere (russische und dänische) archäologische Untersuchungen (1910/11, 1979, 1991) des Winterlagers der Gestrandeten führten u. a. zur Auffindung von Grabstätten und Skelett-Teilen, darunter auch dem Grab Berings mit dessen Schädel.

      Durch den Genuss von Kräutern, Beeren und frischem Fleisch gingen die Skorbuterkrankungen langsam zurück. Gegen die diebischen Steinfüchse, von denen die Insel nur so wimmelte, führten die Männer einen stetigen, grausamen »Krieg Mensch gegen Tier«. Steller und der Leutnant Waxell, der nach dem Tod Berings das Kommando übernommen hatte, waren die handfesten und moralischen Führer der verzweifelten Schar der Überlebenden. Besonders Steller erwies sich auf der Insel als Meister der improvisierten Überlebenstechnik; er organisierte die Arbeitsabläufe, versorgte die Kranken, wirkte als Seelsorger und führte darüber hinaus noch wissenschaftliche Untersuchungen durch. Als Naturforscher gewann Steller dem Leiden auf der Beringinsel auch eine positive Seite ab: »Während für die übrige Besatzung diese Expedition ins Beringmeer ein wahres Martyrium bedeutete, wurde sie für Steller zum größten Gewinn seines Lebens: ›… ich wollte die Erfahrung, so in der Natur auf dieser faulen Reise erlanget, nicht für ein großes Capital vertauschen‹ bekennt er in einem Schreiben an Gmelin als Summe seiner Erlebnisse« (Hünefeld). Im 19. Jahrhundert würdigte Adolf Erik Nordenskiöld, der berühmte Bezwinger der Nordostpassage (1878–1880), die naturwissenschaftliche Leistung Stellers auf der Bering-Insel, »welcher eine mit selten übertroffener Meisterschaft ausgeführte Schilderung der Naturverhältnisse und des Tierlebens auf dieser früher nie von Menschen besuchten Insel gegeben hat.« (A. E. Nordenskiöld: Nordostwärts. Die erste Umsegelung Asiens und Europas 1878–1880, hrsg. v. Hans-Joachim Aubert, Edition Erdmann in der marixverlag GmbH, Wiesbaden 2012). Nur noch elementare Dinge waren jetzt wichtig: »Die wertvollen Seeotterfelle wurden uns schon bald zu einer Last, die ihren Preis bei uns verloren hatte; und weil wir keine Zeit hatten, sie zu trocknen und zuzubereiten, so wurden sie einfach hingeworfen, bis sie verdarben und von den Füchsen zerfressen wurden. Dagegen begannen wir, bisher gering geachtete und kaum in die Hände genommene Dinge wie Äxte, Messer, Pfrieme, Nadeln, Zwirn, Schuhdraht, Schuhe, Hemden, Strümpfe, Stangen, Stricke und dergleichen als wertvolle Güter sehr zu schätzen. Rang, Wissenschaft und andere Verdienste gewährten bald keinen Vorzug mehr und reichten zu unserem Lebensunterhalt nicht hin; so entschlossen wir uns, mit allen noch verbliebenen

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